Arbeitsplatz Flughafen: was vor und nach dem einchecken passiert

Ohne Systemverständnis kommt kein Techniker aus

14.04.2000
Von Helga Ballauf
Rund 60 000 Menschen arbeiten am Airport, jeder fünfte von ihnen bei der Flughafen Frankfurt/Main AG (FAG). Hier laufen die Fäden des Luftverkehrsbetriebs zusammen: real und virtuell. IT-Fachkräfte verschiedenster Sparten sind gefragt.

Während der Fluggast auf das Gepäck wartet, informiert ihn die Anzeigetafel am Förderband über die nächsten Fernzüge ab Bahnhof Frankfurt-Flughafen. Zukunftsmusik. Ein möglicher künftiger Service des Flughafeninformationssystems "Follow me", das derzeit am größten deutschen Airport entwickelt wird.

Die FAG ist Arbeitgeber für etwa 12 700 Beschäftigte, rund 300 von ihnen arbeiten im Bereich "Informations- und Kommunikationsdienstleistungen". Die Abteilung wird in den kommenden Jahren kräftig wachsen, sagt der Sprecher der Bereichsleitung, Roland Krieg, "wegen der Transportzuwächse, wegen der zunehmenden Bedeutung der Informationstechnologie für alle Unternehmensbereiche und weil wir neue Geschäftsfelder erschließen."

Im vergangenen Jahr starteten und landeten etwa 430 000 Flugzeuge in Frankfurt. Transportiert wurden rund 46 Millionen Fluggäste sowie 1,5 Millionen Tonnen Luftfracht. Derzeit laufen die politischen Entscheidungsprozesse über den Bau einer weiteren Startbahn. Ausbauziel wäre die Kapazität für über 600 000 Flugbewegungen im Jahr.

Anteilseigner der Frankfurter Flughafen AG sind der Bund, das Land Hessen sowie die Stadt Frankfurt. Der störungsfreie und für die Passagiere bequeme Flugverkehr setzt ein hohes Maß an Kooperation zwischen der Betreiberin des Flughafens und den Nutzern voraus. Das sind neben den rund 110 Luftfahrtgesellschaften beispielsweise die Deutsche Flugsicherung, der Zoll und diverse Servicefirmen.

Die FAG ist für sämtliche Dienstleistungen zwischen Landung und Start einer Maschine zuständig - von der Vorfeldregie über die Flugzeugabfertigung bis zur computergesteuerten Gepäckbeförderung.

Ein Zentralrechner versorgt alle Beteiligten mit den jeweils benötigten Daten. "Während meiner ersten Arbeitstage hier habe ich mich gewundert, dass der Flughafen überhaupt funktioniert", bringt Rolf Felkel die Komplexität des Betriebs auf den Punkt. Der promovierte Mathematiker arbeitet seit einem Jahr als "Systemspezialist Fluggastführung" bei der FAG. Seine Aufgabe im Projektteam "Follow me" besteht darin, auf HTML-Basis den Datenaustausch zu optimieren. Es muss eine Standardlösung für jeden Schalter geben, die dennoch so flexibel ist, dass sich jede Fluggesellschaft mit ihrem speziellen Erscheinungsbild präsentieren und den eigenen Arbeitsablauf bewerkstelligen kann.

Sicherer Arbeitsplatz, aber niedriges Gehalt

"Der Reiz an der Aufgabe besteht darin, dass ich nicht nur IT-Know-how brauche, sondern die komplexen Systemzusammenhänge verstehen muss", sagt Felkel. Dazu kommt die Abstimmung mit den Kunden über Wünsche und Möglichkeiten, einschließlich der Frage, was für welchen Preis machbar ist.

Keine einfache Aufgabe für einen Berufseinsteiger. Einsteiger Felkel meint: "Die Sozialleistungen bei der FAG sind gut. Und dann ist da noch der Reiz des Flughafens: Ein bisschen Fernweh, ein bisschen Internationalität." Vor allem aber spricht den Mathematiker, der im Rahmen seiner Doktorarbeit Software entworfen und sich nebenbei Kenntnisse in der Web-Entwicklung angeeignet hat, die anspruchsvolle Aufgabe an: "Ich will nicht der sein, der nur am Computer sitzt und programmiert."

Es sei Sache der Universität, meint der Mathematiker, logisches Denken und selbständiges Arbeiten zu fördern. Jetzt sei die betriebliche Umsetzung dran und zwar via Learning by doing. Seine Fähigkeiten im Projekt-Management wird Felkel in firmeneigenen Schulungen erweitern. Wer das Wissen über neue Hard- und Software am Markt up to date halten wolle, müsse Messen und Tagungen besuchen, sagt der Young Professional.

Norbert Kimpel ist im IT-Bereich des Frankfurter Flughafens für den laufenden Betrieb und das Netzwerk-Management zuständig. Ohne hochspezialisiertes Personal seien die erforderliche Betriebssicherheit und die den Kunden zugesicherte "Gesamtverfügbarkeit" nicht zu gewährleisten, sagt er. "Das System darf maximal drei bis vier Stunden pro Jahr ausfallen. Sonst kommen Regressanforderungen auf die FAG zu."

Kommunikations-Manager sind Mangelware

Seine Mitarbeiter sorgen nicht nur für den reibungslosen Datenfluss an den Schnittstellen zu Flugsicherung, Bodenverkehrsdiensten oder Fluggesellschaften. Sie bieten den internen und externen Kunden informations- und kommunikationstechnische Dienstleistungen an: "Das reicht von der Versorgung der Läden im Flughafen mit Telefon und Fax bis zum Aufbau eines neuen Funknetzes."

Physiker als Spezialisten für drahtlose Informationsübertragung sind als Mitarbeiter ebenso gefragt wie Mathematiker, Elektro- und Fernmeldeingenieure sowie Informatiker als Netzwerkspezialisten für die Anwendungsentwicklung. Am liebsten hätte Kimpel im Team auch Kommunikationsingenieure oder die neu an der TU Ilmenau ausgebildeten Kommunikations-Manager: "Die verstehen die Zusammenhänge. Aber sie sind so gut wie nicht zu kriegen."

Neue Herausforderungen kommen auf die IT-Spezialisten demnächst bei der Zusammenführung von Sprach-und Datenkommunikation zu. Im Rechenzentrum der FAG wird rund um die Uhr gearbeitet, die Netzwerker haben ein Zwei-Schicht-System und Rufbereitschaft. "Im Ernstfall können sich die Techniker via Laptop von zuhause aus ins System einwählen und Komponenten automatisch verändern oder ersetzen", berichtet Kimpel über die Arbeitsbedingungen.

IT-Dienstleister für den Airport Athen

Mittlerweile erweitert die Flughafen Frankfurt AG ihr IT-Angebot für andere Firmen. Erste Schritte sind bereits gemacht. Das Projekt "Follow me" beispielsweise wird gemeinsam mit der Deutschen Lufthansa betrieben. Sie will an ihrem Heimatflughafen den eigenen Passagieren ein besonderes Serviceangebot machen. So hat "Follow me" zwei Stoßrichtungen: Einerseits kommt die bessere Vernetzung und attraktivere Darbietung der Fluggastinformationen auf 1200 Monitoren, 250 Anzeigetafeln, 275 Flugdatenterminals und an 56 Infokiosken allen Flughafennutzern zugute.

Andererseits entwickelt das Follow-me-Team Extras für Lufthansa-Kunden: Etwa die zielgenaue Lenkung der Ankommenden zu ihren gebuchten Anschlussflügen. Weitere neue Geschäftsfelder ergeben sich da- durch, dass die FAG Anteilseignerin an anderen Flughäfen wie in Hannover, Saarbrücken und im Hunsrück ist. Hier bietet die IT-Abteilung ihr Know-how ebenso an wie etwa beim Aufbau der Informationstechnologie am neuen Airport in Athen, berichtet der Sprecher der Bereichsleitung Krieg.

Schließlich gibt es - gemeinsam mit Debis Systemhaus - eine Tochterfirma zur Vermarktung spezifischer Anwendersoftware für den operativen Flughafenbetrieb. Ein weiterer FAG-"Export" könnte das hauseigene Intranet werden. 45 000 Seiten haben IT-Projektleiter Helmut Sins und sein Team inzwischen aufgebaut. Ein Teil des Angebots erleichtert den Zugriff auf arbeitsrelevante Daten wie Airline-Register, Weltzeituhr, Flughafenlagepläne, Zugang zum SAP-Service und Spezialsoftware zum Herunterladen. Dazu kommen betriebsinterne Infos des Vorstands für die Belegschaft sowie "Buntes" - vom Kochrezept bis zum Rätsel. Andere Flughäfen und Luftfahrtgesellschaften interessieren sich für das Konzept, das dem FAG-Team bereits 1997 einen internationalen Preis eingebracht hat. Sins sucht "Allroundgenies", das heißt Fachleute von Kommunikationselektronikern bis zu Informatikern, die etwas von HTML-Programmierung und Grafikdesign verstehen.