Beispiele aus der Wirtschaft dienen den Behörden

Neuorganisation stärkt Fachbereichsstellung

07.12.1984

Ein großer Schritt zu einer umfassenden und wirtschaftlichen Bürokommunikation kann nach Meinung des Autors Paul Drechsel* vom Bundesverwaltungsamt nur dann getan werden, wenn die Zuständigkeiten im Behördenbereich für die Bürokommunikation so geregelt werden, wie es für eine ganzheitliche Betrachtung notwendig ist. Darüber hinaus sollten die Zuständigkeiten der Fachbereiche für die eigene Organisation erweitert werden. Die Möglichkeiten des Einsatzes von Standardsoftware in diesem Bereich müssen ebenfalls abgecheckt werden, um zu sinnvollen Ergebnissen zu gelangen.

Der Begriff "Bürokommunikation" wird hier für den gesamten Kommunikationsprozeß im Büro, wie er beispielsweise für eine Vorgangsbearbeitung abläuft, verwendet. Betrachtet werden muß er von der Quelle bis zur Senke über alle beteiligten Hierarchie-Ebenen und Organisationseinheiten hinweg. Der Kommunikationsprozeß setzt sich aus mehreren Phasen zusammen:

Denkinhalte werden dargestellt, formatiert, geordnet, korrigiert, auf einen Informationsträger geschrieben, gezeichnet oder gesprochen, sodann möglicherweise bearbeitet, abgespeichert und übertragen. Beim Empfänger der Information vollzieht sich ein analoger Prozeß.

Als Beispiel sei die Erteilung einer bestimmten Art von Sichtvermerken angeführt. Der Teil des Arbeitsablaufes hierzu, der in

Bild 1 dargestellt ist, berührt die Botschaften und das Bundesverwaltungsamt.

Der Arbeitsablauf - Stand 1982 - war überwiegend herkömmlich organisiert. Botschaften und Bundesverwaltungsamt kommunizierten allerdings mit Telex; überprüft wurden die Anträge durch eine Datenbankabfrage. Der Arbeitsablauf sollte durch Mikrocomputer verbessert werden. Dazu war eine Gesamtbetrachtung nötig.

Abgesehen von der generellen Zuständigkeit des Organisationsreferats, hatten für die einzelnen Aufgabenbereiche verschiedene Stellen organisiert, so den Aufgabenbereich Fernschreibstelle, das Referat Innerer Dienst, oder die Registratur und das Organisationsreferat.

Jede Stelle organisiert vorzugsweise aus ihrer Sicht. Die Summe aller so erreichbaren optimalen Teilregelungen stellt aber keineswegs das Optimum für den Gesamtarbeitsablauf dar. Das gilt bereits für die herkömmliche Organisation. Verstärkt gilt es jedoch bei modernen Techniken der Bürokommunikation, bei denen bisher selbständige Technikbereiche zusammengewachsen sind.

Es wäre denkbar, einen Informationsmanager einzusetzen, der über allen beteiligten Stellen steht und koordiniert. Jedoch reicht bei den vielgestaltigen Problemen eine Koordinierung nicht aus. Die ganzheitliche Betrachtung wird nur sichergestellt, wenn die Planung für den Gesamtablauf in einer Hand liegt. Diese Aufgabe kann deshalb nur das Organisationsreferat wahrnehmen, zu dessen originären Aufgaben ohnehin die Ablauforganisation gehört.

Nach Neuorganisation der Sichtvermerkserteilung zeigt sich, daß der gesamte Arbeitsablauf innerhalb des Bundesverwaltungsamtes nur noch den Fachbereich berührt. Das ist eine Entwicklung, wie sie sich künftig immer häufiger ergibt.

Deshalb sollte bei dieser Sachlage erneut gefragt werden, wer für die Arbeitsabläufe zuständig sein soll. Es spricht vieles dafür, daß das der Fachbereich sein sollte. Die Kommunale Gemeinschaftsstelle, Köln, vertritt diese Ansicht seit langem. Als Vorteil möchte ich hier nur die notwendige schnelle Anpassung an Änderungen zum Beispiel der verordnungsmäßigen Grundlagen erwähnen, die durch diese Lösung möglich wird.

Zuständigkeiten streng begrenzen

Die Zuständigkeiten müßten aber auf die Organisation innerhalb des Fachbereichs streng begrenzt bleiben. Im Fall der Sichtvermerkserteilung zum Beispiel müßte das Organisationsreferat Zuständigkeiten behalten, weil der Arbeitsablauf in andere Behörden hineinreicht. Es müßte nicht nur tätig werden, wenn die Schnittstellen zu anderen Dienststellen oder Behörden betroffen sind sondern auch wegen der Gesamtsicht, wenn wesentliche Änderungen innerhalb des Fachbereichs für notwendig gehalten werden.

Eine Aufgabenverteilung, die dies berücksichtigt, hat die VAG Wolfsburg eingeführt (siehe Bild 3). Für die speziellen Arbeitsabläufe in den Fachbereichen einschließlich der Programmierung sind die Fachbereiche selbst zuständig, für die fachbereichsübergreifende Bürokommunikation dagegen die Organisationsabteilung.

Jede Verwaltung, die Bürokommunikation einführen will, möchte - wenn es eben geht - Standardsoftware verwenden. Gute Voraussetzungen dafür scheinen vorzuliegen, denn der Markt bietet eine nicht überschaubare Fülle von Software.

Neben Branchensoftware gibt es auch fachneutrale Programme, wie zum Beispiel für

- Textverarbeitung,

- Verarbeiten numerischer Daten im Dialog und

- Handhabung strukturierter Daten.

Die Auswahl von passenden Programmen erfordert viel Erfahrung und ist sehr aufwendig. Ein Programm für die Textverarbeitung könnte beispielsweise die anspruchsvolle Schreibkraft zufriedenstellen, für den Sachbearbeiter der gleichen Dienststelle könnte es dagegen zu kompliziert sein. Ein anderes Programm für die Textverarbeitung könnte für den Sachbearbeiter ausreichend komfortabel und gut handhabbar sein. Die Schreibkraft könnte damit aber möglicherweise ihre Aufgaben nicht erfüllen und anspruchsvolle Auftraggeber nicht zufriedenstellen. Oft ist es notwendig, daß in individuelle Briefe Daten aus der Datenbank einfließen. Die Programme für die Textverarabeitung und für die Datenbank müssen also miteinander im Verbund arbeiten. Meist können sie das aber nicht.

Oft können Programme irgendwelcher Art zwar die gestellten Aufgaben erfüllen, sie passen aber nicht genau zu den vorhandenen Arbeitsabläufen. Das braucht nicht immer ein Mangel zu sein.

Recht häufig und meines Erachtens zu schnell ist die Aussage zu hören: Wenn keine passende Software zu finden ist, dann programmieren wir eben selbst. Da aufgegeben, die die heutige Entwicklung bietet. Und daß selbst erstellte Programme optimal sind, ist keineswegs selbstverständlich. Spezialsoftware zu erstellen ist teuer und erfordert einen großen Zeitaufwand. Bereits jetzt gibt es bei fast allen Behörden Engpässe beim Programmieren. Wir sind deshalb auf die Verwendung von Standardsoftware angewiesen.

Um sie sicher auswählen zu können, sind mit großer Sorgfalt Pflichtenhefte aufzustellen, nachdem vorher die Arbeitsabläufe überprüft und optimiert worden sind.

Der Prozeß der Auswahl könnte vereinfacht werden, wenn es gelänge, "Branchensoftware" für die öffentliche Verwaltung zu schaffen. Es gibt in der Verwaltung typische Arbeitsabläufe. In ihnen sind jeweils die einzelnen Funktionen und auch manchmal Funktionsfolgen gleich, obwohl die Aufgaben, die mit ihnen erfüllt werden, ganz unterschiedlich sind. Zum Beispiel ist eine Karteikarte, die von Bewerbern die persönlichen Daten und die Qualifikationsmerkmale enthält, im Prinzip in gleicher Weise aufgebaut wie eine Gerätekarte. Das Heraussuchen von Bewerbern nach bestimmten Qualifikationsmerkmalen geht in gleicher Weise vor sich wie das Heraussuchen von Geräten, die einen bestimmten Instandsetzungsaufwand überschritten haben. Der Brief an den Bewerber, in dem ein Verwendungsvorschlag gemacht wird, enthält Textbausteine, individuellen Text und Daten aus der Datei ebenso wie eine Aussonderungsverfügung oder eine Angebotsaufforderung. Die Aufgaben sind grundverschieden; die Arbeitsmittel und Funktionen können jedoch gleich sein.

Für den hier skizzierten Typ eines Arbeitsablaufs ist nun ein Paket fachneutraler Standardsoftware zusammenzustellen. Es muß ein Textverarbeitungsprogramm enthalten aber nicht irgendeines. Es sollte Textverarbeitung ermöglichen, wie sie bei diesen Arbeitsabläufen benötigt wird - möglichst nicht mehr! Die Bedieneroberfläche muß den Kenntnissen und Fertigkeiten angepaßt sein. Die Datenbank muß die vorgesehene Verarbeitung mit einem annehmbaren Zeitverhalten realisieren können (was sie sonst noch kann ist nicht von Interesse oder nicht erwünscht). Die einzelnen Programme müssen im Verbund arbeiten können. Einfache Änderungen oder Aktualisierung der Datensätze und Abfragen müssen in einfacher Weise von einem beauftragten Bearbeiter ausgeführt werden können.

Nur wenige Softwarepakete erfüllen die hier grob beschriebenen Forderungen. Die Auswahl einer geeigneten Software aus dem großen Angebot erfordert viel Zeit. Wenn sie aber von vielen Behörden genutzt wird, dann wäre der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen gewiß gering.

Nun hat die Bundesstelle für Büroorganisation und Bürotechnik mit der ersten von ihr ausgesuchten Standardsoftware Erfahrungen gemacht. Nachdem sie interessierten Verwaltungen vorgestellt war, prüften diese, ob die Software alles erfüllt, was jetztr manuell gemacht wird. So wird auch oft verfahren wenn den Fachbereichen Programme der Groß-DV zur Abnahme vorgestellt werden.

Diese Art der Prüfung führt aber dazu, daß letztlich die Arbeitsabläufe unverändert, wie gewachsen und mit manchen Mängeln, aber automatisiert ablaufen. Die Möglichkeit zur Bereinigung eines schlechten Ist-Zustandes wird so nicht wahrgenommen. Aber auch die vielen Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsabläufe, die moderne Bürokommunikation unmittelbar oder mittelbar bietet, bleiben ungenutzt. Diese Möglichkeiten können oft nur realisiert werden, wenn von der herkömmlichen Denkweise abgegangen wird, die durch die manuelle Arbeitsweise geprägt ist.

Eine von der Bundesstelle ausgewählte Standardsoftware für die Auswahl und Einstellung von Bewerbern paßt für einen sorgfältig optimierten Arbeitsablauf. Sie wird hier an einem autarken, Teletex-Fähigen Einzelplatz vorgeführt. Sie läuft mit einem Betriebssystem der Firma Compucorp (alphatext). Die BBB wählt.momentan Software für die gleiche Aufgabenstellung, aber für andere Betriebssysteme aus.

Weitere typische Arbeitsabläufe der öffentlichen Verwaltung, für die Standardsoftware gesucht wird, sind beispielsweise die Antragsbearbeitung und formalisierte Entscheidungsfindung, oder das Einziehen von Gebühren, die Eingangsüberwachung und Mahnung.

Gewiß gibt es solche Software am Markt. Es ist aber zu prüfen, wie brauchbar sie für die Verwaltung ist, und insbesondere, ob sie in Zusammenarbeit mit anderen Programmen eingesetzt werden kann.

*Paul Drechsel, ehemaliger Programmdirektor, Bundesverwaltungsamt/Bundesstelle für Büroorganisation und Bürotechnik, Köln