Services statt Produktgeschäft

Neustart: Divine will es nochmal wissen

15.08.2003
MÜNCHEN (CW) - Die einstmals größte Internet-Agentur Divine ist zerschlagen. Das Deutschland-Geschäft wird nun nach einem Management-Buyout fortgeführt.

Nach Monaten mit einer schlechten Presse, im zehrenden Kampf gegen die Insolvenz sowie kurz vor dem Fall in die völlige Bedeutungslosigkeit hat es Divine letztlich doch noch zu einer positiven Schlagzeile geschafft: "70 Arbeitsplätze in Hamburg gerettet", titelte das ortsansässige "Abendblatt" vergangene Woche. Derartige Meldungen kommen gut an in Zeiten der Krise. Zwar handelt es sich größtenteils um Kurzarbeitsstellen mit Gehaltsverzicht, aber der Bericht muss wie Balsam auch auf Divine-Geschäftsführer Thomas Notemann gewirkt haben.

Notemann, der schon seit Anfang der 90er Jahre in der Firma und ihren Vorgängern beschäftigt ist, erkaufte Ende Juli mit Eigenmitteln die Unabhängigkeit von der US-amerikanischen Mutter. Die Divine Inc. hatte im Februar Gläubigerschutz nach Chapter 11 angemeldet und war daraufhin Stück für Stück zerschlagen worden. In den nächsten Wochen, sagt Notemann, soll der Gesellschafterkreis um etwa acht Manager erweitert werden - nur um die Transaktion so einfach wie möglich zu halten, habe er den Buyout alleine umgesetzt. Externe Investoren seien willkommen.

Auch sonst ändert sich viel in der Company, die nach CKS und US Web, Marchfirst und Divine nun im September einen neuen, eigenen Namen erhalten soll. "Damit soll auch zum Ausdruck gebracht werden, dass wir uns künftig nicht mehr als Softwareanbieter, sondern als reiner Dienstleister verstehen", so Notemann. Dabei fokussiert sich Divine auf zwei Kernfelder: Enterprise-Content-Management (ECM) sowie Digital-Brand-Management. Unter Letzterem kann man die Konzeption, die Architektur und das Design von Websites - intern wie extern - verstehen.

Eigene ECM-Lösungen will das Unternehmen anders als früher nicht mehr verkaufen. Nun sollen Anwendungen von Anbietern à la Imperia, Vignette, Coremedia oder Infopark implementiert werden. Der ECM-Markt sei nämlich beileibe nicht tot, glaubt Notemann. Zwar gebe es zu viele Produktanbieter, aber die Kunden würden oftmals Software-"Relikte" aus den Boom-Jahren vor sich herschieben, die es künftig zu standardisieren gelte. Effizienz steigern geht momentan vor Umsatz steigern.

Im ersten Halbjahr hat Divine etwas über vier Millionen Euro umgesetzt, berichtet der Geschäftsführer. Für das Gesamtjahr rechnet das Unternehmen mit Einnahmen von rund acht Millionen Euro bei schwarzen Zahlen. Notemann, der sich in seiner Nische als Marketing-Systems-Integrator wohlfühlt, schätzt das Nachfragevolumen für derartige Dienstleistungen in Deutschland auf 500 Millionen Euro pro Jahr. Mit einem Umsatz von acht bis zehn Millionen Euro hänge man daher nicht allein vom Wachstum des Marktes ab, sondern könne auch auf Kosten der Wettbewerber zulegen.

Vom Kauf- und Fusionsrausch der Vergangenheit sagt sich Notemann indes los, sprunghaftes Wachstum sei nicht angestrebt. Schon damals habe die "Akquisitionsmanie" zu Anpassungsproblemen geführt, sowohl in den Geschäftsprozessen als auch in der Firmenkultur. Die Liste der Ex-Kunden sei dabei immer länger geworden. Nun will sich Divine auf zehn Unternehmen konzentrieren, die der Firma in der Vergangenheit trotz der Insolvenzen von Marchfirst und Divine die Stange gehalten haben. Zuzüglich ein bis zwei Neukunden im Jahr sollten es außerdem sein. (ajf)