ODAOdif kann neben EDI auch die externe Kommunikation unterstützten (Teil 1)

Nur internationale Standards schaffen effiziente Grundlage

02.08.1991

*Diplom-Informatiker Rainer Janssen ist selbständiger Berater sowie Geschäftsführer der Open Systems Consulting Janssen in Frankfurt und auf die Schwerpunkte elektronischer Nachrichtenaustausch (X.400), offene Kommunikation sowie OSI-Migration spezialisiert.

Die Betrachtung von OSI-Standards fand bisher hauptsächlich auf rein technischer Ebene statt. Die Diskussion drehte sich dabei meist um die standardisierten Protokolle sowie Interoperabilitätstests. Als Begründung für den Einsatz von OSI in heterogenen Umgebungen mußte immer wieder der Vergleich der Komplexität von bilateralen, herstellerspezifischen Gateways mit der Nutzung des standardisierten Verfahrens herhalten. Seit kurzem bemühen sich die OSI-Auguren nun, den Aspekt der Unterstützung alltäglicher Arbeitsabläufe in Unternehmen durch OSI-basierte Verfahren stärker in den Vordergrund zu stellen. Rainer Janssen* versucht dies in Teil 1 am Beispiel Edifact und ODA/Odif.

OSI kann sowohl innerhalb von Unternehmen als auch zur Unterstützung der externen Kommunikation sinnvoll eingesetzt werden.

Für Geschäftspartner stellen sich zunächst, völlig unabhängig davon, durch welche Technik die Geschäftsbeziehung unterstützt wird, zwei Fragen:

1. Wie werden die ausgetauschten Informationen dargestellt, und welche Bedeutung haben sie?

2. Wie findet die Übermittlung der Informationen statt?

Die internationalen Standards Edifact (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport) und ODA/Odif (Office Document Architecture and Interchange Format) beschreiben Struktur und Syntax von Dokumenten beziehungsweise Nachrichten.

Aus Sicht der Anwender stellt sich die Kommunikation zwischen Unternehmen in erster Linie als Übertragung von Dokumenten dar. Diese effizient zu übermitteln ist zwar heute leider immer noch kein triviales Problem, für den Einkauf, den Verkauf oder die Logistik im Unternehmen aber nicht der Hauptgesichtspunkt.

Für ein Unternehmen, das in naher Zukunft die elektronische Unterstützung der Verbindungen zu Geschäftspartnern verstärken möchte (oder muß), stellt sich darüber hinaus die Frage, wie die vielen unterschiedlichen Kommunikationsverfahren wirtschaftlich und technisch gestaltet werden können.

Selbst dort, wo betroffene Unternehmen versuchen, diese Kommunikationsbarrieren zu umgehen, indem sie die Dienste von VANS (Value Added Network Services) in Anspruch nehmen, können sie oft nur eine begrenzte Anzahl von Kommunikationspartnern erreichen.

EDI für mehr Transparenz in der DV

Um die Geschäftsprozesse in stärkerem Maße durch Informatikanwendungen unterstützen zu können, als es heute der Fall ist, benötigen Unternehmen eine transparente Kommunikationsinfrastruktur zur Verbindung heterogener Rechnerwelten, die mit der von Telefon und Telefax vergleichbar ist (Anschlußmöglichkeiten, Bedienungsfreundlichkeit etc.).

In den meisten Fällen erscheint der Kommunikationsaspekt zunächst nur als die Notwendigkeit, eine Menge von Zeichen zu übertragen. Das hört sich nicht besonders kompliziert an, wirft aber bei genauerer Betrachtung einige Probleme auf. Die Partner möchten im allgemeinen eine Übertragungstechnik einsetzen, die unter anderem folgende Eigenschaften erfüllt:

- Erreichbarkeit vieler Geschäftspartner,

- sichere und zuverlässige Übertragung,

- kostengünstiger und transparenter Transport der Dokumente/Nachrichten,

- Unterstützung verschiedener Adreßformen (zum Beispiel im EDI-Umfeld),

- Nutzbarkeit des Übertragungsverfahrens auch durch andere Anwendungen,

- Nutzbarkeit des Übertragungsverfahrens mit verschiedenen Partnern.

Eine langfristig stabile und ökonomische Grundlage zur Unterstützung dieser Anforderungen kann nur durch die Nutzung internationaler Standards geschaffen werden.

Zum Beispiel kann dies durch den Electronic Data Interchange (EDI) geschehen, der den Austausch von Handelsdaten zwischen Geschäftspartnern (Bestellungen, Rechnungen, Bankanweisungen etc.) bezeichnet. Es ist davon auszugehen, daß die Zahl der EDI-Benutzer

rapide steigen wird, wenn EDI als ein integraler Bestandteil der Geschäftsprozesse zwischen Unternehmen weithin Akzeptanz findet. Deutliche Anzeichen sprechen außerdem dafür, daß EDI über alle Branchen hinweg zunehmend zum Einsatz kommt.

Bei vielen Anwendungen werden die Daten als Nachricht oder Datei übertragen, eine unmittelbare Reaktion ist nicht erforderlich. Dies gilt zum Beispiel für alle Anwendungen, bei denen heute die Daten mittels "gelber Post" oder Telex übertragen werden (Bestellungen, Rechnungen, Zollerklärungen etc.). Daneben gibt es noch eine zweite Klasse von EDI-Anwendungen, die eine unmittelbare Reaktion der Beteiligten benötigen (zum Beispiel Reservierungssysteme). Man spricht in diesem Fall vom interaktiven EDI, das andere Kommunikationstechniken benötigt.

Im Januar 1987 begann das EDI-Projekt des Verbandes der Europäischen Chemieindustrie (Cefic), mit dem auf der Grundlage internationaler Standards ein europaweites System der elektronischen Verknüpfung zwischen Chemiefirmen und ihren Handelspartnern geschaffen werden sollte. Ähnliche Projekte gibt es in diversen Industriesektoren, die durch das Tedis-Programm der Kommission der Europäischen Gemeinschaften koordiniert werden. In der sogenannten Technical Infrastructure Group des Cefic-Projektes wurde unter der Bezeichnung "Conceptual Model" ein Modell erarbeitet (siehe Abbildung).

EDI-Anwendungen auf fünf Ebenen

Dieses funktionale Modell strukturiert die Beziehungen, die bei EDI-Anwendungen zu betrachten sind, in fünf Ebenen:

- Business Relation (generelle Geschäftsvereinbarungen),

- Business Transaction (Bedeutung der Transaktionen, erwartete Reaktion),

- Industry-related Convention (Sektorspezifische Vereinbarungen),

- EDI Service (Auswahl der EDI-Syntax, Formatierung, Validierung, Logging, Functional Acknowledgement),

- Communication (Datenübertragung, Security, Auditing).

Deutlich wird hier, daß die Übertragungstechnik nur die unterste Ebene darstellt und daß eine Trennung zwischen EDI-spezifischen Fragen und solchen der Kommunikation versucht wird. So ist es eine der Funktionen der EDI-Service-Ebene, die EDI-Anwendung von den Problemen der Übertragungstechnik zu befreien. Diese Strukturierung ist nicht nur für EDI-Applikationen sinnvoll, sondern kann ganz allgemein bei der Analyse und Unterstützung von Geschäftsbeziehungen (zum Beispiel auch bei der Betrachtung des Dokumentenaustausch mittels ODA/Odif) genutzt werden.

Bei heutigen EDI-Anwendungen werden meist proprietäre oder industriespezifische Techniken und nur in geringem Umfang international standardisierter Verfahren zur Übertragung genutzt. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden aber EDI- und OSI-Standards unabhängig voneinander entwickelt, so daß sich einige Überlappungen und Inkonsistenzen zwischen ihnen ergeben haben. Alle Versuche, heute OSI für EDI zu nutzen, müssen daher als Ad-hoc-Lösungen betrachtet werden, die der Verbesserung bedürfen. Ein wichtiger Unterschied zwischen EDI und OSI wird zum Beispiel in der Adressierung deutlich, denn im EDI-Umfeld werden oft zweistufige Adreßschemata zur Adressierung von Organisationen genutzt, OSI hingegen adressiert Applikationen. Es sind daher Umsetzungen zwischen den verschiedenen Adreßformen notwendig (Directory-Dienste nach X.500 können hier Unterstützung leisten).

Der Standard ODA/Odif wurde Anfang 1988 nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit verabschiedet (ISO 8613 Part 1 - 8, CCITT T.411 - 418) und unterstützt den Austausch komplexer Dokumente (Text und Grafik) zwischen Systemen und die Archivierung solcher Dokumente. ODA/Odif basiert auf dem Ansatz, die logische Struktur eines Dokumentes und die Layout-Struktur zu trennen. ODA enthält neben dem Architektur- und Bearbeitungsmodell auch ein davon abgeleitetes standardisiertes Austauschformat (Odif).

In Analogie zu anderen Standards ist auch bei ODA/Odif die Basisnorm allein noch nicht ausreichend, um Implementierungen durchführen zu können, sondern es werden weitergehen de Festlegungen, sogenannte funktionale Profile, benötigt. Die funktionalen Profile bei ODA/Odif heißen Document Application Profiles (DAP), werden bei Ewos (European Workshop on Open Systems) erarbeitet und durch CEN/Cenelec als europäische Normen beziehungsweise Vornormen verabschiedet.

Eine ausführliche Beschreibung von ODA/Odif und der einzelnen Profile ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich, im folgenden wird grob der Leistungsumfang der einzelnen Profile skizziert.

- Q/111 (ENV 41509): Einfaches Austauschformat, nur Text (Zielgruppe sind einfache Editoren, zum Beispiel Wordstar),

- Q/112 (ENV 41510): Zusätzlich Rastergrafik und geometrische Grafik, erweiterte Layout-Möglichkeiten (Zielgruppe sind komplexe Editoren mit Grafik, es beinhaltet weitgehend die Funktionalität von MS-Word und Wordperfect),

- Q/113 (1992): Zusätzlich erweiterte Layout-Möglichkeiten (Zielgruppe ist Desktop Publishing),

- Q/114: alle ODA Möglichkeiten.

ODA/Odif auch für externe Kommunikation

Interessanterweise wird im Rahmen der externen Geschäftskommunikation oft nur Edifact betrachtet, ODA/Odif dagegen meist nur als Mittel zum internen Austausch von Dokumenten zwischen verschiedenen Textverarbeitungssystemen positioniert. Sicher kann ODA/Odif für den internen Bereich eine große Unterstützung sein, es ist aber ebenfalls ein sehr mächtiges Instrument zum Support der externen Kommunikation.

Edifact kann hier nur einen Teil der Anforderungen abdecken. Es ist beispielsweise vorstellbar, eine Edifact-Nachricht mit zusätzlichen Informationen (zum Beispiel einer Grafik) übertragen zu wollen. ODA/Odif unterstützt dies und erlaubt, den Zusammenhang zwischen diesen Informationen zu beschreiben.

Odif-Konverter sind angekündigt

Inzwischen gibt es Ankündigungen von einer ganzen Reihe Hersteller, der Anwender kann sich auf die lang erwartete Verfügbarkeit von Produkten vorbereiten .

Odif-Konverter haben zum Beispiel angekündigt:

- Bull 1991,

- DEC Ende 1990,

- ICL 990,

- Microsoft ?,

- SNI 1990/91.

Die Firma SNI benutzt das Format Q/112 zum Austausch von Dokumenten zwischen verschiedenen bei SNI angebotenen Editoren. IBM hat noch kein Produkt vorgestellt, aber ODA in seine Information Interchange Architecture (IAA) aufgenommen. Eine Übersicht der Produktankündigungen ist im Open Systems Newsletter, März 1991 (Technology Appraisals), enthalten.

Die Nutzung von ODA/Odif erlaubt zum einen den Austausch von Dokumenten zwischen unterschiedlichen Systemen und garantiert die langjährige Verwendung von Dokumentenbeständen auch bei Systemwechseln. Weiterentwicklungen der Standards werden unter anderem die Koppelung mit Applikationen (zum Beispiel Tabellenkalkulation, Datenbanken) zur automatischen Aktualisierung von Daten und zur Unterstützung der automatischen Bearbeitung von Dokumenten durch Applikationen, die Integration weiterer Inhalte (zum Beispiel Sprache) sowie zusätzliche Layout-Möglichkeiten behandeln.