Nixdorf braucht Fortune

07.09.1984

Wenn es um "relations" geht, noch dazu um "public(e)", ist die Nixdorf Computer AG (NCAG) ohne Zweifel eine erstklassige Adresse. Da konnten Deutschlands DV-Entscheider - und solche, die sich dafür halten - vor kurzem gleich in mehreren Journalen die Erfolgsstory des Paderborner Computer-Patriarchen lesen (Nixdorf hier, Nixdorf da - Nixdorf in Amerika).

Neben den relationalen Geschichten über den Über-Unternehmer Heinz Nixdorf, den das US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" kürzlich zum besten Manager Europas kürte, sorgte vor allem die Börseneinführung der NCAG-Effekten für werbewirksame PR-Effekte. Die selbstbewußte Botschaft an die Adresse von Nixdorf-Kunden und solchen, die es werden sollen: Es muß nicht immer IBM sein.

Markige Sprüche wie "IBM folgt uns" (Manager-Magazin 8/1984) sollen die Nixdorf-Klientel einstimmen. Das ist nötig, denn mit vollmundigem Mittelstands-Marketing ist es nicht mehr getan. Das rührigste Marketing nützt freilich wenig, wenn Produkte nicht - oder mit Verspätung - zur Marktreife gelangen.

Beispiel 88BK (CW Nr. 35 vom 24. August 1984): Was hatten sich die Nixdorfer angestrengt, das multifunktionale Bürokommunikationssystem als wahre Wundermaschine in die Schlagzeilen zu kriegen. Nachdem feststeht, daß mit einer pünktlichen Freigabe Sense ist, das Gerät womöglich überhaupt nicht kommt, gerät Deutschlands bekanntester DV-Illusionist unversehens in die Defensive: "Computer-Weltklasse", die ihm kürzlich noch "DIE ZEIT" attestierte, konnte er bei der 88BK-Show nicht demonstrieren.

Nur eine vorübergehende Formschwäche? Ein Ausrutscher, der sich nicht wiederholen, der auch ohne ernsthafte Folgen für die Nixdorf-Geschäfte bleiben wird? Weil der Office-Automation-Markt eh noch nicht reif ist? So kann man es natürlich auch sehen (siehe "gute Adresse"). Man läge gewiß falsch, die 88BK-Geschichte als totalen Flop darzustellen: die Zerstörung eines Mythos. Einen Prestigeverlust bedeutet sie allemal, darüber kann selbst "DIE ZEIT" nicht hinweghelfen.

Ramba-Zamba gibt's nämlich auch bei der Auragen System Corp., dem amerikanischen Kooperationspartner von Nixdorf auf dem Gebiet der fehlertoleranten Systeme (Seite 1). Tandem hat hier einen Markt aufgerissen, der enorme Wachstumsraten verspricht. Als "lnformationssystem 8832" - mit Unix übrigens - wird die Gemeinschaftsentwicklung der ungleichen Partner hierzulande angeboten. Die Marketing-Strategie zielt eindeutig auf große IBM-TP-lnstallationen. Doch die Auragen-Entwickler haben offensichtlich die Software-Problematik unterschätzt.

"Wir sind unabhängig von amerikanischem Know-how", wollen die Fehlertoleranten aus Westfalen glauben machen, "die Produktion des Systems 8832 wird in den nächsten Wochen im Werk Paderborn beginnen." Ist doch ein Wort. Ob die Zielpersonen (IBM-Kunden!) allerdings mit dieser Erklärung zufrieden sein werden, steht auf einem anderen Blatt.

Es wäre nur konsequent, wenn sich die Interessenten daran erinnerten, was die Paderborner bei der Ankündigung der Systeme 88BK und 8832 versprochen haben. Sonderlich dramatisch müßte die ganze Sache für Nixdorf eigentlich gar nicht sein, wenn sie nicht verdeutlichte, wie wenig von Announcementsprüchen zu halten ist. Der Computermarkt braucht, wie gesagt, maßvolle Produktpolitik.Papiertiger: nein, danke.