Nixdorf: Warten auf PC

16.09.1983

Heinz Nixdorf hat mehr als jeder andere das Bild der bundesdeutschen Computerindustrie in den sechziger und siebziger Jahren geprägt: Technisches Feeling und unternehmerische Phantasie des Paderborner Patriarchen setzten Maßstäbe.

Wann immer sich die Branchenwetterlage änderte, stets erwischte der passionierte Segler den günstigsten Wind. Das war so, als er sich im November 1973 von der Service- Organisation Datel verabschiedete, in der sich- neben Nixdorf- Siemens, AEG und die Deutsche Bundespost zu gemeinsamem Innovationstraining auf dem Datenfernverarbeitungssektor zusammengefunden hatten.

Entgegen den Wunschvorstellungen der Mitgesellschafter, die sich von Online- Lösungen für Klein- und Mittelbetriebe das ganz große Geschäft erhofften (Stichwort "Computerleistung aus der Steckdose"), hatte der Selfmade- DV- Unternehmer die Marktchancen richtig eingeschätzt: Nicht die Service- Rechenzentren würden sich gesundwachsen, sondern die Anbieter von Kleincomputern, die Hersteller von Minis und Mikros.

Auch im Falle Telefunken Computer verstand es Nixdorf, rechtzeitig auszusteigen. Beabsichtigt gewesen war, mit staatlicher Förderung "deutsche" Großrechner zu entwickeln, die im Konzert der "Großen" (IBM, IBM und IBM) mitspielen konnten. Nicht Angst vor Big Blue bestimmte Nixdorfs Handeln, sondern die Erkenntnis, daß der Zug auf dem Gebiet der Mainframes für die deutsche DV- Industrie längst abgefahren war. Es ging um die simple Rechnung, ob man in die Terminalfertigung investieren oder Jumbo- Ambitionen nachhängen sollte- eine ökonomisch nicht zweifelhafte Frage. Mittlerweile haben sich die Westfalen zwar einen Unternehmensbereich zugelegt, der IBM- kompatible Mittelklassesysteme vermarktet, doch geht man nicht gegen den Marktführer an, fährt vielmehr gut in dessen Windschatten (Werbespruch der Paderborner: "Bleiben Sie bei IBM, kommen Sie zu Nixdorf").

Den richtigen Riecher hatten die Paderborner auch, als sie mit der Übernahme des US Terminalherstellers Entrex einen Brückenkopf nach Nordamerika schlugen, dem wichtigsten Computermarkt der Welt.

Jetzt sieht sich der bundesdeutsche Renommier- Computerbauer, was die Umsatzzahlen noch nicht zeigen, zunehmendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Der Markt wandelt sich. Die Mikros und Personal Computer (PC) sind im Kommen. Das tradierte Bild des typischen Nixdorf- Kunden, der MDT- Dienstleistungen mit Markentreue honoriert, beginnt zu verblassen. Schwachstellen werden sichtbar, die das Unternehmen in Gefahr bringen könnten. Der Produktlebenszyklus, etwa des Nixdorf- Bestsellers 8870, neigt sich unweigerlich dem Ende zu. Dilemma für Nixdorf: Mit PC- ähnlichen Nachfolgeprodukten würde man sich den eigenen MDT- Markt kaputtmachen. So hat denn die Nixdorf Computer AG, was ihre PC- Pläne betrifft, als einziger der großen DV- Anbieter bisher die Karten noch nicht auf den Tisch gelegt. Zwar gab es einschlägige Announcements, so auf der diesjährigen Hannover- Messe, aber viel Liebe hat Nixdorf den Personal Computern bisher noch nicht entgegengebracht. Der Firmenchef ist gleichwohl überzeugt, daß es für ihn im Mikrogeschäft, wenn er einsteigt, keine Probleme geben wird- nicht zuletzt, weil er seine Pappenheimer, die Händler, aus alten Zeiten kennt. Dennoch scheint fraglich, ob der Anschluß an die PC- Spitze, in der sich IBM breitgemacht hat, geschafft werden kann. Die Uhr steht auf Fünf vor Zwölf.