US-Betriebe setzen zunehmend auf Objektorientierung

OO-Experten arbeiten in den USA zu besten Bedingungen

04.10.1996

Die große Zunahme an objektorientierten Entwicklungen hat zu einer Knappheit an Experten geführt und zwingt eine wachsende Zahl von Unternehmen, ihre Mitarbeiter in dieser Technologie auszubilden. Hiermit ist laut Sharon Gaudin von der CW- Schwesterpublikation "Computerworld" indes nur die Hälfte gewonnen. Die zweite Herausforderung besteht darin, die geschulten Experten im Unternehmen zu halten.

Für Betriebe, die mit der Objektorientierung gerade anfangen, ist dies kein billiges Unterfangen. Im allgemeinen reicht das Spektrum der Trainingsmaßnahmen von wochen- oder monatelangen Inhouse- Schulungen bis hin zu externen Seminaren. Hinzu kommen hochbezahlte Projektberater. Einer der Geschäftsführer von Chubb & Son Inc. in Warren, New Yersey, beziffert die Kosten für internes Training ohne Beraterkosten auf etwa 1500 Dollar pro Mitarbeiter.

Jede Woche kommen zwei bis fünf Jobangebote

Bankers Trust Co. in New York startete vor zwei Jahren mit Objektorientierung. Gegenwärtig werden hier laut Nurul Choudhury von Advanced Technology Consulting, einer Gesellschaft von Bankers Trust, 20 bis 30 Prozent der Projekte mit objektorientierter Technologie entwickelt. Programmierer mit Erfahrung in Objektorientierung erhalten bei ihrer Einstellung ein 20 bis 30 Prozent höheres Gehalt als andere Entwickler. Ellen Conway vom Beratungsunternehmen BFR Systems Inc. in Liberty Corner, New Jersey, sagt, daß die Suche nach OO-erfahrenen Entwicklern etwa 75 Prozent ihres Jobs ausmacht. Dies führt nicht unbedingt nur dazu, daß Unternehmen wie Bankers Trust Programmierer verlieren. Nach Aussagen von Choudhury "stehlen" andere Betriebe seine geschulten Programmierer genauso schnell, wie er die ihren stiehlt.

Frank Nazarro, mittlerweile leitender Programmanalytiker bei Bankers Trust, war bei früheren Chefs, die er auf eine Weiterbildung zur Objektorientierung angesprochen hatte, nur auf Ablehnung gestoßen. Heute erhält er mehr als das Doppelte der 50 000 Dollar pro Jahr, die er vorher verdiente. Und er könnte sich wahrscheinlich noch weiter verbessern und mehr verlangen: "Pro Woche bekomme ich zwei bis fünf Jobangebote per Telefon", fügt er hinzu.

IT-Manager müssen in dieser Lage das Kunststück vollbringen, ihre objektorientierten Programmierer auf der Gehaltsliste zu behalten, ohne daß die Kosten ins Uferlose steigen. Die Loyalität muß nicht unbedingt mit großen Schecks gefördert werden, meint Karen Boucher, eine Marktforscherin von The Standish Group International Inc. in Dennis, Massachusetts. Nach ihrer Beobachtung bieten einige Unternehmen bis zu sechs Sabbatwochen im Jahr. Solche Anreize sind eine gute Idee, aber letzendlich siegt das Geld, glaubt dagegen Evan Quinn vom Marktforschungsunternehmen International Data Corp. (IDC) in Framingham, Massachusetts. Er berichtet von Projekten, bei denen die Angestellten Wertpapieroptionen erhalten, die allerdings erst nach fünf bis sechs Jahren eingelöst werden können.