Neue Speichertechnologien/Trotz günstiger Prognosen

Noch kein dringender Bedarf für DVD auf dem Virtualienmarkt

28.08.1998

Kaum ein anderer Bereich aus Unterhaltungs- und Informationstechnik hat in den neunziger Jahren soviel Aufmerksamkeit erregt wie Multimedia. Gerade hatte das Baby das Licht der Welt erblickt, schon wurde es von jedem Hersteller in Beschlag genommen. Während zunächst die Technikverliebten das Feld für sich reklamierten, rückte allmählich auch der gewöhnliche Anwender in den Blickpunkt: Was bringt ihm die multimediale Welt?

Heute ist der Ton ruhiger geworden. Multimedia ist in vielen DV-Systemen etabliert. Nunmehr konzentriert sich alles auf das Internet und seine vielfältigen Ableger. Hier gilt es die Akzeptanz der Manager zu gewinnen, die allerdings vorsichtiger geworden sind: Zu oft haben sie in immer neue DV-Heilsbringer investiert, ohne daß etwas Zählbares dabei herausgekommen wäre.

Verglichen mit der von manchen Fachmedien vorgegaukelten Welt sieht die Realität anders aus: Online-Manager lassen sich graue Haare wachsen, weil auf dem Information-Highway nur World Wide Waiting angesagt ist. Angesichts der Scharmützel zwischen Internet-Providern und Netzanbietern geraten die erhofften Kosteneinsparungen zum frommen Wunsch. Last, but not least fördern immer neue Technologien das Durcheinander.

Dennoch - online bieten sich viele erfolgversprechende Ansätze. Allein der Blick auf die unternehmensweite Weiterbildung läßt erahnen, was sich alles einsparen läßt. Das Tutorial per Mausklick gehört - siehe Siemens-Nixdorf - in vielen Firmen bereits zum Alltag. Auch in der Hochschulszene bieten sich interessante Perspektiven, den Vorlesungsbetrieb zumindest teilweise ins Internet zu verlagern. Das Beispiel der Telearbeit zeigt, daß nicht nur Fixkosten eingespart werden können, sondern mit den neuen auch ungewohnte Kooperationsmodelle entstehen können.

Bisher dominiert aber unverändert der PC. Solange die mit allerlei Tand und technischem "Nice-to-have" aufgemotzten Maschinen nicht von den Tischen verschwinden, dürfte sich jegliche Netzstrategie schwertun. Der Anwender möchte auf seinen Desktop zwar nicht mehr verzichten, könnte ihn aber immer öfter zum Fenster hinauswerfen. Die Anzahl der unverschuldeten Fehler - wie die jedem geläufigen Systemabstürze - nimmt proportional zum Angebot neuer Feinheiten zu. Trotzdem gibt es für die Anwender scheinbar keinen Grund, von ihrer Haßliebe Abstand zu nehmen. Die Alternative Macintosh kommt nur für die wenigsten in Frage, obwohl dieses Gerät von den Unwägbarkeiten seiner PC-Konkurrenten weit entfernt ist.

Unter solchen Vorzeichen war es für die CD-ROM-Anbieter ein Kinderspiel, die Scheiben zu verbreiten. Sie profitierten vom PC-Boom. Seit den frühen neunziger Jahren verzeichnen die Hersteller von CD-ROM-Laufwerken exponentielle Wachstumsraten. Wie die Marktbeobachter von Frost & Sullivan ermittelten, soll der weltweite Umsatz mit optischen Speicherlaufwerken für CD-ROM, DVD-ROM, CD-R (read only), CD-RW (read and write), DVD-R/DVD-RAM, MO-Laufwerke (MO = magneto-optisch) und LFF (Large form factor) von 1,65 Milliarden Dollar im Jahr 1996 bis 2003 auf 5,7 Milliarden Dollar steigen. Bei einem Wachstum von jährlich 35 Prozent soll die jährlich verkaufte Stückzahl europaweit von 212 Millionen optischen Speichermedien auf das Vierfache zunehmen.

Mit der Weiterentwicklung der CD-Technologie erwarten die Experten eine atemberaubende Zunahme von Zugriffsgeschwindigkeit und Speicherkapazität. Den Markt ordentlich aufmischen sollen vor allem die speicherintensiven Digital Versatile Disks (DVDs). Auch die Entwicklung von den nur lesbaren Speichermedien (ROM-Disks) zu den wiederbeschreibbaren Disks und zu kombinierten Lese- und Schreiblaufwerken soll ihren Teil dazu beitragen. Frost & Sullivan erwartet, daß diese neuen Technologien die heutigen CD-ROM-Laufwerke bis zum Jahr 2003 völlig in den Hintergrund drängen. Vom Internet fürchten die Beobachter zumindest vorläufig keine ernstzunehmende Konkurrenz. Bisher seien die Online-Datenbanken einfach zu langsam.

Lese- und Schreiblaufwerke mit entsprechenden Geschwindigkeits- und Speicherzuwächsen sollen laut Jan ten Sythoff, Analyst von Frost & Sullivan, für ein kräftiges Wachstum sorgen. Aktuell beanspruchen CD- und DVD-Laufwerke einen Marktanteil von 83 Prozent. Speicher von zweimal 2,6 GB pro Silberling lassen auch bei großen Multimedia-Anwendungen und Datenbanken kaum Wünsche offen. Allein To- shiba rechnet bis zum Jahr 2000 mit rund 100 Millionen verkauften DVD-Laufwerken weltweit. Aktuell verfügbare Modelle taugen nicht nur zum Abspielen, sondern sind auch als aktive Speichermedien einsetzbar.

Welche Vorteile das mit sich bringen kann, zeigt das Beispiel von Klaus Ravenstein. Der Essener Fotograf verbringt viel Zeit an seinem Rechner, um seine Aufnahmen optimal auf den Druck vorzubereiten. Dazu steht ihm ein mit 233 Megahertz getakteter PC mit 192 MB Arbeitspeicher zur Verfügung, ein CD-Brenner von Yamaha, der in etwa 20 Minuten eine 650 MB fassende CD beschreibt, sowie als SCSI-Geräte (SCSI = Small Computer Systems Interface) jeweils ein Zip- (bis zu 100 MB Speicher) und ein Jaz-Laufwerk (rund 1 GB Speicher). Scans seiner digitalisierten Fotografien läßt Ravenstein in Düsseldorfer Lithoanstalten anfertigen; zum Transport der Daten verwendet er Jaz- und Zip-Medien.

Leistungserweiterungen ihren Preis nicht wert

"Rohlinge kosten mich nur noch zwei oder drei Mark das Stück", kalkuliert der Profi. Unabhängig von der Dateigröße kann er heute die volle Speicherkapazität von rund 650 MB in mehreren Etappen ausnutzen. "Wenn ich eine Vorlage retuschiere, kann ich immer wieder auf Vorversionen zurückgreifen, die bereits eingebrannt sind."

Vieles spricht laut Ravenstein für CDs. Zum einen ist das die Verbreitung von Laufwerken, auf die inzwischen jeder Anwender zurückgreifen kann. Dies habe erheblichen Einfluß auf die Kooperation mit anderen Fotografen oder Zulieferern. Andererseits nutzt Ravenstein die CD auch zum Sichern. Auf eine Silberscheibe speichert er alle drei Tage seine kompletten Bürodaten wie zum Beispiel die Kunden- und Lieferantenkorrespondenz sowie die laufende Buchhaltung: "In spätestens drei Minuten ist alles über die Bühne." Weil der Fotograf für die Bildbearbeitung große Reserven auf der Festplatte braucht, legt er den nicht unbedingt benötigten Datenbestand ebenfalls auf einer CD ab.

Es gibt aber noch Probleme. Ravenstein: "Das betrifft die Zip- und Jaz-Medien, die beide nicht selten wegen mechanischer Beeinträchtigung oder Verunreinigung von Lithoanstalten bemängelt werden. Zudem entpuppen sich die Brenner hin und wieder als Fehlerquelle, was auf bestimmte Treiber oder auf unterschiedliche Beschichtung der Datenträger zurückzuführen ist." Einen unmittelbaren Bedarf, auf DVD umzusatteln, sieht der Experte jedenfalls noch nicht. Den Prognosen der Hersteller sollte man aus seiner Sicht gelassen begegnen.

Damit bestätigt Ravenstein auch jüngste Analysen der Gartner Group. Sie warnt eindringlich vor dem Hype, der sich bereits abzeichnet und die Anwender irritiert. Professionelle Anwender sollten demnach bei herkömmlicher CD-ROM-Technologie bleiben oder auf vernetzte CD-Server oder die Jukebox zurückgreifen. Bis auf wenige Ausnahmen - insbesondere im Bereich der Medien, wo man auf hohe multimediale Datenvolumen angewiesen ist - sind die Leistungserweiterungen ihren hohen Preis nicht wert, urteilt die Gartner Group.

Voraussetzung für den Durchbruch der DVD-ROM sei ein Mindestangebot an entsprechender Business-Software, womit die Experten - mit Ausnahme von Software für Computer-based Training und wenigen Angeboten in Multimedia-Nischen - zumindest mittelfristig nicht rechnen. Für die Distribution von Business-Software reicht die Kapazität aktueller CD-ROMs vollkommen aus, was sich bis in die zweite Hälfte des Jahres 2000 auch nicht ändern dürfte, so die Gartner Group.

Anders sieht es bei Notebooks aus. Hier sind die besseren Geräte schon heute mit CD-DOM- Laufwerken ausgestattet. Mobile User mögen Multimedia. Gartner Group erwartet die ersten mit DVD-ROM ausgestatteten Modelle noch in diesem Jahr.

Angeklickt

Die nur lesbare Compact Disc (CD) hat ihren Siegeszug schon hinter sich. Ihren Nachfolgeprodukten bis hin zur fast beliebig oft neu zu beschreibenden Silberscheibe wird ein großer Markt prophezeit. Bisher halten sich Bedarf und Nachfrage aber in Grenzen.

Winfried Gertz ist freier Journalist in München.