Programmierte Unterweisung - programmierter Erfolg?

Nur Mensch-Maschine-Dialog genügt nicht

19.09.1980

Das mit dieser Frage angeschnittene Thema, ob und welchen Erfolg der Einsatz der Programmierten Unterweisung (PU) in der DV-Ausbildung mit sich bringt, ist nicht neu. Heute hierauf wieder einzugehen, erscheint sinnvoll, weil es erstens sicherlich immer wieder Leser gibt, für die dieses Thema aktuell wird, wenn sie sich mit Ausbildungstragen in der EDV auseinandersetzen müssen. Zweitens erscheint es sinnvoll, die inzwischen vorliegenden Erfahrungen aus weit über einem Jahrzehnt zusammenzufassen, auch über den Einsatz des Computers als technisches Hilfsmittel für PU. Darum ist es naheliegend, diese Erfahrungen an dem Für und Wider der bisherigen Diskussion zu messen.

Der Gesichtswinkel, unter dem diese Betrachtung erfolgt, ist der eines EDV-Herstellers und beschränkt sich deshalb auf die berufliche Aus- und Weiterbildung von DV-fremdem Fachpersonal ("Computer am Arbeitsplatz") aber auch EDV-Fachkräften.

Der erste der beiden genannten Gründe ist der Anlaß, die Methode der Programmierten Unterweisung noch einmal kurz vorzustellen:

- Der Lehrstoff mit einem Lernziel für eine vorgegebene Zielgruppe wird in einem Programm angeboten, das verschiedene Medien, wie Text, Bild und Ton, meistens kombiniert verwendet wird.

- Wesentlich ist, daß das Programm wichtige Erkenntnisse der Lernpsychologie berücksichtigt:

- Kleine Lernschritte;

- Aktivierung der eigenen Mitarbeit durch. eingeblendete Verständnisinnigen, Übungen, etc;

- Erleben des Lernfortschrittes durch Bewertung des Erreichten;

- Steuerung des Lernfortschrittes durch "Rückkopplung" zu schon verstandenem Lehrstoff.

Es wird keiner verkennen, daß das Lernen "Schwerstarbeit" sein kann. Ein Anreiz, diese Arbeit zu verrichten, ist deshalb notwendig. Die PU bietet diesen Anreiz, aber auch eine Methode, wie man effektiver lernen kann. Es gilt die alte Weisheit, daß "etwas Verstehen" nicht unbedingt mit "etwas Können" gleichzusetzen ist. Das "Üben" ist also ebenso ein wesentliches Element der PU als Methode. Mit anderen Worten: Das Aufnehmen und das Behalten von Tatsachenwissen, welches laufend aktiv benötigt wird.

Wofür PU besonders gut ist

Damit ist auch schon festgestellt, wofür sich die PU besonders gut eignet. In der EDV gibt es derartigen Lehrstoff sicherlich genug. Ein als PU angelegtes Lehrbuch bietet in den Fällen eindeutige Vorteile, wo es sich um die Einführung in die verschiedenen Gebiete der EDV handelt, wie beispielsweise "Allgemeine Grundlagen der EDV", "Einführung in die Programmierung", " Programmiersprachen", "Grundlagen der verteilten Datenverarbeitung", "Einarbeitung in die Bedienung des Systems" etc. Hier decken sich die Erfahrungen durchaus mit den damaligen Feststellungen, daß sicherlich nicht jeder Lehrstoff gleich gut für eine programmierte Lernunterstützung geeignet ist.

Den Computer als technisches Hilfsmittel für die PU, also den computerunterstützten Unterricht (CUU), gibt es auch schon viele Jahre. Heute ist er aus dem modernen Schulbetrieb eines EDV-Herstellers nicht mehr wegzudenken. Wesentliche Gründe für die konsequente Nutzung sind:

- Die Kontrolle, aber auch die Protokollierung des individuellen Lernfortschrittes, wobei das individuelle Arbeitstempo nicht beeinträchtigt wird.

- Die Perfektion der Methode in Bezug auf Anreiz und Aktivierung der eigenen Arbeit, gekoppelt an den Lernfortschritt sowie in Bezug auf das Verzweigen in Kapitel mit ergänzenden Informationen.

Beim Einsatz des Computers kommt dem Bildschirm eine entscheidende Rolle zu. Voraussetzung für Effektivität ist in den meisten Fällen, daß Lehrprogramm-Software zur Verfügung steht, mit der die Programmierte Unterweisung erstellt und das Lernthema abgewickelt wird.

Kritik nach wie vor

Wenn man sich die Erfahrungen mit der PU ansieht, so gelten die meisten der kritischen Anmerkungen der Anfangszeit nach wie vor. Eine kritische Beantwortung der Frage "Programmierte Unterweisung - programmierter Erfolg?", läßt sich vielleicht, wie folgt zusammenfassen:

1. Mit Einschränkungen kann man die gestellte Frage bejahen.. Die Einschränkungen beziehen sich auf den Lehrstoff und die physische und psychische Belastbarkeit beim Einsatz der PU. Welcher Lehrstoff sich gut eignet, wurde schon erwähnt. Die Lernzeit sollte jedoch drei bis vier Stunden intensives Lernen, und diese verteilt über den ganzen Tag, nicht übersteigen.

2. Der Dialog zwischen Mensch und Maschine beziehungsweise Mensch und schriftlich fixiertem Sachverhalt genügen durchaus nicht, um das gewünschte Lernziel zu erreichen. Die menschliche Kommunikation bei einem Lernprozeß bleibt unabdingbar eine wesentliche Komponente im Lernprozeß. Wenn auch die PU in Buchform den Vorteil der Ortsunabhängigkeit hat - man kann überall damit lernen -, so bleibt der Wunsch, mit jemand zu sprechen sowie auch die Notwendigkeit, trotz gut aufgebauter PU, jemand zu fragen. Für die PU in Form des computerunterstützten Unterrichts gilt das gleiche. Der Zwang zur Konzentration führt schnell zur mangelnden Aufmerksamkeit und der Zwang, unter Kontrolle arbeiten zu müssen, läßt leicht Motivation in Demotivation umschlagen.

3. Die PU bleibt also nur ein Mittel wenn auch wesentliches Lehrmittel im Arbeitsteil der Ausbildungsprogramme. Nach wie vor ist der dargebotene Unterricht mit Lehrvortrag Gruppenarbeit und Diskussion mit Verwendung verschiedener Medien, wie Flip-Charts, Dias, etc. notwendig.

* Karl Heinrich Grimm ist Leiter des Ausbildungs- und Informationszentrums der Philips Data Systems GmbH, 5900 Siegen 21.