Noch kein PC-Durchbruch auf breiter Front

16.05.1986

DÜSSELDORF (CW) - Die Möglichkeiten der "Entscheidungsunterstützung durch Personalcomputer" diskutierten die Teilnehmer einer Fachtagung, organisiert von Professor Peter Stahlknecht, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der Universität Osnabrück. Ergebnis: Von einem Durchbruch zur PC-gestützten Planung kann bisher noch nicht gesprochen werden.

Veranstalter der Tagung waren die Deutsche Gesellschaft für Operations Research e.V. (DGOR) und die Gesellschaft für Informatik e.V. (Gl). Rund 100 Teilnehmer diskutierten mit neun Referenten die Frage, ob sich der PC als Werkzeug bei der Entscheidungsunterstützung für das Management, insbesondere aber in der Unternehmensplanung, durchsetzen wird. Die Veranstaltung wurde ergänzt durch ein Referat von Dr. Theo Lutz, IBM Stuttgart, über "Tendenzen im Personal Computing aus Benutzersicht".

"Einzelkampf" versus Schützenhilfe

Im einleitenden Grundsatzreferat Erfordert der PC ein neues Methodenverständnis?" (Professor Stahlknecht, Osnabrück) wurden die wichtigsten Aspekte des PC-Einsatzes für die Entscheidungsunterstützung herausgearbeitet: Organisatorisch stehen - wie auch bei anderen PC-Anwendungen - die Lösungen "stand alone" oder "PC/Host-- zur Auswahl, wobei sich die zweckmäßigste Einsatzform aus der Struktur, dem Volumen, der Aktualität und der Verfügbarkeit der benötigten Daten sowie aus der Komplexität und der Größe der benutzten Programme bestimmt.

Tendenz zu Wegwerfmodellen

Methodisch kann man speziell für die Entscheidungsunterstützung zwar nach wie vor klassische OR-Modelle verwenden (entweder auf dem Mainframe mit Datenaufbereitung und -auswertung per PC oder mit "heruntergezogener" OR-Software ausschließlich auf dem PC), die Tendenz geht aber eindeutig in die Richtung einfacher "Wegwerfmodelle" auf der Basis von Planungssprachen und Tabellenkalkulationsprogrammen. Zusätzlich spielt bei der Frage "PC und/oder Mainframe?" eine wesentliche Rolle, ob der Computereinsatz als fester Bestandteil in die zyklischen Planungsprozesse des Unternehmens integriert ist oder nur einmalig eine auf eine konkrete Entscheidung bezogene Modellrechnung unterstützt.

Die gesamte Vorgehensweise erläuterte Stahlknecht am Beispiel eines PC-Modells, das an seinem Lehrstuhl für die langfristige Verteilung der Hardware-Ressoursen der Bertelsmann Datenverarbeitung entwickelt wurde. Trotz des besseren Preis-Leistungs-Verhältnisses bei kleinen Zentralprozessoren kann im Großrechenbereich wegen der höheren Kosten für Peripherie, Linzenzsoftware, Personal und Räume die zentrale Lösung immer noch wirtschaftlicher als jede dezentrale sein.

Der PC-Einsatz für die integrierte Unternehmensplanung bei Brown, Boverie & Cie. (Dr. E. Alwers, Mannheim) nimmt zunächst das generelle Rationalisierungspotential jedes DV-Einsatzes für die Unternehmensplanung für sich in Anspruch. Der PC eröffnet dann aber die Möglichkeit zu individuellen Variantenrechnungen in den Geschäftsbereichen. Der Kombination von dBase III mit Pascal-Programmen wird im Hause BBC der Vorzug gegenüber integrierten PC-Paketen gegeben.

Bei der Stinnes AG (Referat "PC-gestützte Unternehmensplanung in einem divisionalisierten Mehrbereichskonzern" von O. Jaeckel, Mühlheim) wird der PC als Instrument gesehen, einen zentral vorgegebenen Planungsrahmen betriebswirtschaftlicher Kenngrößen in den Geschäftsbereichen individuell auszugestalten. Ein abgerundetes Planungs- und Kontrollsystem erscheint aber auf Dauer nur mit Hilfe der PC-Host-Verbindung realisierbar.

PC-Durchdringung des Planungsprozesses

Bei 3M erfolgt die "Umsatzplanung im Zusammenspiel Mainframe/PC mit Hilfe von Spreadsheet-Programmen" (Referat H. Fürstenwerth, Neuss). Umsatzdaten werden vom Zentralrechner zum PC transferiert, dienen dort als Basis für Forecast-Rechnungen, deren Resultate als Planzahlen zum Mainframe zurückgeschickt werden. Der weltweiten Entscheidung bei 3M für Lotus 1-2-3 gingen langwierige Auswahl- und Einführungsprozesse voraus. Die betriebswirtschaftliche Aussage kommt hier (wie auch bei BBC) vor der optimalen technischen Realisierung: Der Datentransfer erfolgt zur Zeit noch über Disketten.

Höhepunkt für die Verfechter klassischer OR-Verfahren im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung war zweifellos das Referat "PC-gestützte strategische Planung in einem Energieversorgungsunternehmen" (Dr. H.-M. Winkels, Wiesbaden). Bonner & Moore hat auf dem IBM AT Anwendungssoftware zur linearen Optimierung nach dem MPSX-Standard entwickelt, die in Verbindung mit dem Datenbankverwaltungssystem Informix zur langfristigen strategischen Planung eines spanischen Energieversorgungsunternehmens eingesetzt wird. Für die landesweite Distribution von Flüssiggas an 2000 Großverteiler werden Mengenströme, Kapazitätsauslastungen, Standorte und Investitionen optimiert. Zur Vorführung des Modells in Düsseldorf reichte sogar ein portabler PC aus.

Was für die Unternehmensplanung im Konzern gilt, läßt sich weitgehend auch auf den "PC-Einsatz im Rahmen der operativen Planung auf Werkebene" (Referat H. Stielow, Siemens Augsburg) übertragen: Die PC-Durchdringung des Planungsprozesses führt zu einer Vereinheitlichung in der Vorgehensweise bei allen an der Planung beteiligten Werkseinheiten. Allerdings treten bei der Zusammenfassung betrieblicher Teilpläne die Grenzen des PC-Einsatzes deutlich zutage.

Daß der PC auch in der Planung auf dem besten Wege ist, zu betrieblichen Anwendungen vorzudringen, die sich bisher dem DV-Einsatz verschlossen haben, zeigte das bei der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG) entwickelte "PC-Modell zur Projektion der Personalstruktur im Rahmen der Personalplanung" (A. Behling, Ottobrunn) Auf der Basis des vorhandenen Personalbestands und unter Vorgabe einer gewünschten Altersverteilung werden zukünftige Personalstrukturen in unterschiedlichen Aggregationen (Mitarbeitergruppen, Unternehmensbereiche) projiziert. Einschränkende Voraussetzung ist die relativ homogene Mitarbeiterqualifikation bei IABG.

Flexible DV mit Mikro für Nichtspezialisten

Die zwei abschließenden Referate befaßten sich mit der PC-gestützten Projektplanung, und zwar bei Standard Elektrik Lorenz (Dr. H. Dörner, Stuttgart) und bei Reemtsma (R. Freihalter, Hamburg). DV-gestützte Projektplanung, insbesondere mit Hilfe der Netzplantechnik, gibt es bekanntlich seit mehr als 20 Jahren. Der PC-Einsatz bringt hier zusätzlich die bekannten Vorteile des Mikrocomputers, zum Beispiel flexible Datenaufbereitungs- und -auswertungsmöglichkeiten für Anwender in den Fachabteilungen, die nicht DV-Spezialisten sind.

Das beste Programmpaket kommt aber, wie die Erfahrungen bei Reemtsma mit MS-Project von Microsoft zeigen, nicht am Betriebsrat vorbei, der auch PC-gestützte Software zum Projektmanagement nach ° 87 (1), 6 BetrVG als "technische Einrichtung ansieht, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen". Das Ergebnis sind oft Kompromisse, die die Absicht einer wirksamen Projektkontrolle ad absurdum führen.

Allmählicher Abbau der Akzeptanzhürden

Fazit der Veranstaltung: Computergestützte Planung und Entscheidungsvorbereitung waren lange Zeit Stiefkinder des DV-Einsatzes. In Verbindung mit einfach zu handhabender Software (Tabellenkalkulationsprogramme, Planungssprachen) baut der PC allmählich die Akzeptanzhürden auf diesem Anwendungssektor ab. Die Abschlußdiskussion gab Anregungen für die Behandlung offengebliebener Fragen auf späteren Fachtagungen, beispielsweise über Realisierungen im Netzverbund und über Datensicherungsmaßnahmen. Die Planung in den Unternehmen ist aufgrund des PC-Einsatzes überall dort im Umbruch, wo sie bisher schon computergestütztes vorgenommen wurde. Von einem Durchbruch zur PC-gestützten Planung auf breiter Front kann - trotz vereinzelter gegenteiliger Meinungen - jedoch bisher noch nicht gesprochen werden.