Verteiltes Rechnen

Notebook-Sensornetz soll vor Erdbeben warnen

05.05.2008
Von Handelsblatt 
Kalifornische Seismologen wollen Beschleunigungsmesser, die bereits in vielen Notebooks eingesetzt werden, zur Erdbebenüberwachung nutzen.

Mit Hilfe der privaten mobilen Rechner knüpfen die Forscher ein Datennetz für ein seismologisches Frühwarnsystem in Kalifornien. Wissenschaftler an der Stanford University und der University of California in Riverside haben dazu ein Programm entwickelt, das aus ganz normalen Mac-Laptops seismologische Sensoren macht. Die Software analysiert Bewegungen, die der Beschleunigungsmesser des Rechners aufzeichnet. Dabei werden Vibrationen von vorbeifahrenden Fahrzeugen, Tischbewegungen oder sogar schwache Erdbeben ignoriert - nur schwere Stöße werden ermittelt. Der Ort, an dem sich der auslösende Rechner befindet, wird über die Internet-Adresse und Nutzerangaben ermittelt.

"Wir versuchen nicht, Erdbeben genau vorherzusagen, sondern sie sehr schnell zu messen, um die Bevölkerung informieren zu können", erläutert Jesse Lawrence, Seismologe an der Stanford University, das Konzept. Er arbeitet zusammen mit Elizabeth Cochran an dem Projekt, die Juniorprofessorin für Seismologie an der University of California in Riverside ist. Tragbare Apple-Rechner eignen sich besonders gut, weil sie seit 2005 durchgängig mit Beschleunigungsmessern ausgestattet sind. Aber auch Laptops von IBM/Lenovo, Acer und HP verfügen inzwischen über die Technik. Zweck ist, die eingebaute Festplatte zu schützen, indem sie bei abrupten Bewegungen in eine Parkposition gebracht wird - etwa, wenn der Rechner vom Tisch fällt.

Desktop-Rechner besitzen solche Beschleunigungsmesser normalerweise nicht, könnten aber mit billigen so genannten Schüttelsensoren auf USB-Basis ausgestattet werden. Diese werden bereits in der Autobranche verwendet, um Sicherheitseinrichtungen wie Airbags zu testen. Die Forscher wollen Rechner verwenden, die zu Tausenden in Eigenheimen, Firmen und Bildungseinrichtungen stehen. Das so genannte Quake Catcher Network (QCN) befindet sich derzeit in den Regionen San Francisco und Los Angeles in einer Beta-Phase mit mehreren Hundert Rechnern, berichtet das Magazin "Technology Review".

Dabei handelt es sich um ein verteiltes Netz, wie es beim "Seti@Home"-Projekt zur Suche nach außerirdischem Leben oder "Folding@Home" zur medizinischen Protein-Forschung im Einsatz ist. Die beteiligten Rechner, auf denen eine von den Wissenschaftlern ausgegebene Software läuft, überwachen ständig Bewegungen und melden schwere Erdstöße an einen zentralen Server. Das QCN konzentriert sich zunächst auf die Regionen San Francisco und Los Angeles, die als besonders erdbebengefährdet gelten. Hunderte High-Tech-Seismographen sind in Kalifornien bereits im Einsatz, doch sind sie relativ weit voneinander entfernt aufgestellt. Das neue Netzwerk soll sie nicht ersetzen, sagt Geologieprofessor Paul Davis von der University of California in Los Angeles, der das QCN-Projekt beobachtet. Lücken lassen sich so aber schließen.

Die Sensoren in Erdbeben-Regionen wie Kalifornien stehen jeweils mehrere Kilometer voneinander entfernt. Davis glaubt deshalb, dass mit an das QCN angeschlossenen Rechnern in solchen Regionen zusätzliche Informationen gesammelt werden können, wie sich die Erdstöße über die betroffene Region verteilen. Einige Forscher haben allerdings Zweifel daran, dass solche Daten tatsächlich brauchbar sein können. Egill Hauksson, leitender Forschungsassistent für Geophysik am California Institute of Technology (Caltech), der am professionellen seismografischen Netzwerk für Südkalifornien mitarbeitet, erwartet erst ab einer großen Anzahl von Messwerten ordentliche Ergebnisse.