Online-Datenbanken: sinnvolle Ergänzung, nicht Alternative

11.05.1990

Dr. Karin Frese Chefredakteurin der Zeitschrift "Cogito"

Den Wert von Datenbanken aufgrund einleuchtender Beispiele erkannt zu haben und sie selber auch zu nutzen, sind allerdings zweierlei. Immerhin ist die Zahl der Datenbanken, Hosts und Produzenten doch beträchtlich; es gibt die unterschiedlichsten Arten von Datenbanken und diverse Suchsprachen. So differenziert man - je nach Definitionszweck - zum Beispiel Fakten-Datenbanken (die die gesuchte Information in der Regel direkt enthalten; dazu gehören zum Beispiel Herstellernachweise, Produktinformationen, Stoffdaten, Technologietransferangebote, Forschungsvorhaben und vieles andere mehr), Literatur-Datenbanken (die die bibliographischen Angaben zur Beschaffung der Originalliteratur enthalten oder auch den gesamten Text eines Dokumentes speichern), numerische Datenbanken, Patentdatenbanken, Text-Datenbanken und Volltextdatenbanken. Zahlreiche Datenbank-Führer versuchen inzwischen, das Dickicht der Viertausend durchschaubar zu machen; doch es ist insgesamt nicht leicht, hier den Durchblick zu bekommen und zu bewahren.

Wer also nur gelegentlich Informationen aus externen Datenbanken benötigt oder noch ganz neu auf dem Gebiet der elektronischen Informationsbeschaffung ist, und dazu gehören wohl die meisten mittelständischen Unternehmen, dem sei dringend geraten, sich - zumindest für den Einstieg - die Hilfe eines professionellen Informationsberaters zu holen. Die kommerziellen Informationsvermittler nehmen zahlenmäßig im Moment deutlich zu - auch bedingt durch einen nicht unumstrittenen Modellversuch "Informationsvermittlung" des BMFT - und treten verstärkt an die Seite der Industrie- und Handelskammern, die ebenfalls "schon immer" eine Informationsaufgabe hatten und sich zunehmend der Online-Datenbanken bedienen sowie der öffentlich geförderten Stellen mit der gleichen Aufgabe (wie zum Beispiel die Fachinformationszentren). Ähnlich wie Anwalt und Steuerberater stellen sie ihren Kunden Informationen zu bestimmten Problemkreisen aus allen konventionellen und elektronisch verfügbaren Quellen zur Verfügung: als Literaturübersicht oder als ausgearbeitete Berichte, die Ansätze zur Problemlösung enthalten.

Nur wenn ein Unternehmen einen kontinuierlichen Bedarf an externen Informationen im Bereich Einkauf, Produktion, Marketing, Entwicklung oder Verwaltung hat, "lohnt" die Einrichtung einer betriebsinternen Informationsvermittlungsstelle. Dann erst ist es. auch sinnvoll, sich darüber Gedanken zu machen, welche Hard- und Software man sich beschafft, an welcher Stelle im Unternehmen man die Informationsbeschaffung organisatorisch eingliedert und so weiter.

Und nun, das soll hier nicht verschwiegen werden, fangen unter Umständen die Schwierigkeiten - die aber zu überwinden sind - erst an. Es gibt über 4000 Datenbanken, von denen im allgemeinen aber nur ein Bruchteil für die tägliche Arbeit im jeweiligen Betrieb von Interesse ist. Der Schwerpunkt dieses internationalen "Supermarkt-Angebotes", das sich in einem Zeitraum von nur sieben Jahren verachtfacht hat, liegt mit über 50 Prozent im Bereich der Wirtschaftsinformation und hier wiederum bei den branchenbezogenen Daten.

Technische Informationen bewegen sich um etwa 15 Prozent, und Datenbanken aus dem naturwissenschaftlichen und biomedizinischen Bereich folgen mit 11 Prozent. Besonders gefragt - geht man davon aus, daß sich das Angebot in irgendeiner Weise nach der Nachfrage richtet - sind dabei aktuelle Daten für Produktion, Umsatz, Werbung und Absatz, wesentlich kleiner ist die Zahl der Datenbanken, die Sekundärinformationen (zum Beispiel Wirtschaftsliteratur) enthalten.

Dieses große Angebot zu überschauen, ist nicht leicht, zumal sich alle diese Informationsspeicher zum Teil erheblich nach Inhalt, Aufbau, Kosten und Qualität unterscheiden. Und monatlich kommen allein in Europa zirka zehn neue Datenbanken hinzu. Hat man in etwa herausgefunden, in welchen Datenbanken die gesuchten Informationen stecken könnten, und ist zudem sattelfest im Englischen (80 Prozent aller Datenbanken sind in englischer Sprache gehalten), muß man sich noch mit der jeweiligen Suchsprache (der sogenannten Retrievalsprache) vertraut machen, die von Anbieter zu Anbieter variieren kann.

Die anschließende Suche in der Datenbank ist leider auch (noch) kein Kinderspiel, denn um wirklich erfolgreich recherchieren und alle Möglichkeiten voll ausschöpfen zu können, ist es erforderlich, sich in Aufbau und Struktur der jeweiligen Wissensbank auszukennen, über die Art der Schlagwortvergabe Bescheid zu wissen und die einzelnen Kommandos der Suchsprache zu beherrschen. Daß man nicht völlig unbedarft im jeweiligen Fachgebiet sein sollte, versteht sich von selbst, und einiger Spürsinn, kombiniert mit der erforderlichen Hartnäckigkeit und Bereitschaft, auch einmal "um die Ecke zu denken", dürfte dann schließlich zum Erfolg führen.

Aber auch hier glänzt der Silberstreif am Horizont. Schon aus Gründen der Konkurrenz, die in diesem Fall das Geschäft hoffentlich beleben wird, muß man die Benutzerfreundlichkeit der Informationssysteme deutlich steigern, um die noch vorhandenen Berührungsängste im Zusammenhang mit den neuen, vielversprechenden, aber bislang noch im Verborgenen ein eher kümmerliches Dasein fristenden Medien drastisch abzubauen.

Und erste Anzeichen sind bereits vorhanden. Zum einen bemühen sich die Datenbankanbieter, zumindest ihre Datenbanken zu vereinheitlichen und ermöglichen damit auch, zum Beispiel eine einmal formulierte Frage quer durch mehrere Wissensbanken zu schicken, zum anderen werden in verstärktem Maße von Hosts und Herstellern meist menügesteuerte Software-Pakete für Personal Computer zur einfachen Abfrage angeboten, mit denen auch Laien oder sporadische Rechercheure beachtliche Erfolge erzielen. Und schließlich gibt es auch Benutzeroberflächen, die die verschiedenen Retrievalsprachen der Hosts auf eine einheitliche Kommandosprache zurückführen.

Daß Datenbanken also eine sinnvolle Ergänzung - nicht Alternative - zu "herkömmlichen" Informationsquellen sind, steht außer Frage, wenn ihnen auch viele noch mit Skepsis und Mißtrauen begegnen. Ähnliches nämlich spielte sich auch bei der Einführung von Automobil, Fernsehen und Computer ab, die heute selbstverständliche Fortbewegungs-, Beschäftigungs- beziehungsweise Arbeitsmittel geworden sind. Und schon in absehbarer Zeit wird niemand mehr für die Nutzung von Datenbanken werben müssen, sondern potentielle Interessenten mit qualitativ guten und leicht zugänglichen Angeboten überzeugen dürfen.