"Nur der Anwender treibt E-Learning"

23.03.2006
Weblogs, Wikis und Podcasts eröffnen neue Weiterbildungschancen wie Siegfried Lautenbacher und Johannes Schnell in einem CW-Gespräch erläutern.

CW: Welche E-Learning-Trends zeichnen sich ab?

Social Software und informelles Lernen

Informelles Lernen, auch gern in einem Atemzug mit Social Software genannt, wird klassische Lernkanäle wie Präsenztraining und E-Learning ergänzen. Weblogs, Wikis und Podcasts ergeben neue Möglichkeiten in der Weiterbildung. Das Institut für Medien- und Kompetenzforschung (MMB) hat in einer Expertenumfrage festgestellt, dass informelles Lernen in den kommenden drei Jahren in deutschen Unternehmen als wichtigstes Trendthema gesehen wird. Vier von fünf Experten rechnen gemäß MMB beispielsweise mit einer steigenden Nutzung von Podcasts im Unternehmens- und Weiterbildungsumfeld. Johannes Schnell ist Geschäftsführer von CBT+L, dem Spezialisten für Qualifizierung, Siegfried Lautenbacher ist Geschäftsführer der Beck et al. Services GmbH. Sie hat eher prozessbegleitende Wissensvermittlung im Fokus.

Podcast und Weiterbildung

Am 7. April 2006 findet im Königssaal der Bayerischen Staatsoper in München der erste deutsche Podcast Kongress statt. Neben den Themen Corporate Podcasting und Private Podcasting wird dem Themenbereich "Technologiegestützte Wissensvermittlung, informelles Lernen und Podcasting" ebenfalls ein Schwerpunkt gewidmet sein. Florian Heidecke von der Universität Sankt Gallen beleuchtet das Thema aus wissenschaftlicher Sicht. Ferner werden Szenarien und Werkzeuge zum informellen Lernen präsentiert sowie ein Praxisbeispiel aus der Projektkommunikation. Podcasting wird in diesem Zusammenhang als Chance für internationale IT-Projekte betrachtet.

Die Teilnahmegebühr beträgt 149 Euro. Aufgrund der historischen Räumlichkeiten in der Oper ist die Teilnehmerzahl begrenzt. Organisatoren sind Beck et al. Services und der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco e.V.).

Anmeldung unter: www.podcast-kongress.de

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

571670: Trends im E-Learning;

571372: Internet-TV-Ausbildung;

570547: Weiterbildung mit Hörbüchern.

SCHNELL: Podcasts, Blogs und Wikis sind die Stichworte. Sie unterstreichen die Mobilität des Lernens. Diesen Trend finde ich sehr erfreulich, da er modernes Selbstlernen zugänglicher macht. Es besteht jedoch die Gefahr, dass wir in die reine Vermarktung von schnell erstellten Informationseinheiten abgleiten, deren Qualität nur bedingt steuerbar ist. Dies ist auch auf die ständig kleineren Budgets der Kunden zurückzuführen. Aber es ist vor allem in der Weiterbildung unseriös, alles darauf zu reduzieren, dem Lerner einen schnellen Zugang zu Informationseinheiten zu bieten

Ich erinnere an Elliot Masie, der tatsächlich der Meinung ist, der Lerner solle wie bei Napster Inhalte selbst aus ihrem Zusammenhang heraus zu neuen, auf ihn abgestimmte Lernmodule zusammenstellen. Eine solche Aussage weist darauf hin, dass wir dabei sind Informieren mit Lernen zu verwechseln.

LAUTENBACHER: Der einzige Treiber ist und bleibt der Anwender, der Nutzer technologiegestützten Lernens. Das hat die Branche in den letzten Jahren ein wenig übersehen, dann schmerzhaft lernen müssen. Und vernünftig ist - platt gesagt - das, was dem Anwender Nutzen bringt. Insofern stehen wir dem informellem Lernen positiv gegenüber. Wir setzen dabei darauf, dass sich Lernen nicht mehr nur auf die kognitiven Fähigkeiten des Individuums beschränkt. Im Zeitalter schneller Veränderungen steht inhaltliches Lernen ("Know-how") nicht mehr im Vordergrund, sondern geographisches ("Know-where"). Effizientes Handeln ist nicht allein durch Fachwissen gewährleistet, sondern durch schnelles Reagieren. Für die richtige Entscheidung ist aktuelles Wissen unabdingbar. Kurse im traditionellen Sinn - mit vorgeschalteter Konzeption und Präsenzterminen - können den Anforderungen an schnelles Lernen nicht vollständig gerecht werden.

CW: Wie reagieren Sie auf diese Entwicklungen?

LAUTENBACHER: Wissensvermittlung und Know-how-Transfer hat viel mit Prozesswissen zu tun. Training muss deshalb noch stärker in Geschäftsprozesse eingebunden werden. Formelles Lernen ergänzt dabei informelle Kanäle wie Podcasting. Wir setzen es beispielsweise intern im IT-Projekt-Management ein.

CW: Welche Chancen hat E-Learning im Mittelstand?

SCHNELL: Da der Mittelstand besonders auf die Kosten schauen muss, sind große Lösungen zu teuer und zu unflexibel. Außerdem stehen diesen Betrieben nicht die Mitarbeiter zur Verfügung, um sich in das Thema so einzuarbeiten, wie es notwendig ist, um Frustrationen zu vermeiden.

LAUTENBACHER: Der Mittelstand braucht kein E-Learning, sondern Lösungen für seine individuellen Lernanforderungen. Wenn wir das beherzigen, dann gibt es auch Akzeptanz. Und gerade im Mittelstand bewähren sich Kooperationen. (hk)