Zukunftssicherung durch Börsengang oder Partnerschaft

NSG: Ein IT-Dienstleister für die "kleinen" Probleme

10.07.1998

NSG-Gründer und Geschäftsführer Joachim Röder hat den Blick weit nach vorne gerichtet. Nicht die Erfolge der Vergangenheit, sondern Zukunftspläne, die es zu forcieren gilt, sind das bevorzugte Gesprächsthema des Managers, der in seiner beruflichen Laufbahn bereits drei Firmen gründete. Mit der Ausgliederung des TK- und Servicegeschäfts aus der früheren Nixdorf AG nahm die Unternehmensgeschichte von NSG 1989 ihren Anfang - federführend unter dem jetzigen Geschäftsführer Röder, der bereits bei Nixdorf für den Aufbau der entsprechenden Business-Unit zuständig war. Die Neugründung war zunächst auf das Geschäftsfeld Telekommunikation fokussiert, 1991 kamen die heute wichtigen Kernbereiche IT-Netze und IT-Services hinzu. Nur gering ins Gewicht fällt hingegen der Unternehmensbereich Gebäudeinfrastruktur-Technik. Die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) - demnächst Siemens IuK - ist zu 17 Prozent an NSG beteiligt, 41 Prozent hält Röder und 42 Prozent die Schema-Unternehmens-Infrastruktur-Planung GmbH in München.

Geschäftsbereich IT-Netze wichtigster Umsatzträger

Innerhalb von neun Jahren wuchs NSG von 77 auf rund 850 Mitarbeiter an, die Einnahmen konnten in diesem Zeitraum von vier auf deutlich über 100 Millionen Mark gesteigert werden. Im Geschäftsjahr 1997 wurden 130 Millionen Mark bilanziert - ein Plus von knapp fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr, das aber verglichen mit den Zuwachsraten früherer Jahre eher verhalten ausfiel. Der Gewinn nach Steuern lag 1997 eigenen Angaben zufolge bei 2,5 Millionen Mark. Wichtigster Umsatzträger war im zurückliegenden Geschäftsjahr mit 70 Millionen Mark der Bereich IT-Netze (plus zwölf Prozent). Die Unternehmenssparte IT-Services steuerte 32 Millionen Mark zu den Einnahmen bei.

Auch wenn die Konkurrenz im TK- und Netzwerk-Projektgeschäft mit Namen wie Siemens, Deutsche Telekom, Alcatel SEL gewaltig ist - NSG-Chef Röder schätzt den Marktanteil seines Unternehmens auf gerade mal ein Prozent -, gelingt es den Netzspezialisten in der Münchner Peripherie dennoch, ihre Stärken gegen die Branchenriesen auszuspielen: "Bei uns bekommt der Kunde alles aus einer Hand", wirbt Lothar Sukstorf, Marketing-Leiter bei NSG. Das Kerngeschäft umfaßt Design, Planung, Projektierung und Installation von Netzwerken und Telekommunikations-Systemen aller Art - Hardware inklusive, die NSG als Wiederverkäufer im Projektgeschäft mitliefert.

Ergänzt wird diese Angebotspalette vor allem durch besagtes zweites wichtiges Standbein, den IT-Services, wobei der Schwerpunkt hier auf PC-Server-Architekturen liegt. Neueinrichtung von PC- beziehungsweise Terminal-Arbeitsplätzen, präventive Maintenance, Instandsetzung, sogenannte Emergency-Einsätze bei Notfällen, individuelle Bereitschaftsverträge - alles ist dem Vernehmen nach bei NSG zu haben. Falls gewünscht, übernehmen die Münchner sogar den kompletten Rechenzentrums-Service. "Guten Tag, hier ist Müller von der Bank xy. Unser Kontoauszugsdrucker ist ausgefallen, und jetzt streikt die gesamte DV", heißt es in einer Marketing-Bröschüre - Beispiel eines Szenarios, für das sich die NSG-Techniker im Außendienst (auch) kompetent fühlen.

Flexibiliät und Kompetenz gelten also als Trümpfe. Ein weiteres Plus dem Wettbewerb gegenüber liegt Firmenchef Röder zufolge in der (Produkt-)Unabhängigkeit des Unternehmens. Und in einer flächendeckenden Präsenz. Deutschlandweit sind die Münchner derzeit mit 24 Geschäftsstellen vertreten - was sich vor allem im Geschäft mit den großen Netzbetreibern auszahlt, für die man als "verlängerte Werkbank" und Subunternehmer in Sachen Kabelverlegung, LAN-Installation beziehungsweise Abwicklung ganzer Turn-key-Projekte bei großen Firmenkunden tätig ist. So zählt NSG derzeit unter anderem Otelo, Talkline, Worldcom und Viag Interkom zu seinen Auftraggebern.

Zu ihrem schnellen Wachstum (siehe Abbildung) verhalfen der Company aber auch flache Hierarchien sowie der, wie Röder es skizziert, hohe Lern- und Innovationsdruck innerhalb des Unternehmens. So liegt zum Beispiel das Durchschnittsalter der derzeit 850 Angestellten bei nur 26 Jahren. Daneben greift der Faktor Motivation, vor allem in Form einer leistungsorientierten Bezahlung: Neben einer vierteljährlichen Prämie werden 30 Prozent des Jahresgewinns als Bonus an die Beschäftigten ausgeschüttet.

Doch trotz vermeintlich attraktiver Arbeitsplätze bekommt auch NSG die derzeitige Situation auf dem DV-Arbeitsmarkt zu spüren; die knapp 100 offenen Stellen sind kaum zu besetzen. Einschneidende Konsequenz: Bereits im zurückliegenden Geschäftsjahr mußten Aufträge mit einem Gesamtvolumen von mehreren Millionen Mark abgelehnt werden. Neben fehlenden personellen Kapazitäten scheitern geplante Projekte derzeit aber auch am nötigen Kapital. Im Support von Netzwerken sähe der NSG-Chef ein Milliardengeschäft. Voraussetzung ist allerdings, daß Kunden nach dem Aufbau des Netzes ein Servicevertrag mit beispielsweise zwei oder fünf Stunden Antwortzeit angeboten werden kann. Um in dieses Business einzusteigen, fehlt NSG bislang allerdings noch die entsprechende Hardware-Ausstattung. Auf fünf bis zehn Millionen Mark taxiert Röder das hierzu notwendige Investment - Geld, das er im Moment nicht hat. Einziger Ausweg, den er sieht: "Entweder fließt durch einen Börsengang frisches Kapital in die Firma, oder wir müssen eine strategische Partnerschaft eingehen."

Muttergesellschaft bleibt als Türöffner wichtig

Apropos Wachstum: Für das laufende Geschäftsjahr erwarten die Netzwerker einen Umsatz von 150 Millionen Mark. Im Jahr 2000 soll dann die 200-Millionen-Marke erreicht werden. Irgendwann in absehbarer Zeit dürfte auch die 1000-Mitarbeiter-Schwelle überschritten werden - spätestens dann will man intensiv über eine (rechtliche) Aufsplittung der Unternehmensstruktur in die zwei Bereiche IT-Netzwerke und -Services nachdenken. Daß NSG auch nach der angekündigten Re-Integration von SNI in den Siemens-Konzern eine Tochter des Münchner Elektronikriesen bleiben wird, ist für Röder keine Frage. Einen größeren Partner im Rücken zu haben, kann dem NSG-Chef zufolge nur von Vorteil sein: "Er hilft doch, die eine oder andere Tür aufzumachen", gibt er freimütig zu.

Bis dato keine Pläne zur Internationalisierung

Auch im Ausland, wo man so manches gemeinsames Projekt mit SNI oder Siemens abwickelte. Wobei die Münchner besagte Flexibilität und Geschwindigkeit unter Beweis stellen konnten - quasi als Schnellboot, das auf internationalen Gewässern kreuzt, beispielsweise in Kirgisien oder der Mongolei. Doch trotz gelegentlicher Trips in ausländische Gefilde hegt Röder bis dato keine Internationalisierungspläne: "In Deutschland ist noch so viel Arbeit zu erledigen", winkt der 50jährige ab. Vor allem im Networking, wo die Migration zu (Internet-)Standards "den Markt explodieren läßt".

Was seine eigene Person betrifft, sieht sich Röder als Kapitän, der zwar noch nicht endgültig von Bord gehen möchte, jedoch auch nichts dagegen hätte, noch ein-mal auf einem anderen Schiff das Steuer in die Hand zu nehmen. "Ich würde gerne noch drei Jahre weitermachen, dann vielleicht in den Vorstand wechseln oder in der Beratung mein Glück versuchen", skizziert er seine eigenen Zukunftspläne.

Andrea Goder ist freie Journalistin in München.