Förderung des "schwachen" Geschlechts in der Praxis

Ohne den Vorgesetzten sind Frauenkarrieren kaum möglich

10.05.1991

Frauenkarrieren in typischen Männerberufen sind noch selten. Eine Karrierefrau in der Männerdomäne Vertrieb berichtet, wie sie auf die Überholspur ging. Ohne die Unterstützung verständiger Vorgesetzter indes, so das Fazit von Rose-Marie Schulte ist in dein Karriere-Rallye klein Blumentopf zu gewinnen.

Wenn ich auf meinen jetzt elf jährigen Berufsweg zurückblicke, der mich bis in das europäische Management eines Softwarehauses, mit Dienstsitz in Paris, gebracht hat, dann war einiges daran geplant, etwas Glück in entscheidenden Momenten dabei, jedoch immer gepaart mit Mut, für Frauen bisher nicht gerade typische Wege einzuschlagen. Zudem haben mich mutige Männer auf diesem Weg begleitet, die bereit waren, Frauenförderung auch in die Praxis umzusetzen.

Der Berufzeinstieg

Um nicht den für Diplom-Mathematiker vorgezeichneten Weg in die statistische Abteilung irgendeines Instituts zu gehen, habe ich im Nebenfach Betriebswirtschaft studiert; folgerichtig mußte ich mich als frischgebackene Mathematikerin auf dem freien Markt bewerben. Mir fiel auf, daß damals fast ausschließlich Männer in den Anzeigen der großen Unternehmen gesucht wurden. Lediglich EDV-Firmen stellten Ihre Anforderungen nur auf die Qualifikation ab. Das lag in der Sache begründet. Die Branche prosperierte und war somit auf - auch weiblichen - Nachwuchs angewiesen. Unter diesen jungen, innovativen Unternehmen war auch General Electric Informations-Service, mein erster Arbeitgeber. Dort wurden zum ersten Mal Systemberaterinnen im Vertriebsbereich eingestellt.

Die Vorstellungsgespräche dauerten einen Tag. Abends hatte man sich für die zukünftigen Mitarbeiter entschieden. Zum Ritual gehörte, daß sich alle ausgesuchten Bewerber sofort für die Firma und den Standort entscheiden mußten, bis auf die Frauen. Ich bekam Zeit, den mit dem Job verbundenen Ortswechsel von Nordrhein-Westfalen nach Hamburg mit meinem Partner zu besprechen und erst am nächsten Morgen meine Entscheidung mitzuteilen.

Im Gegenzug zu meinem Privileg konnte der Geschäftsstellenleiter für Norddeutschland, der an der Bewerbungsrunde nicht teilgenommen hatte, es ablehnen, in seiner Geschäftsstelle eine Frau als Systemberater einzustellen. Ich hätte dann eine ähnliche Tätigkeit in der Zentrale erhalten. Zum Glück waren sowohl der damalige Vertriebschef für Deutschland, als auch der Geschäftsstellenleiter "mutige" Männer und gaben mir die Chance, mich in einer bis dahin ausschließlich mit männlichen Kollegen besetzten Position zu bewähren.

Der Einstieg in den Beruf wurde mir erstaunlich leicht gemacht. Alle Kollegen waren stolz, eine Frau in ihrem Team zu haben und mit einer Frau zu arbeiten. Mit dezenten Hinweisen auf die fortschrittliche Einstellung des Unternehmens wurde ich bei den Kunden präsentiert, die keine Probleme damit hatten, daß sie eine Frau bei der Realisierung ihrer EDV-Projekte unterstützte. Anerkennende Gespräche mit den Kunden entwickelten sich oft über mein Studium der Mathematik.

Diese Situation zu Anfang meines Berufslebens hat sich in ähnlicher Form einige Male wiederholt, sie erscheint mir als typisch für den Umgang mit Frauen in Männerberufen. Bei der objektiv getroffenen Entscheidung für die Bewerberin lassen sich viele Männer nämlich gern ein mentales Hintertürchen offen. Sie implizieren, daß andere Männer eventuell keine Frau in einer bestimmten Position haben möchten. Ist der erste Schritt getan und die Frau in einer Sonderstellung dann ist jedermann stolz und rühmt sich seines fortschrittlichen Verhaltens. Niemand wittert Konkurrenz.

Die ersten Karriereschritte

Mein quasi erster Karriereschritt war der Wechsel von der Systemberatung in den Direktvertrieb. Quasi Karriereschritt deshalb, weil in einem Vertriebsunternehmen ohne praktische Vertriebserfahrung und Umsatzverantwortung so gut wie keine Karriere möglich ist. Die Empfehlung und das Ausscheiden unseres damals erfolgreichsten Verkäufers, mit dem ich als Systemberaterin lange Zeit zusammenarbeitete, ermöglichte mir diese Perspektive. Um die Entscheidung gab es jedoch ein Hin und Her, schließlich war ich damit die erste Frau im Vertrieb. Der Entscheidungsdruck, diese Position möglichst schnell wiederzubesetzen, weil damit eine Menge Umsatz verbunden war, aber nicht zuletzt der Mut meines Chefs, das Wagnis, die erste Vertriebsrepräsentantin in seiner Geschäftsstelle zu beschäftigen, ließ dann die Sache perfekt werden. Von nun an war mein Erfolg objektiv in Zahlen meßbar. Grundsätzlich sehe ich deshalb für Frauen den Karriere-Einstieg über den Vertrieb als positiv an.

Ausschlaggebend für diese Meinung sind zwei Gründe: erstens die Meßbarkeit des Erfolges und damit seine Sichtbarkeit bis zum Top-Management, zweitens die Anerkennung der guten Leistung durch die Kunden. Dieses vermittelt Selbstbewußtsein, auch bei internen Rückschlägen.

Trotz dieses Schritts nach vorn, hatten mich meine männlichen Kollegen noch nicht als Konkurrenz entdeckt. Ihr Verhalten änderte sich aber schlagartig, als der erste richtige Karriereschritt vor der Tür stand. Durch das rasche Wachstum unserer Geschäftsstelle war die Position eines Vertriebsleiters für ein spezielles Marktsegment zu besetzen. Mein damaliger männlicher Mitbewerber war gar nicht auf die Idee gekommen, daß sich auch eine Frau um diese Stelle bewerben könnte. Als die Entscheidung für mich fiel, war nicht nur das Erstaunen groß, sondern auch die Frustration meines männlichen Mitbewerbers: gegen eine Frau oder das "schwache" Geschlecht zu "verlieren" ist schlimmer als gegen einen Mann. Erstaunlich für mich war damals, festzustellen, daß meine Kollegen eigentlich gar nicht mit mir gerechnet hatten. Von nun an veränderte sich auch für mich die Situation. Ich mußte feststellen, daß ich plötzlich im Sinne von Konkurrenz ernst genommen wurde und daß ich dazu gehörte.

Der zweite Karriereschritt erfolgte, als mein damaliger Chef das Unternehmen verließ und seine Nachfolge als Geschäftsstellenleiter für Norddeutschland zur Disposition stand. Diesmal war die Situation anders. jeder wußte, daß ich diese Stelle besetzen wollte und auch konnte. Aber wiederum hatte ich einen männlichen Mitstreiter. Auch dieses Mal ging es darum, die erste Frau in dieser Position zu sein. Man(n) entschied sich für mich.

Von nun an war ich in allen Vertriebsmanagement-Meetings vertreten, hatte internationale Kontakte zu Kollegen und wurde Teilnehmerin des CE Management Förderungsprogramms in den USA. Ich sah, daß die Situation der Frauen in den positiver war als in Deutschland. Es gab dort bereits viele Kolleginnen in ähnlichen Funktionen. Jedoch: je höher man die Karriereleiter hinaufschaut, umso weniger Frauen gab es auch in den USA in leitenden Positionen.

Der Jobwechsel

Nach sieben Jahren General Electric Informations Service wechselte ich zu meiner heutigen Firma Metier Management Systems. Als Vertriebsleiterin für Deutschland, Österreich und der Schweiz, gehörte ich zum Deutschen Management Team. Ich übernahm zunehmend Verantwortung über den Vertrieb hinaus für Marketing und den Aufbau eines neuen Geschäftsbereiches. Seit einem Jahr bin ich in meiner heutigen Funktion als Marketing-Manager Europe tätig.

Zu den Erfolgsfaktoren für meinen Berufsweg gehören: Erstens meine Ausbildung und meine positive Lebenseinstellung. Zweitens die Bereitschaft zu Mobilität und ständiger Erweiterung des Verantwortungsbereiches sowie der Mut, immer wieder Neuland zu betreten. Drittens damit umgehen zu können, immer die erste Frau zu sein, und somit in die Welt der Männer einzubrechen. Viertens "mutige" Männer, die meine Karriere förderten. Dazu gehören die Kollegen und Mitarbeiter, aber vor allen Dingen der Vorgesetzte und der Partner.

Rose-Marie Schulte ist Managerin bei der Metier Management Systems GmbH in Düsseldorf.