Objekteinsatz auf breiter Ebene geplant Die Nummer eins der deutschen Industrie ist jetzt OMG-Member

07.10.1994

MUENCHEN (qua) - Als erstes deutsches Anwenderunternehmen ist die Daimler-Benz AG der Object Management Group (OMG) beigetreten. Eigenen Angaben zufolge beabsichtigt der Konzern, die Objekttechnik (OT) "flaechendeckend" einzufuehren.

Zwei Gruende nennt Gerhard Barth, Leiter des Forschungsbereichs Informationstechnik, warum sich die objektorientierte Technik bei der Software-Entwicklung durchsetzen wird: Zum einen eigne sie sich besser fuer die Modellierung von Geschaeftsprozessen als die traditionelle Vorgehensweise. Zum zweiten koenne mit Hilfe der OT erstmals der Bruch zwischen Analyse, Design und Implementierung vermieden werden.

Aufgrund dieser Eigenschaften lasse sich mit einer objektorientierten Vorgehensweise die Produktivitaet der Entwickler - konservativ gerechnet - um zehn Prozent steigern. Die im Konzern erstellte Software repraesentiere pro Jahr einen Wert von drei Milliarden Mark, was rein rechnerisch moegliche Einsparungen von rund 300 Millionen Mark bedeute. Verglichen damit fallen die 10 000 Dollar, die die OMG als jaehrlichen Mitgliedsbeitrag fordert, kaum ins Gewicht.

Wie Barth erlaeutert, will Daimler-Benz mit dem Beitritt zur OMG ein Signal setzen. "Wir moechten unsere Kollegen in Deutschland auffordern, gemeinsam den Einsatz der objektorientierten Techniken in der Software-Entwicklung voranzutreiben", verkuendet der leitende IT-Forscher.

Dabei handelt das groesste deutsche Industrieunternehmen durchaus im Eigeninteresse. Barth moechte die Objektorientierung im Konzern moeglichst schnell flaechendeckend eingefuehrt sehen. Innerhalb der "sensationell kurzen" Zeit von zwei Jahren, so hofft er, duerfte der groesste Teil der insgesamt 8000 Software-Entwickler das neue Paradigma verinnerlicht haben - mit dem Ergebnis, dass sie bei neuen Projekten im Regelfall auf die OT-Karte setzen. Die vorhandene Software soll zunaechst als ein grosses Objekt abgekapselt und nach und nach objektorientiert umgestaltet werden.

Ziel: die Richtung der Entwicklung mitbestimmen

Offenbar kann auch oder gerade ein Industriegigant wie Daimler- Benz eine solche Umorientierung nicht aus eigener Kraft vollziehen - jedenfalls nicht in angemessener Zeit und mit optimalen Ergebnissen. "Dazu brauchen wir Partner, Wegbereiter und Experten", bekennt Barth.

"Und einen davon sehen wir in der OMG."

Das frischgebackene OMG-Mitglied verhehlt jedoch nicht, dass es neben dem Erfahrungsaustausch mit Anbietern und anderen Anwenderunternehmen auch nach Moeglichkeiten sucht, die Richtung der OT-Entwicklung mitzubestimmen. Laut Barth geht es Daimler-Benz dabei weniger darum, an OMG-Standards wie der Common Object Request Broker Architecture

(Corba) mitzufeilen. Wichtiger sei vielmehr, wie diese Standards in Produkte umgesetzt wuerden. Zu diesem Zweck hat sich das Technologieunternehmen bereits der OMG-internen "Enduser Special Interest Group" (Eusig) angeschlossen.

Anfang des kommenden Jahres wird der in der Daimler-Benz-Holding verankerte Forschungsbereich Informationstechnik einige OT- Projekte auf den Weg bringen, deren Laufzeit auf zwei bis drei Jahre festgelegt ist. Innerhalb des Konzerns wurden zwar bereits Dutzende von Entwicklungsvorhaben mit Hilfe objektorientierter Sprachen und Tools in Angriff genommen. Doch fehlt bislang eine uebergreifende Koordination, die notwendig waere, um wirklich einen Vorteil aus den Wiederverwendungsmoeglichkeiten objektorientierter Systeme zu ziehen.