Streit wegen "dirty tricks" gegen Microsoft?

Oracle: Ellisons Adjutant gibt auf

07.07.2000
MÜNCHEN (ls) - Es hätte die Woche der Produktoffensive werden sollen. Statt dessen endete sie nach Berichten über Oracles "Garbage Gate" mit dem Rücktritt von Firmenchef Larry Ellisons Stellvertreter, President und Chief Operating Officer (COO) Ray Lane.

Bis zum Schluss der US-Börsen am letzten Freitag wurde noch gewartet, dann hob man den Deckel vom Topf, in dem es schon kräftig brodelte. Die dürftige Mitteilung: Oracles zweitwichtigster Mann tritt von seinen Posten und Funktionen im Tagesgeschäft zurück, bleibt aber Mitglied im Aufsichtsrat.

Lane, 1992 zu Oracle gekommen, war seit 1996 COO. Sein Name wird verbunden mit der Überwindung einer tiefen Krise der Firma Anfang der 90er Jahre. In seiner Zeit als COO stieg der Wert der Oracle-Aktie um 4500 Prozent.

Lane war heftig umworben, zuletzt von EDS, Compaq und Hewlett-Packard. Das hatte ihn zu einem der bestbezahlten "zweiten Männer" in der US-Wirtschaft gemacht. Sein Gehalt inklusive Bonusansprüche war erst im letzten Jahr auf 3,25 Millionen Dollar verdreifacht worden, zuzüglich Aktienoptionen im Wert von 30 Millionen Dollar. Oracle-Chef Ellison behauptet, Lane habe in seiner Zeit bei Oracle zwei Milliarden Dollar verdient. Schon länger kursierende Wechselgerüchte haben möglicherweise dazu beigetragen, dass Lanes Ausscheiden keinen größeren Einbruch des Aktienkurses zur Folge hatte. Erste Reaktionen von Analysten verrieten denn auch wenig Überraschung, wenngleich von einem schweren Schlag für Oracle die Rede ist.

Einige Einlassungen von Ellison deuten auf ein persönliches Zerwürfnis hin. Ellison hatte sich in letzter Zeit stärker in das Tagesgeschäft eingemischt, was er selber so darstellt: "Rays Job hat sich dramatisch verändert."

Sein Topmanager habe sich "schrittweise zurückgezogen", so Ellison in einem Interview. "Ray konnte früher autonomer agieren. Er wollte immer seine eigene Show, und es gibt nur eine bei Oracle" - nämlich Ellisons.

Der wies zugleich Spekulationen zurück, der Rücktritt gehe auf Verwicklungen seines Stellvertreters in die Müllaffäre, in den USA spricht man von "Garbage Gate", zurück. Vielmehr übernahm Ellison die Verantwortung für die größte Schlappe Oracles seit Anfang der 90er Jahre. Er selbst habe eine Detektei beauftragt, Unterlagen von Microsoft-freundlichen Organisationen zu beschaffen.

Ellisons Müllaffäre nützt nur MicrosoftWiederholt war in den letzten Wochen führenden US-Zeitungen Material zugespielt worden, das belegt, wie Microsoft neutral erscheinende Verbände dafür bezahlt hat, PR-Kampagnen gegen eine Zerschlagung des Softwareriesen zu fahren. Dann kam heraus, dass die Detektei Investigative Group International Inc. (IGI) den Müll mindestens einer Pro-Microsoft-Lobbygruppe nach Beweismaterial durchsucht und für die Aktion dem Reinigungspersonal Geld geboten hat. Nach anfänglichen Dementis musste Ellison gestehen, den Auftrag erteilt und dafür bezahlt zu haben.

Solche "dirty tricks" seines Chefs, so die derzeitige Ansicht in der US-Presse, könnten Lane endgültig bewogen haben, das Handtuch zu werfen. Die beiden galten ohnehin als ungleiches Paar. Lane tritt betont zurückhaltend auf, die Publicity-trächtigen Tiraden Ellisons gegen Microsoft waren nicht seine Sache.

Teamchef vermasselt wichtigen ProduktstartEin Nachfolger für Lane war bis Redaktionsschluss nicht bekannt, Ellison will dessen Aufgaben vorübergehend selbst übernehmen. Bei einer internen Lösung könnte Gary Bloom noch vor Finanzchef Jeff Henley die besten Karten haben. Executive Vice President Bloom, seit 13 Jahren bei Oracle, war bisher für alle Geschäftsbereiche außer Finanzen und Lanes Domäne Marketing verantwortlich.

Ellison hat Bloom in letzter Zeit auffallend häufig auf die Schulter geklopft. Zuletzt galt das Lob dem Erfolg von Bloom beim selbstauferlegten Sparprogramm, mit dem Oracle im letzten Geschäftsjahr rund eine Milliarde Dollar Kosten eingespart hat. Eine Rezentralisierung der IT hatte die Personal- und Fixkosten reduziert und soll auch im nächsten Jahr für besonders hohe Gewinne sorgen (siehe CW 26/00, Seite 6).

Allerdings dürfte die Firma zunächst eher mit dem Skandal und dem Weggang Lanes zu kämpfen haben. Denn in der turbulenten Woche ging völlig unter, dass Oracle ein für die Zukunft des Unternehmens mitentscheidendes Neuprodukt auf den Markt gebracht hat. Das Paket "Internet Application Server 8i" (IAS 8i) umfasst neben der Datenbank eine Reihe von Basisanwendungen und Services, die verknüpft über Internet-typische Techniken zur Grundlage des künftigen E-Business werden und die R/3-Monolithen ablösen sollen. Mehr dazu in der nächsten COMPUTERWOCHE.

Der Skandal in den USA verhagelte auch Wolfgang Jaeger, Chef der deutschen Oracle-Filiale, die Präsentation. Hierzulande hatte man im Geschäftsjahr 2000 den Umsatz um 16 Prozent auf 930 Millionen Mark steigern können. Dabei ist die Bruttomarge gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent gestiegen. Zum Gewinn machte der Deutschland-Boss keine Angaben.

Da Jaeger den Auftrag hat, den Umsatzanteil im Internet-Geschäft von jetzt 15 auf 60 Prozent zu erhöhen, wird man auch in Deutschland schon bald einiges von IAS 8i hören. Dem steht jedoch die hohe Personalfluktuation von 13 Prozent entgegen, die Jaeger auf acht Prozent senken möchte - angesichts der negativen Schlagzeilen kein einfaches Unterfangen.