Oracle geht gegen Lizenzhändler vor

07.02.2006
Mit einer einstweiligen Verfügung gegen Usedsoft glaubt der Datenbankspezialist, den Markt für gebrauchte Lizenzen empfindlich getroffen zu haben. Doch die Secondhand-Händler wehren sich.

Der Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen beziehungsweise der Weiterverkauf von Softwarelizenzen an Dritte ist rechtswidrig", meinen die Oracle-Verantwortlichen und beziehen sich dabei auf eine Entscheidung des Landgerichts München vom 19. Januar 2006. Der Datenbankspezialist hatte gegen den Münchner Secondhand-Lizenzhändler Usedsoft eine einstweilige Verfügung erwirkt. Usedsoft darf nun keine gebrauchten Oracle-Lizenzen mehr verkaufen oder dafür werben.

Standpunkt Oracle

Der Handel mit gebrauchten Lizenzen beziehungsweise der Weiterverkauf von Softwarelizenzen an Dritte ist rechtswidrig.

Die Lizenz ist nur die jeweilige Erlaubnis der Nutzung für einen oder mehrere Nutzer, nicht aber gleichzusetzen mit dem Werkstück.

Nutzungsrechte lassen sich nicht in beliebige Teilmengen aufspalten und weiterveräußern.

Ein Softwarehersteller kann nicht dazu verpflichtet werden, Kunden Pflegeverträge anzubieten, die seine Software nicht legal erworben haben.

Die Entscheidung gilt grundsätzlich auch für andere Hersteller.

Standpunkt Usedsoft

Das Urteil sagt nur, dass Usedsoft keine gebrauchten Oracle-Lizenzen mehr verkaufen darf.

Der Handel mit Secondhand-Lizenzen ist nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die rechtliche Grundlage ist mit dem Erschöpfungsgrundsatz gegeben.

Die Argumentation Oracles, ein Lizenzpaket dürfe nicht aufgespalten werden, lässt sich nicht halten.

Ein Softwareanbieter

ist aus kartellrechtlichen Gesichtspunkten dazu verpflichtet, auch einem Käufer von Gebrauchtsoftware einen Wartungsvertrag zu gewähren.

Andere Softwarehersteller können sich nicht an das Urteil anhängen.

Im Namen des Volkes …

Am 19. Januar hat das Landgericht München I Folgendes entschieden (Az: 7 O 23237/05):

Usedsoft hat es zu unterlassen, "Dritte zu veranlassen, Oracle-Software zu vervielfältigen, indem Dritten durch einen vermeintlichen Erwerb von Lizenzen, insbesondere durch den Hinweis auf deren aktuellen Wartungszustand, der Eindruck vermittelt wird, dass sie zu Nutzung und korrespondierenden Vervielfältigungen berechtigt seien".

Usedsoft könne sich nicht auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen, begründete das Gericht die einstweilige Verfügung. Der Händler verbreite nicht die Vervielfältigungsstücke der Oracle-Software selbst, sondern veranlasse seine Kunden, neue Vervielfältigungen herzustellen, indem die Software von der Homepage von Oracle heruntergeladen werde. Allerdings, so schränken die Richter ein, sei die Frage, ob Erschöpfung auch an online übermittelten Werken eintreten kann, von der Rechtsprechung noch nicht endgültig entschieden.

Hier lesen Sie …

• warum Usedsoft keine gebrauchten Oracle-Lizenzen mehr verkaufen darf;

• warum die Secondhand-Lizenzhändler weiter an ihre Geschäftsidee glauben;

• wo für Käufer von Gebrauchtlizenzen Risiken liegen und wo nicht.

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www.computerwoche.de/go/

566420: Susen Software bietet SAP-Wartung an;

561276: Usedsoft bietet Softwarelizenzen aus zweiter Hand;

548741: Billigalternative Gebrauchtsoftware.

Seit rund drei Jahren handeln Unternehmen wie Usedsoft oder Susen Software mit Lizenzen aus zweiter Hand. Das Geschäftsmodell beruht darauf, Lizenzen, die Unternehmen aufgrund von Personalabbau oder Insolvenzen nicht mehr benötigen, aufzukaufen und mit Gewinn weiterzuvertreiben. Die Preise für diese Gebrauchtsoftware liegen in aller Regel deutlich unter den Listenpreisen der Hersteller.

Die Secondhand-Händler sehen sich nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2000 rechtlich auf der sicheren Seite. Damals hatte Microsoft einen Händler verklagt, der OEM-Lizenzen separat ohne dazugehörigen Rechner verkaufen wollte. Der weltgrößte Softwarekonzern unterlag. Die Richter kamen aufgrund des "Erschöpfungsgrundsatzes" zu dem Schluss, das Verbreitungsrecht Microsofts habe sich erschöpft, nachdem die entsprechenden Softwarekopien mit Zustimmung des Herstellers in Verkehr gebracht wurden.

Doch Ende vergangenen Jahres wurde es Oracle offenbar zu viel. Dabei hat Usedsoft gar keine Oracle-Lizenzen weiterverkauft, beteuert Peter Schneider, Chef des Softwarehändlers. Der Firma seien Oracle-Lizenzen mit gültigen Wartungsverträgen angeboten worden, deren Lizenzform vom Hersteller heute nicht mehr offeriert wird. Deshalb sei das Angebot für einige Unternehmen sehr interessant gewesen. Usedsoft habe es bislang lediglich durch Mailing-Aktionen beworben. "Das war für Oracle der Anlass, mit dem großen Knüppel draufzuhauen."

Schneider legte Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts ein. Oracle versuche den Eindruck zu erwecken, dass sich mit der einstweiligen Verfügung das Grundsatzurteil des BGH aushebeln lasse, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme von Usedsoft: "Dies ist nachweislich falsch." Dem Urteil zufolge greife der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz nur in diesem speziellen Fall nicht, da die Oracle-Software zu 85 Prozent online mit einem eingeschränkten Nutzungsrecht übertragen werde. Der Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen anderer Hersteller sei von der Verfügung nicht betroffen.

Schneider geht nicht davon aus, dass sich Oracles Position in den folgenden Instanzen halten lässt. Dabei berufen sich die Usedsoft-Verantwortlichen unter anderen auf Thomas Hoeren, Spezialist für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Nach dessen Einschätzung gilt auch bei der Online-Übertragung eines Computerprogramms der Erschöpfungsgrundsatz. Der Käufer könne Software ohne Zustimmung des Urhebers weiterveräußern.

Diese Auffassung teilt Oracle-Anwalt Wolfgang Fritzemeyer von der Münchner Kanzlei Baker & McKenzie LLP nicht. Der Erschöpfungsgrundsatz erlaube lediglich die Weitergabe des ursprünglich erlangten Werkstücks, also eines Datenträgers, mit den daran eingeräumten Nutzungsrechten. Es sei jedoch nicht gestattet, diese Nutzungsrechte in Teilmengen aufzuspalten und weiterzuverkaufen. Ein Nutzer könne nicht 500 Lizenzen erwerben und dann bei einer späteren Bedarfsminderung die Hälfte davon einfach wieder verkaufen. Zudem hätten die Gebrauchthändler das Problem der Wartung nicht geklärt.

"Auch die mit der Lizenz verbundenen Wartungsverträge sind übertragbar", widerspricht Usedsoft-Chef Schneider. Sein Unternehmen kaufe und verkaufe nur Lizenzen mit gültigen Wartungsverträgen. In solchen Fällen müsse der Hersteller diese Wartung weiter liefern, folgert Schneider: "Gekauft ist gekauft - das gilt auch für die Wartung." Schließlich gelten auch bei Gebrauchtwagen Gewährleistung und Garantie weiter. Ein Hersteller könne diese Rechte nicht auf den Erstkäufer beschränken. Die Services sind an das Auto gebunden, nicht an die Person.

Gekauft oder nicht gekauft?

Schneider warnt vor weiteren grundsätzlichen Problemen, sollte das Münchner Urteil auch in den folgenden Instanzen Bestand haben. So stelle sich die Frage, warum Oracle einen Kaufpreis verlange, wenn die damit verbundene Eigentumsübertragung gar nicht richtig oder nur eingeschränkt erfolgt. "In welchem Rechtszustand steckt der Kunde?", fragt der Usedsoft-Chef. Für viele Unternehmen hätte es verheerende bilanzielle Folgen, wenn die Software, die sie für teures Geld eingekauft und verbucht haben, letztlich nichts mehr wert ist, weil sie sich nicht weiterveräußern lässt. "Das kommt einer Enteignung durch Oracle gleich."

"Ob der Erschöpfungsgrundsatz greift oder nicht, ist dem Wirtschaftsprüfer erst einmal egal", hält Peter Huppertz, Lizenzexperte der Kanzlei Noerr Stiefenhöfer Lutz, dem entgegen. Ein Softwarekauf sei auch dann rechtsgültig, wenn der Weiterverkauf eingeschränkt sei. Huppertz geht davon aus, dass Oracle in diesem speziellen Fall gute Chancen hat, auch die folgenden Instanzen zu gewinnen. Laut einer EU-Richtlinie greife im Download-Bereich der Erschöpfungsgrundsatz nicht. Die Gefahren einer Urheberrechtsverletzung seien größer als bei einer körperlichen Weitergabe. Daher müssten die Rechte online besser geschützt werden.

Die anderen Secondhand-Händler wollen sich von dem Urteil nicht Bange machen lassen. Axel Susen, Geschäftsführer von Susen Software, hält die Frage, ob die Software als Datenträger oder via Internet vertrieben wurde, für Haarspalterei.

Es sei ärgerlich, dass nun Schlagzeilen zu lesen seien, der Handel mit Gebrauchtsoftware sei grundsätzlich illegal, ärgert sich Tobias Kollewe, Chef von Pragmatrade, einer Online-Handelsplattform für Softwarelizenzen. Generell gelte aber nach wie vor das Urteil des BGH. "Letztendlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Hersteller mit dem Handel gebrauchter Softwarelizenzen abfinden müssen."