Ohne Kooperation keine offenen Kommunikationssysteme

04.07.1980

Lothar Berens, Dipl.-Kfm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bifoa an der Universität zu Köln

Das ISO-Referenzmodell für offene Systeme wird die Grundlage der weiteren Entwicklung bilden. Diese Einschätzung gründet sich auf die Mitwirkung aller maßgeblichen Institutionen an der Normungsarbeit, die Diskussion des Modells in Wissenschaft und Praxis, die Übernahme des Normentwurfs durch die Post- und Fernmeldegesellschaften und die Absichtserklärungen von Herstellern, sich an die vorliegenden Standards zu halten. Die Standardisierungsfunktion des ISO-Modells wird nicht nur zu einer wachsenden Kompatibilität der Hard- und Software verschiedener Hersteller führen, sondern auch den Wettbewerb zwischen Herstellern fördern und mehr Transparenz für die Anwender schaffen.

Zur Zeit steht die Entwicklung offener Systeme jedoch erst am Anfang. Noch sind die verschiedenen Herstellersysteme untereinander und mit dem ISO-Konzept nicht verträglich.

Wohin mit den intelligenten Funktionen

Für die Anwender bedeutet dies, daß sie sich mit einer Systementscheidung für längere Zeit an die Produkte eines Herstellers binden und daß innerhalb einer Unternehmung mehrere inkompatible Netze nebeneinander vorkommen können, wenn die Systemkomponenten von verschiedenen Herstellern stammen. Zurückführen läßt sich der unbefriedigende Entwicklungsstand darauf, daß Normen für die höheren Schichten des ISO-Modells weitgehend fehlen und daß die Hersteller die vorliegenden Standards für die unteren Ebenen nicht mit der wünschenswerten Schnelligkeit aufgreifen, weil sie nicht "offen" gegenüber Konkurrenzprodukten werden wollen. Noch nicht ausdiskutiert ist auch die für die weitere Entwicklung wesentliche Frage, wo die intelligente Funktionen innerhalb der Systeme angesiedelt werden sollen. Ein geeigneter Ansatzpunkt, Systementwicklungen künftig weniger hersteller- und mehr anwenderbestimmt zu betreiben, wird in dem Zusammenschluß von Anwender mit dem Ziel, einen stärkeren Einfluß auf die Hersteller auszuüben gesehen.

Allerdings haben nicht nur Anwender, sondern auch die Hersteller mit ihren Markt- beziehungsweise Entwicklungspartnern Probleme. Einerseits solle sie einen umfassenden Katalog teilweise konkurrierender wenderanforderungen erfüllen (Systemsicherheit, -flexibilität, -transparenz etc. , ) anderseits fühlen sie sich bei ihrer Entwicklungsarbeit durch die Post behindert, etwa durch regional und entfernungsabhängig verschiede Übertragungskosten oder den aus ihrer Sicht - innovationshemmenden Einfluß des Postmonopols.

Die Post ihrerseits sieht sich natürlich nicht in der Rolle des Bremsers und verweist unter anderem darauf, daß sie eine große Kapazität an fernmeldetechnischer Infrastruktur aufbaut bereitstellt, ohne zu wissen, diese überhaupt auf genüge Nachfrage trifft. Für die Bundespost ist die Entwicklung durch eine starke Zunahme der Anschlüsse von Datenstationen und eine Tendenz zu höheren Übertragungsgeschwindigkeiten gekennzeichnet.

Die Vielfalt des Angebots der Post stellt die Unternehmungen vor das Problem, eine für sie geeignete Nutzungsstruktur zu ermitteln. Diese Auswahl kann wegen der Vielzahl der Kosten-Einflußfaktoren (Datenvolumen, Entfernung, Nutzungsdauer, Tageszeit) und der Bewertungskriterie (Kosten, Flexibilität, Sicherheit sowie der Schwierigkeiten, künftige

Aufgabenstellungen und Übertragungsanforderungen vorauszusehen nicht im Sinne einer Optimallösung getroffen werden. Realistischer scheint es vielmehr, bei der Entscheidung über das in Anspruch zu nehmende Übertragungsangebot einen Kompromiß anzustreben, der sowohl wirtschaftlich zufriedenstellend ist als auch die Anpassungsfähigkeit gegenüber möglichen Änderungen der Anforderungen bewahrt.

Anwender in relativ schwacher Position

Da die bestehenden Probleme von keinem der Beteiligten im Alleingang gelöst werden können wird der wichtigste Beitrag zu einer schnelleren und erfolgreichen Entwicklung offener Kommunikationssysteme von einer intensiveren Kooperation zwischen Anwendern, Herstellern und der Post erwartet. Die Anwender streben dabei eine Stärkung ihrer bisher relativ schwachen Position an was mit Blick auf eine bessere

Bedarfsorientierung der System auch notwendig ist. Dies fordert von den Anwendern einen Wissensstand über die zukünftige informations- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten der sie in die Lage versetzt, ihr Bedürfnisse vorausschauend zu erkennen und als Anforderungen gegenüber Herstellern und Post zu formulieren. Eine solche Sachkompetenz ist auf seiten der Anwender derzeit noch nicht in aus reichendem Maße vorhanden. Abhilfe könnten hier die Einrichtung eines zentralen Managements für Informations- und Kommunikationssysteme in Unternehmungen und verstärkte Forschungs- und Entwicklungsbemühungen auf diesem Gebiet schaffen.