CW-Diskussion auf der Systems: Computer - Jobkiller oder Jobmaschine?

Nur wenige IT-Bosse wollen Tacheles reden

07.11.1997

"Im Saldo kommen mehr Stellen hinzu als verlorengehen" - mit dieser Prognose setzt sich Gerrit Huy, Geschäftsführerin der Compaq GmbH, an die Spitze der Optimisten. Wie die Managerin auf einer von der COMPUTERWOCHE moderierten Podiumsdiskussion auf der Systems erläuterte, werde die Informationstechnik den Strukturwandel in der Arbeitswelt weiter vorantreiben und unter dem Strich mehr Chancen als Risiken mit sich bringen. Die zunehmende Vernetzung von Geschäftspartnern und Kunden sowie die höhere Akzeptanz flexibler Arbeitsorganisationen sei unmittelbar Ergebnis des technologischen Fortschritts. Auch für Hans Georg Lukas, technischer Direktor der Computer Associates GmbH, Darmstadt, liegen die Vorteile der IT auf der Hand: "Sie ermöglicht dem einzelnen Mitarbeiter mehr Verantwortung und Partizipation." Allerdings sei diese Erkenntnis in der deutschen Wirtschaft noch immer nicht bis in die Führungsetagen vorgedrungen.

Die Diskussion, ob der Computer Jobs vernichtet oder schafft, hat eine lange Tradition. Bereits in den sechziger Jahren, erinnerte Werner Dostal vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), kritisierte die IG Metall die zunehmende Automatisierung. Heute sei Multimedia das große Thema. Neue Arbeitsplätze entstünden nicht nach Plan, sondern "eher zufällig und nicht nach Plan". Künftig würden Projektaufgaben dominieren und an die Stelle fester Arbeitsplätze treten: "Menschen suchen sich ihre Arbeit selbst."

Wenn Arbeitsplätze tatsächlich verlorengehen, so der Kommentar von Jürgen Fuchs, Generalbevollmächtigter der CSC Ploenzke GmbH in Kiedrich, sei nicht der Computer verantwortlich, sondern "Taylorismus und Machtgelüste von Managern und Funktionären". Laut Fuchs könne der Computer sogar Arbeitsplätze retten. Sachbearbeiter in Versicherungen entwickelten sich zu Kundenberatern, die vor Ort Anträge per Laptop annehmen und "sofort Schecks ausstellen".

"Verändert sich die Arbeitswelt, muß sich auch in der Arbeitnehmerschaft etwas ändern", steht für Jürgen Leimer, Betriebsratsvorsitzender der Bull AG, Köln, außer Diskussion. Vor allem die Telekooperation könne Unternehmen und Arbeitsplätze revolutionieren. Es sei allerdings paradox, mahnte Leimer, wenn zunächst Kontrolle abgebaut und Selbständigkeit gefördert würde, dann aber der Druck auf die Arbeitnehmer zunehme. "Wer sich in der künftigen Arbeitswelt zurechtfinden will, muß fachliche und Schlüsselqualifikationen immer wieder auf den neuesten Stand bringen."

Daß Aus- und Weiterbildung für das Berufsleben wichtger werden, ist unumstritten. Werden jedoch die Studenten an den Hochschulen auf ihre beruflichen Aufgaben richtig vorbereitet? "Eine Katastrophe bahnt sich an", orakelte Manfred Broy, Informatikprofessor an der Technischen Universität München. Schon heute gebe es viel weniger IT-Absolventen als Jobofferten. Entscheidender aber sei die unzureichende Medienbildung in den Schulen. "Abiturienten interessieren sich vor allem für die Werbebranche und weniger für IT." Bleibe dieses Image- und Nachwuchsproblem ungelöst, würden Arbeitsplätze unwiderruflich ins Ausland verlegt.

An mündlichen Qualitätsbekenntnissen fehlt es nicht. "Mit langfristigen Personalentwicklungsplänen wollen wir sicherstellen, daß qualifizierte Leistungen zum Kunden kommen", skizzierte zum Beispiel CA-Mann Lukas die Personalpolitik seines Hauses. Universitäten müßten wie in den USA stärker in Entwicklungsprozesse eingebunden werden, Industrie- und Handelskammern sollten dagegen attraktive Berufe definieren und entsprechende Ausbildungen schaffen.

Abhängig beschäftigt sein und zugleich unternehmerisch denken - das wünschen sich Unternehmen von den händeringend gesuchten Mitarbeitern. Doch wer hält diesen Spagat heute schon aus? Während Gewerkschafter Leimer daran erinnerte, daß es noch ein Leben außerhalb der Arbeitswelt gebe, favorisiert Arbeitgebervertreter Fuchs Mitarbeiter, die sich "im Unternehmen austoben wollen". Dostal weiß von ersten virtuellen Firmen, die stark nachgefragte Spezialisten wieder als Angestellte binden, während sogenannte Randbelegschaften, also Beschäftigte die in einem losen Verhältnis zum Arbeitgeber stehen, ihre Arbeitskraft auf Dauer nicht mehr verkaufen können. Ohne Zweifel hat die Informationstechnik daran entscheidenden Anteil. Für Broy komme es vor allem darauf an, daß das Rationalisierungspotential erkannt werde und "daß nicht drumherum geredet wird". Ziel dieser gesellschaftlichen Aufgabe müsse es sein, daß es zum Schluß weniger Verlierer und mehr Gewinner gebe.

*Winfried Gertz ist freier Journalist in München.