Open Source: Externe Hilfe ist gefragt

26.05.2006
Der zunehmenden Komplexität ihrer Projekte sind die Anwender allein nicht mehr gewachsen.
Der Bedarf an Open-Source-Services wächst. Anwender benötigen vor allem Schulungen und Hilfe bei Installation, Konfiguration und Verwaltung von Betriebssystemen.
Der Bedarf an Open-Source-Services wächst. Anwender benötigen vor allem Schulungen und Hilfe bei Installation, Konfiguration und Verwaltung von Betriebssystemen.

Der Bedarf an Dienstleistungen im Linux- und Open-Source-Umfeld steigt. Einer Studie des Beratungsunternehmens Techconsult zufolge setzten die Anbieter solcher Services im vergangenen Jahr in Deutschland rund 127 Millionen Euro um. Das sind 41 Prozent mehr als im Vorjahr. "2004 glaubten viele Anwenderfirmen noch, ihre Open-Source-Projekte mit eigenen Kräften stemmen zu können. Letztes Jahr wurde ihnen aber klar, dass sie ohne externe Hilfe nicht weiterkommen", begründet Denis Mrksa, Analyst beim Beratungsunternehmen Techconsult, diesen Trend.

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"Wenn ein Kunde überhaupt keine Skills im Open-Source-Umfeld besitzt, raten wir vom Einsatz ab", meint auch Karsten Freihube, Geschäftsführer Professional Services beim IT-Dienstleister Computacenter. "In komplexeren Einsatzgebieten wäre der Aufwand, sich in die Community einzubringen, Experten auszubilden oder einzukaufen, sonst zu hoch."

Evaluierung ist abgeschlossen

Hintergrund dieser Warnungen ist die steigende Komplexität der Projekte: Während sich der Open-Source-Einsatz früher vorrangig auf Internet-Technik oder einfache Infrastrukturvorhaben wie den so genannten LAMP-Stack (Linux, Apache, MySQL und PHP/ Perl/Python) beschränkte, geht der Trend heute zu Open-Source-Produkten jenseits der Linux-Welt. "Zumindest in Großunternehmen und dem gehobenen Mittelstand dreht es sich nicht mehr nur um das Betriebssystem, den Middleware-Stack und eine oder mehrere Datenbanken, sondern um komplexe Projekte, in die zunehmend auch unternehmenskritische Anwendungen integriert werden", beobachtet Techconsult-Analyst Mrksa.

Das Informations-Management untergliedert sich klassisch in die drei Phasen Planung, Entwicklung und Produktion - vielfach auch als Plan, Build und Run bezeichnet. Laut Techconsult waren Open-Source-Dienstleistungen im vergangenen Jahr vor allem in der Build- (Installation und Konfiguration) sowie Run-Phase (Live-Schaltung der Systeme) gefragt. "Viele der zum Teil mehrere Jahre andauernden Testszenarien sind 2005 live gegangen, zahlreiche Evaluierungsphasen wurden abgeschlossen", berichtet Mrksa. In diesem Jahr investieren die Anwender vor allem in Ausbildungsmaßnahmen für die Linux-Anwendungsbetreuung, in die Installation und Konfiguration sowie in die Verwaltung der Open-Source-Betriebssysteme.

Support ist nicht genug

Damit steigt der Bedarf an externen Spezialisten weiter: "Den meisten Anwendern fehlt es ja nicht nur an Programmier-Know-how, um bei wachsender Komplexität die Softwarebestandteile anzupassen und weiterzuentwickeln, sondern vor allem an der Fähigkeit, komplette Open-Source-Szenarien umzusetzen", so Mrksa. Dies setze eine spezifische Ausbildung sowie vor allem praktische Erfahrungen mit den Systemen voraus.

Grundsätzlich sind sich die Experten darin einig, dass IT-Dienstleister heute nicht mehr überleben können, wenn sie keine Open-Source- und Linux-spezfischen Services im Angebot haben. Angesichts der wachsenden Komplexität der Projekte haben allerdings viele Serviceanbieter Nachholbedarf, meint Sophie Mayo, Research Director beim US-Marktforschungsinstitut IDC. Der Support erfolge mittlerweile vielerorts per Fernzugriff, aber auch Best Practices und Schulungsangebote reichten nicht mehr aus, um den steigenden Anforderungen der Anwender gerecht zu werden.

"Wer sich vom Wettbewerb abgrenzen und auch in den kommenden Jahren im Open-Source-Umfeld Geld verdienen will, muss umfassende Beratungs- und Integrationsdienste anbieten", so Mayo. Entscheidend sei dabei ein klares Bekenntnis zu quelloffener Software und Standardisierung: "Die Anbieter sollten nach außen klar kommunizieren, dass sie sich für diese Themen engagieren und spezifische Angebote parat haben."

Potenzial für IT-Dienstleister im Open-Source-Umfeld bietet vor allem der Infrastrukturbereich: "Für die derzeitigen Trendthemen - Konsolidierung, Standardisierung, Virtualisierung - ist Open Source der Schlüssel zum Erfolg", so Mayo. Ohne externe Unterstützung seien solche Projekte jedoch nicht umzusetzen. Auch Systemintegratoren haben gute Chancen. Angesichts der Zunahme von Open-Source-Applikationen, die in bestehende Anwendungen integriert werden müssen, steigt die Zahl der gemischten Umgebungen aus proprietären und quelloffenen Komponenten. "Daraus ergeben sich für die Anbieter neue Möglichkeiten, kundenspezifische Lösungen zu entwickeln", so die Analystin.

Ziel dieses Miteinanders ist es, jeweils die Vorzüge einzelner Techniken miteinander zu kombinieren. Damit ist die ideologische Sichtweise - pro oder kontra Open Source - überholt, meint Computacenter-Manager Freihube: "Linux ist heute eine Technik wie viele andere, und genau dadurch ist es mittlerweile regelrecht unspektakulär geworden." Entscheidend sei nicht die Architektur, sondern allein der Anwendungszweck, der unter bestimmten Umständen den Einsatz von Linux und Open-Source-Software zweckmäßig erscheinen lasse.

Vor diesem Hintergrund müssen die IT-Dienstleister fundiertes Know-how im Umgang sowohl mit quelloffener als auch mit kommerzieller Software mitbringen und vor allem in puncto Interoperabilität und Konnektivität fit sein. "Überblickswissen und Lebenserfahrung sind in diesem Job unerlässlich" ist der Manager überzeugt. Computacenter setze daher auf ältere Mitarbeiter, die in möglichst vielen unterschiedlichen Bereichen tätig waren.

US-Spezialisten kommen

Vor allem aber der zunehmende Einsatz quelloffener Software auf Applikationsebene verlange nach tiefer gehenden Services und spezifischem Know-how: "Anwendungen sind im Open-Source-Bereich der nächste Schritt", ist die IDC-Expertin Mayo überzeugt. Auch in Deutschland ist diese Entwicklung zu erwarten, bestätigt Techconsult-Analyst Mrska: "Anwendungen wie ERP (Enterprise-Resource-Planning), Kundenbeziehungs-Management, Collaboration und Content-Management auf Linux-basierenden Systemen sind zwar noch verhältnismäßig selten im Einsatz. Sie werden den Open-Source-Markt aber künftig in Schwung bringen."

Je mehr dieser Markt in Schwung kommt, desto mehr Dienstleister werden das Potenzial entdecken. Schon jetzt machen vor allem US-amerikanische Spezialisten wie Spikesource, Openlogic, Optaros oder Sourcelabs von sich reden. Ihr Geschäftsmodell besteht darin, Infrastrukturlösungen und Anwendungen aus dem Open-Source-Angebot zu assemblieren und Kunden bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. "Kleine Open-Source-Dienstleister bieten dedizierten Service für quelloffene Lösungen, deren Reife und Angebot entlang dem Software-Stack nach oben wächst", beschreibt Mrksa.

Abrechnung wird komplexer

Die großen Serviceanbieter wie IBM, Hewlett-Packard (HP) und Siemens Business Services (SBS), die sich bislang hauptsächlich auf Open Source im Rechenzentrum und auf dem Desktop fokussieren, haben diesen Trend erkannt. Immer wieder nehmen sie nun auch reine Open-Source-Spezialisten in ihre Partnerprogramme auf.

Angesichts der wachsenden Zahl von heterogenen Umgebungen aus kommerziellen und quelloffenen Komponenten wird die Abrechnung von Services und Lizenzen immer komplexer. Das stellt die Dienstleister vor Probleme. Als besonders zukunftsträchtig gilt inzwischen das On-Demand-Modell: "Das ist natürlich der Königsweg, weil der Kunde mit der Abrechnung nichts mehr zu tun hat, sondern dem Provider für die Lösung seiner vorher definierten spezifischen Probleme eine monatliche Pauschale zahlt", so Freihube.