Revival für Geldkarte

Online mit dem Chip der EC-Karte bezahlen

17.07.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Der Wunsch nach einem verlässlichen und sicheren Micropayment-System für das Internet könnte endlich Realität werden. Die Geldkarte wurde jetzt zum Online-Shoppen freigegeben.

E-Commerce-Ansätze im Internet scheitert bislang meist an einer geeigneten, weit verbreiteten Micropayment-Plattform. Entweder war den Anbietern die Transaktionskosten zu hoch oder die Kunden zeigten wenig Neigung, einer weiteren Clearing-Stelle ihre Kontodaten und andere Informationen anzuvertrauen. Mehr oder wenig ungünstige Geschäftsbedingungen taten dann ihr Übriges, um potenzielle Interessenten zu vergraulen.

Die könnte sich jetzt ändern, denn der Zentrale Kreditausschuss der Deutschen Kreditwirtschaft (ZKA) hat jetzt die Chipkarte der EC-Karte für das Bezahlen via Internet zertifiziert. Die Zulassung für das "Internet-Händlersystem mit Secoder 1" (Zulassungsnummer 000248) gilt vorerst bis Ende August. Alle Beteiligten gehen aber davon aus, dass danach eine unbefristete Zulassung erfolgt. Das System nutzt den Chip, der auf rund 70 Prozent aller EC- und Maestrokarten implementiert ist und bisher eher ein Schattendasein führt. Außer zum Bezahlen in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Parkautomaten oder zur Altersverifikation beim Zigarettenziehen wird das System nämlich wenig genutzt. Neben dem Kartenchip bräuchten die Kunden für das Internet noch einen Kartenleser der neuen Generation, die dem "Secoder"-Standard entsprechen. Einstiegsmodelle sind beispielsweise bereits für rund 40 Euro beim Deutschen Sparkassenverlag erhältlich. Die Kosten relativieren sich, wenn man bedenkt, dass die Geräte gleichzeitig für die elektronische Signatur, ein sicheres Internet-Banking, dem Aufladen der Geldkarte oder zur Altersverifikation genutzt werden können. Ansonsten benötigt der User noch ein Plugin für seinen Browser. Auf der anderen Seite benötigt der Händler oder Web-Seiten-Betreiber ein entsprechendes Modul für seine Plattform. Entsprechende Testlizenzen können beim Informatikzentrum der Sparkassenorganisation angefordert werden.

Auf den ersten Blick wirkt der Aufwand abschreckend. Doch unter dem Strich könnten alle Beteiligten davon profitieren, wenn sich die Geldkarte im Internet durchsetzt. Der Anwender müsste nicht mehr seine Konto- oder Kreditkartendaten beim Bezahlen preisgeben, bliebe also anonym. Ebenso könnte beim Bestellen von nicht jugendfreier Ware auf das Postident-Verfahren verzichtet werden oder beim Angebot von Online-Inhalten ab 18 Jahren ohne die mehr oder weniger vertrauenswürdigen Alters-Check-Services auskommen werden. Zudem würde sich für den Anwender das Betrugsrisiko reduzieren. Mehr als den auf den Chip aufgeladenen Geldbetrag - maximal 200 Euro - könnte ein Betrüger nicht abzocken.

Auf der anderen Seite hätte das System auch für die Betreiber kommerzieller Dienste enorme Vorteile. Mit Kosten von 0,3 Prozent des Umsatzes mindestens aber 1 Cent pro Kauf halten sich die Gebühren in Grenzen. Damit wäre das System auch für die Abrechnung kleiner Beträge interessant. Ferner hätte der Händler seine Einnahmen direkt und müsste nicht wie bei Kreditkarten warten. Dank des Prepaid-Charakter des System hat der Shop-Betreiber zudem ein Zahlungsgarantie.

Lässt man die Vorteile der Geldkarte Revue passieren, bleibt zu hoffen, dass sich das System endlich online durchsetzt. Sollte das System dagegen an den Hardware-Anforderungen und -Kosten scheitern, die auf der Verbraucherseite entstehen, dann wäre das ein Armutszeugnis für die Deutsche Internet-Wirtschaft. Vielleicht können ja die Marketing-Verantwortlichen aller Beteiligten mal ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Warum integriert man die Chipleser nicht einfach in die Tastaturen von Microsoft oder Logitech. Warum subventioniert man die Leser nicht? Oder verschenkt sie gar anstelle von drittklassigen Gadget aus chinesischer Billigproduktion. Auf den ersten Blick wäre das zwar sicher etwas teurer, langfristig würden aber vom zusätzlichen Umsatz im Online-Handel alle profitieren.

Einen Überblick zu anderen Bezahlsystemen finden Sie hier:

Aktuelle Bezahlverfahren im Internet