Gastkommentar

Nur ganzheitliches Projektmanagement ist kostentransparent

24.09.1993

Niemand redet gerne darueber, aber praktisch jeder hat es schon einmal erlebt: Projekte, die viel laenger dauern als urspruenglich veranschlagt, die keine sichtbaren Ergebnisse liefern oder sogar ohne Ergebnis abgebrochen werden.

So existiert zum Beispiel eine Studie des Plenum Instituts, Wiesbaden, wonach bei 50 Prozent aller IV-Projekte Kosten- und Terminplanung nicht eingehalten werden koennen. Andere Studien gehen davon aus, dass zwischen 25 und 50 Prozent aller IV-Projekte ohne verwertbares Ergebnis abgebrochen werden.

Dies hat dazu gefuehrt, dass viele, sonst durchaus professionelle DV-Mitarbeiter Termin- und Kostenueberschreitungen als normal ansehen. Als extremes Beispiel hierfuer musste sich der Verfasser vor einigen Jahres sagen lassen, dass eine Budgetueberschreitung um 100 Prozent in der EDV ueblich sei - die Rede war von ueber 500 000 Mark, ohne dass ein Ende abzusehen war.

Die Ursachen hierfuer sind nur sehr schwer festzumachen und zu analysieren. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass besonders schwerwiegende Fehler immer wieder vorkommen

- in der Projektdefinition und -planung, haeufig basierend auf methodisch unscharfen Vorgehensmodellen;

- in der Aufwandsschaetzung auf der Basis fachlich unvollstaendiger Vorgaben und nach der Methode "Pi mal Daumen";

- im Berichtswesen, das entweder gar nicht existent ist oder nicht aussagefaehig und/oder geschoent ist und keine Transparenz ueber den Projektverlauf und -zustand gewaehrt.

Fuer alle diese und viele weitere Problembereiche existieren viele Loesungsansaetze, und der Verfasser kennt auch diverse Projekte, die durch rechtzeitige Korrekturmassnahmen in diesen Bereichen "ueber den Berg" gebracht werden konnten. Aber gerade an diesen Problembereichen zeigt sich auch immer wieder, dass Projektmanagement ein hochkomplexer Vorgang ist und dass die Betrachtung isolierter Teilbereiche nur selten zum Erfolg fuehrt.

Denn was nuetzt das beste Vorgehensmodell, wenn Meilensteine und Checkpoints nicht konsequent ueberprueft und hinterfragt werden? Was nuetzt eine hervorragend fundierte Aufwandsschaetzung nach der Function-point-Methode, wenn niemand erfahren darf, dass der realistisch zu erwartende Aufwand sehr viel hoeher ist als das, was der Vorstand oder die Fachabteilung zu investieren bereit ist. Und was habe ich schliesslich von einem funktionierenden, eleganten Berichtswesen, wenn vom letzten Programmierer bis zum Projektleiter jeder seine Zahlen schoent, weil er sich nicht traut, die tatsaechlichen Werte bekannt zu machen?

Diese Fragen zeigen exemplarisch, dass Projektmanagement nur ganzheitlich gesehen werden kann und keinesfalls auf die isolierte Betrachtung von Methoden, Tools oder Organisationsfragen reduziert werden darf.

Entsprechend ist auch die Aufgabe des Projektmanagers viel mehr als nur die eines Verwalters und Planers von Projekten. Gefordert ist vor allem auch eine starke Persoenlichkeit mit sozialen Kompetenzen, um die Belange des Projektes nach allen Seiten - gegenueber den Entwicklern, der Fachabteilung und der Unternehmensfuehrung - effektiv vertreten zu koennen. Damit wachsen natuerlich auch die Verantwortung und die Belastung des Projektmanagers erheblich. Projektmanagement ist aber nichts, was man "nebenher" machen kann; der beste Projektmanager ist nicht der, der die fachliche Aufgabenstellung oder die entsprechenden DV-Verfahren am besten kennt. Es handelt sich dabei um eine echte Managementaufgabe, fuer deren Besetzung dieselben Kriterien heranzuziehen sind wie fuer andere Fuehrungsaufgaben auch.

Wie bei allen Managementpositionen gibt es natuerlich auch fuer Projektmanager kein Handbuch mit zehn leicht erlernbaren Regeln. Aber es gibt einige Richtlinien, die der Verfasser sich im Laufe seiner Taetigkeit im Projektmanagement angeeignet hat und deren Richtigkeit sich dadurch erwiesen hat, dass er es noch immer bereut hat, wenn er einmal davon abgewichen ist:

- Planen Sie sehr, sehr sorgfaeltig - aber seien Sie bereit, von der Planung abzuweichen, wenn die Situation es erfordert.

- Seien Sie ehrlich zu sich selbst und zu allen anderen. Es nuetzt nichts, Aufwaende schoenzurechnen oder buchhalterisch verschwinden zu lassen - was gemacht werden muss, muss gemacht werden, und Sie sind verantwortlich dafuer, dass es richtig und rechtzeitig gemacht wird.

- Seien Sie nicht gefaellig, versuchen Sie nicht, etwas zu vertreten, von dem Sie selbst nicht ueberzeugt sind.

- Versuchen Sie nicht, Fehler zu vertuschen - auch nicht Ihre eigenen. Keine Fehler macht nur, wer gar nichts macht.

- Wenn Sie die Wahl zwischen mehreren Alternativen haben - entscheiden Sie sich immer fuer die einfachste.

- Treffen Sie Entscheidungen - und zwar schnell.

Aber wichtiger als alle Regeln ist die Bereitschaft des Projektmanagers, sich mit seiner ganzen Persoenlichkeit einzubringen und seine Aufgabe als echte Herausforderung zu verstehen.

Mit dieser Einstellung, einer gesunden Portion Selbstvertrauen und dem notwendigen methodischen Ruestzeug sind die wesentlichen Grundlagen fuer ein erfolgreiches Projektmanagement gegeben - den Rest macht die Erfahrung.