Kostengünstiger Vertriebs- und Einkaufskanal für Unternehmen

Online-Auktionen machen das Web zur Warenbörse

25.11.1998
MÜNCHEN (wt) - Online-Auktionen verbinden den natürlichen Spieltrieb des Menschen mit handfesten wirtschaftlichen Überlegungen. Sie machen Spaß und sparen selbst Großunternehmen viel Geld. Selten hat ein Geschäftsmodell die Vorteile des Internet derart erfolgreich ausgenutzt.

Online-Auktionen haben sich in kürzester Zeit zu einem der lukrativsten Geschäftsmodelle im Internet entwickelt. Das Marktforschungsunternehmen Forrester Research prognostiziert weltweit eine Umsatzsteigerung von 8,7 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf 52,6 Milliarden Dollar im Jahr 2002. Laut Dataquest gibt es inzwischen über 200 Auktions-Sites. Selbst hartgesottene Wallstreet-Broker rieben sich beim Börsengang des Auktionspioniers E-Bay die Augen. Innerhalb eines Tages stieg der Kurs der Aktie um über 160 Prozent. E-Bay erzielte damit nur drei Jahre nach der Gründung einen Börsenwert von 1,9 Milliarden Dollar. Die Firma hat mehr als eine Million registrierte Nutzer (meist Privatpersonen), nach eigener Aussage annähernd 800000 Artikel im Angebot und war von der ersten Minute an profitabel.

Worin liegt nun der Reiz einer Auktion via Internet? Zum ersten macht es Spaß, mit zahlreichen Wettstreitern rund um den Globus um ein Schnäppchen zu bieten, zum zweiten hilft es Kosten sparen. Eine Online-Auktion reize den Urwunsch des Menschen, ein Spiel zu spielen und zu gewinnen, so Dataquest-Analyst Stefan Smith. Beim amerikanischen Marktführer E-Bay sitzen Münz- oder Briefmarkensammler nicht mehr mit einer Handvoll Gleichgesinnter im Vereinsheim zusammen, sondern können auf die Verkaufsangebote von Tausenden Sammlern weltweit zugreifen.

Gleichwohl werden die größten Umsätze schon heute im Unternehmenssektor gemacht. Einkaufskosten und Administrationsaufwand lassen sich durch die Konzentration auf einen einzigen, jederzeit erreichbaren Handelsplatz senken. Anbieter und Nachfrager wickeln zeitgleich und transparent in einem überschaubaren Zeitrahmen einen Wettbewerb um ein gefragtes Gut ab.

Weitere Vorteile sind laut Forrester Research ein umfassender Zugang zu Marktpreisen, besserer Informationsaustausch sowie niedrigere Verkaufs- und einheitliche Transaktionskosten. Internet-Auktionen versetzen Anbieter in die Lage, die Konkurrenz zu unterbieten, bisherige Kanäle zu umgehen und die Lagerhaltung zu optimieren, so die Marktforscher. Die Erfahrungen geben ihnen recht. Der Energieversorgungsriese Con Edison of New York Inc. konnte mit Hilfe einer Online-Auktion bis zu 30 Prozent der Beschaffungskosten einsparen. Doch nicht nur Verbrauchsgüter kommen unter den virtuellen Hammer.

Brian Fehrmann, Netzwerkadministrator des weltgrößten Herstellers von Vorhängeschlössern, Master Lock, hat kürzlich über 100 Computer beim Business-Marktführer Onsale ersteigert. "Viele Unternehmen möchten den traditionellen Einzelhandel aus Kostengründen umgehen", kommentiert Onsales CEO Jerry Kaplan den Erfolg seiner Auktions-Site.

Um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, haben die Organisatoren inzwischen mehrere Spielarten von Web-Auktionen etabliert. Auf der einen Seite Sites, die sich auf den Konsumentenmarkt konzentrieren, auf der anderen Seite Business-to-Business-Auktionen. Unabhängige Betreiber wie E-Bay in den USA oder Quixell in Europa und Ricardo.de in Deutschland geraten dabei laut Forrester zunehmend unter Druck von firmeneigenen Auktions-Sites. Der Trend, eigene Produkte lieber selbst zu versteigern als einem öffentlichen Marktplatz anzuvertrauen, beruhe auf der Befürchtung vieler Hersteller oder Distributoren, bisherige Partner zu verprellen und die Kontrolle über den Handel zu verlieren.

Im Business-Sektor bieten einerseits Hersteller selbst um Verbrauchsgüter mit und lassen andererseits oft Zulieferer in sogenannten Wettbewerbsauktionen um den Gewinn einer Ausschreibung feilschen. Hier ist klar ersichtlich, wo für wen die Gewinnmöglichkeiten liegen. Unabhängige Endverbraucher-Auktionatoren verdienen ihr Geld meist über Provisionen, die für das Einstellen von Angeboten und bei abgeschlossener Transaktion fällig werden. Peter Newton, Geschäftsführer von Feininger Online Auktionen aus Berlin (www.feininger. de), setzt dagegen ganz auf Werbung und bietet seinen Dienst vollkommen kostenlos an.

Möglicherweise hat Newton hier den richtigen Riecher, denn kostenlose Auktions-Sites schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Angefangen bei Portalanbietern wie Yahoo oder Excite etabliert inzwischen beinahe je- der E-Commerce-Betreiber, der etwas auf sich hält, eine eigene kleine Auktion. Warum also für etwas bezahlen, das es umsonst gibt?

Selbst Finanzinstitute wie die DG Hyp aus Hamburg setzen Auktionen gezielt als Marketing-Instrument ein. Für Siegfried Schneider, der sich in der Kundenbetreuung der DG Hyp mit Internet-Aktivitäten beschäftigt, ist die Einrichtung einer Online-Auktion für die Versteigerung von Pfandbriefen ein wichtiges Merkmal zur Unterscheidung von konkurrierenden Web-Site-Anbietern. Die Kunden können bessere Renditen erzielen, indem sie für bestimmte Kurse ein Gebot abgeben, die dann bei Zuschlag niedriger als auf dem Rentenmarkt sein können. In einem ersten Testlauf haben die Bieter Kurse erzielt, die um bis zu 2,5 Prozentpunkte unter vergleichbaren Pfandbriefangeboten gelegen haben. "Im Internet kann nur etwas verkauft werden, wenn ein gewisser Mehrwert vorhanden ist", so Schneider. Mit der reinen Versteigerung lasse sich allerdings kein Geld verdienen. Die DG Hyp erhofft sich von der Aktion einen höheren Bekanntheitsgrad und eine Absatzsteigerung im privaten Sektor. Daß so etwas funktioniert hat die Lufthansa bereits mehrmals bewiesen. Als sie 1997 erstmals Tickets im Web versteigerte, war der Andrang der Surfer so groß, daß die Server vorübergehend in die Knie gingen.

Forrester Research glaubt, daß mittelfristig nur drei oder vier große unabhängige Auktionsanbieter übrigbleiben werden. Diese müßten vor allen Dingen Sicherheit garantieren und Nutzern durch Inhalte, Communities sowie die Größe des Angebots einen klaren Mehrwert bieten.

Stefan Glänzer, Geschäftsführer von Ricardo.de, hat gleichwohl keine Angst vor ausländischen Riesen wie E-Bay oder neuerdings in Europa auch Quixell. Er sieht sich mit knapp 19000 registrierten Nutzern und beinahe einer halben Million Visits als Marktführer in Deutschland. Einzigartig bei Ricardo.de seien die durch einen Moderator betreuten Echtzeitauktionen für bis zu 2000 Besucher gleichzeitig. Quixell setzt vor allen Dingen auf Transparenz, Vertrauen und Sicherheit. Im Oktober in Deutschland gestartet, zeichnet sich die Firma durch guten Service und ein uneingeschränktes Rückgaberecht innerhalb einer Woche aus.

Wahrscheinlich können sich Auktionsanbieter im Internet derzeit nur selbst stoppen. Verbraucherschützer vermelden zunehmend Klagen über Mißbrauch und Betrug. Erst kürzlich verbannte die amerikanische Federal Trade Commission (FTC) einen Anbieter lebenslang aus dem Web-Geschäft, weil er Hardware versteigert, aber niemals ausgeliefert hatte. Kunden wittern immer wieder auch "Schattenbieter", die im Auftrag vor allen Dingen kleinerer Site-Betreiber die Preise nach oben treiben. Zudem häufen sich Beschwerden über Sicherheitslücken beim Umgang mit Kundendaten sowie vermehrte Hacker-Angriffe.