Beginn der Auslieferung von Netview mit SNMP

Offene Systeme: Big Blue hat Defizit noch nicht ausgemerzt

01.11.1991

SAN MATEO/GENF (IDG) - Big Blue will seinem Bekenntnis zu OSI endlich Taten folgen lassen. Ellen Hancock, IBMs Vice-President and General Manager of Network Systems, versprach anläßlich der Genfer Telekom '91 den Anwendern "Unterstützung beim Downsizing und dem zentralen Management heterogener LAN-Strukturen". Angesichts dessen, was der Branchen-Primus technologisch derzeit zu bieten hat, bleiben die Analysten jedoch skeptisch.

Die Genfer Grundsatzrede der IBM-Verantwortlichen, die via Satellit auch zur Interop'91 in San Jose übertragen wurde, fand vor allem dort ein großes Echo. Nachdem sich die DV-Anbieter beim kalifornischen Stelldichein erneut zu offenen Systemen bekannt und dies mit entsprechenden Produktankündigungen untermauert hatten, wurden die Aussagen des Branchenführers hinsichtlich seiner weiteren OSI-Politik mit besonderer Aufmerksamkeit registriert.

Mit der Feststellung "Wenn sich Anwender für eine heterogene Netzstruktur entscheiden, benötigen sie eine umfassende Architektur und ein entsprechendes Management-System statt auf Zuwachs ausgelegte Einzellösungen" umschrieb Hancock im weiteren Verlauf ihrer Rede die Philosophie des Branchenführers in puncto Herstellerunabhängigkeit. IBM wolle, so Hancock, dem steigenden Bedürfnis nach einem unternehmensweiten, herstellerübergreifenden Management-System Rechnung tragen. Als ersten Schritt hierzu nannte die IBM-Managerin die Integration der Protokolle TCP/IP und Simple Network Management (SNMP) in Netview.

Im Moment ist dies allerdings nach Ansicht nahezu aller Experten ein Bekenntnis, dem noch kein adäquates Produkt gegenübersteht. Noch immer ist Big Blues Netzwerkstrategie mit SNA und Netview auf ein hierarchisches, auf Anbindung an Mainframes ausgerichtetes Management-System fixiert.

Howard Anderson, Managing Director der Bostoner Yankee Group, brachte das Dilemma für die IBM-Anwender gegenüber der CW-Schwesterpublikation "Infoworld" auf den Punkt:

"SNA-Netze sind für die Terminalverbindung zum Großrechner konzipiert, heutige Netzwerke jedoch müssen die universelle PC-Anbindung gewährleisten. "IBM-Anwender vor schwierigen Entscheidungen

Die hohen Investitionskosten bei Mainframes sowie die hierarchische, nicht offene Struktur von SNA und Netview werden, so Anderson abschließend in seiner Analyse, IBM-Anwender in den kommenden Jahren vor schwierige Entscheidungen stellen, vor allem angesichts des technologischen Rückstandes des Marktführers im Bereich offener Systeme - eine Aussage, die zumindest im Moment noch von den Marktrealitäten untermauert wird.

Während beispielsweise Anbieter wie Sun oder auch Cisco praktisch von Beginn an auf SNMP setzten, begann man in Armonk jetzt erst mit der im September angekündigten Auslieferung der SNMP-Version von Netview.