ifcom-Ausstellung hält nicht, was Telecom-Kongreß verspricht:

Nicht einmal Ansätze des Büros der Zukunft

13.11.1981

KÖLN - Mit dem Ehrgeiz, führender Veranstaltungsort für Fachmessen der Informations- und Kommunikationstechnik zu werden, rief die Köln Messe eine neue Fachausstellung ins Leben: Vom 4. bis 6. November fand die ifcom statt, internationale Fachausstellung für Telekommunikation. Parallel dazu veranstaltete die Deutsche Telecom e. V. den Fachkongreß für organisierte geschäftliche Telekommunikation.

Wer geglaubt hatte, vierzehn Tage nach der SYSTEMS '81 in München wolle niemand schon wieder "in Systemen denken", wurde eines Besseren belehrt: Zumindest der Kongreß lockte laut Teilnehmerverzeichnis 750 Kommunikationswillige an, von 900 war bei der Eröffnung die Rede. Ein Mammutprogramm aus Symposien und Workshops, die teilweise parallel liefen, machte manchem Besucher Kopfzerbrechen bei der Zeitplanung. Strategische EDV-Konzeption, praktische Handlungs- und Organisationskonzepte, Sprach-, Daten-, Text- und Bildkommunikation, Bildschirmtext und Integration von Telekommunikationsformen, sind Beispiele aus dem Themenangebot.

Einer Verherrlichung des technisch Machbaren bauten die Referenten vor. Den noch begrenzten technischen Möglichkeiten wurden auch die organisatorischen Probleme, die ökonomischen Aspekte und die Akzeptanzschwellen der Betroffenen beigesellt.

Ayatollahs der Bürorevolution

Jürgen Mataré, MBB, tat gar das Büro der Zukunft als Schlagwort ab, das mehr verdecke, als es aufdecke "Nach der von den Herstellern von Großrechenanlagen gemeinsam mit den Theoretikern der Hochschule verbrochenen MlST-Euphorie haben die gleichen Prophetiker sich wieder von dem Undurchführbarkeitssyndrom erholt (10 Jahre!!) und sehen sich erneut als die Ayatollahs einer Bürorevolution."

Gemäß dem Motto "Eins nach dem anderen" empfiehlt Mataré, die Kommunikationshilfen zu einem bedarfsorientierten Arbeitsplatz zu kombinieren und die einzelnen Subsysteme bei Verbesserungen auszutauschen. Denn, so Dr. Bartsch, SCS, die Vorstellungen über zukünftige Telekommunikationsmöglichkeiten würden bei weitem den Entwicklungsstand heutiger Systeme und Dienste übersteigen: "Die Produkte decken bisher nur Teilbereiche der Kommunikation ab... Die Rationalisierungsmöglichkeiten sind begrenzt und für die einzelnen Unternehmen unterschiedlich."

Um so überraschender, daß es gerade für den stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Postverbandes "höchste Zeit" ist, "in die Verwirklichungsphase der Telekommunikation einzutreten, wenn der Personalaufwand und damit die Kosten der Verwaltung nicht weiter wachsen sollen". Die Verweigerung der Zustimmung zu Telekommunikation und Datenverarbeitung durch Gewerkschaften und Personalräte habe auf lange Sicht katastrophale Folgen. Es dürfe höchstens gebremst werden, bis Sozialpläne erstellt und abgewickelt sind.

Xerox: ab 82 Arbeitsstation

Gerhard Bernau, Rank Xerox, konstatierte einen Abfall der Produktivität in den Büros in den letzten Jahren. Daß diese aber steigerungsfähig sei, unterstrich er mit dem Hinweis auf eine multifunktionale Arbeitsstation, die ab 1982 auch in Deutschland verfügbar sein soll.

Nicht ganz uneigennützig beschrieb er diese Anlage so: "Durch 'Betätigen der entsprechenden Funktionstaste kann er (der Manager) das Dokument ablegen, verschicken oder kopieren, ohne seinen Schreibtisch zu verlassen. Auch kann er Informationen aus der Ablage abrufen, einen Bericht schreiben, überarbeiten und formatisieren, seine eigenen Diagramme einfügen, den Entwurf für die Überarbeitung elektronisch verteilen und das Ganze sofort drukken." Die Erstbenutzer hätten das "fast verführerisch" gefunden.

Keinerlei Verführung hinsichtlich der organisierten geschäftlichen Telekommunikation wurde jedoch der Ausstellungsbesucher ausgesetzt. Was im Kongreß besprochen wurde, davon war bei den Ausstellern nichts zu sehen. Einzelne Geräte wie Video-Terminal mit 132 Schreibstellen, Telex-Computer, Tintenstrahldrucker oder Textspeicher mögen Verbesserungen im Detail signalisieren, nicht aber neue Informationsqualität oder Bürostrukturen.

135 Aussteller aus 13 Ländern sollten gemeldet haben; längst nicht so viele waren erschienen. Auch nicht der Aussteller, der zeigen wollte, was "in Europa noch recht unbekannte Technik" sei, aber "in den USA bereits tausendfach in Anwendung": Geräte zur visuellen Telekommunikation, "Telebusiness" also, So bekamen die Zweifler auf dem Kongreß augenfällige Unterstützung, der Ausstellungsbeitrag konnte nicht einmal Ansätze eines Büros der Zukunft sichtbar machen.

Welch Wunder, wenn diese Thematik auch noch nicht im VDO dem Verband Deutscher Organisatoren aktuell ist; immerhin war er ja zugegen. Da liegt Mataré vielleicht

gar nicht falsch, wenn er noch mindestens ein Jahrzehnt veranschlagt, um das für das Büro der Zukunft nötige Heer an Organisatoren jeglicher Couleur zu rekrutieren.

Kongresse scheinen durchaus sinnvoll, wo Neuland aufzubereiten ist. Aber ist es denn schlichtweg auszuschließen, daß Worte durch praktische Anschauung unterstützt werden? Noch eine Zukunftsvision sei gewagt, sie könnte eine Chance für die ifcom sein: Auf Gemeinschauftsständen verschiedener Anbieter werden dem Fachbesucher realisierbare praktikable Konfigurationen und Organisationslösungen demonstriert. Da hätte er die große Idee im Kopf (Kongreß) und die kleinere, aber zukunftsweisende Anwendung vor Augen (Fachausstellung).

Aber Telecom und VDMA an einem Tisch, die einzelkämpferischen Anbieter an einem Tisch und die Deutsche Bundespost dazu - das geht vielleicht in der Theorie, (Kongreß), aber nicht in der Praxis (Messe und Markt).

*F. Jörgen Kamm, Bergisch Gladbach, ist Marketing-Berater EDV.