Neun Anbieter gruenden die Open Applications Group Standardsoftware soll endlich offener werden

03.03.1995

MUENCHEN (hv) - Anwender erwarten Offenheit nicht nur von Systemsoftware oder Datenbanken - sie fordern auch offene Anwendungssoftware. Ihr Protest gegen proprietaere Applikationsstrukturen findet jetzt Gehoer: Neun der weltweit groessten Standardsoftware-Anbieter entwickeln in der Open Applications Group (OAG) Spezifikationen, um die Interoperabilitaet von Standardsoftware zu gewaehrleisten.

Kunden sollen die Moeglichkeit erhalten, je nach Bedarf die funktional besten Produkte auszuwaehlen und ohne grossen Programmier- und Kostenaufwand miteinander zu verbinden. Paul Margolis, President der Marcam Corp. und Chairman der OAG, beschreibt die hochfliegenden Plaene: "Die OAG hat das Ziel, ihre Kunden in die Lage zu versetzen, Programme miteinander zu koppeln, ohne dass auf Integrationsvorteile verzichtet werden muss."

Zunaechst verfolgt die Gruppe jedoch ein pragmatischeres Ziel: Sie will die Produkte ihrer Mitglieder durch die Unterstuetzung entsprechender Spezifikationen offener gestalten. Verbesserte Connectivity-Eigenschaften und Loesungen zur einfachen Datenuebernahme zwischen den Programmen der OAG-Mitglieder sollen schon bald verfuegbar sein. Zu diesem Zweck werden sogenannte Open Application Integration Standards entwickelt, deren Beruecksichtigung nicht nur ein besseres Zusammenspiel von Softwarekomponenten, sondern auch das Einbinden von Individualprogrammen der Anwender gewaehrleisten soll. Das vielversprechende Motto der OAG lautet: "Wahlfreiheit fuer den Kunden." Er soll das jeweils beste Produkt einsetzen koennen.

Bei der Benutzung von Softwarekomponenten, die dem OAG-Standard entsprechen, soll der Anwender keine Nachteile gegenueber den integrierten Produktwelten einzelner Hersteller erleiden. Ob jedoch Anspruch und Wirklichkeit - wie so oft bei IT- Herstellergremien - auseinanderklaffen, haengt wesentlich von der Loyalitaet der Hersteller gegenueber der Organisation ab.

So ist die Frage offen, ob Generalisten wie SAP, Oracle, Dun & Bradstreet oder Peoplesoft bereit sind, ihren ganzheitlichen Ansatz aufzugeben und die Einbindung alternativer Loesungen in ihre proprietaeren Softwarewelten aktiv zu unterstuetzen. Kritiker argwoehnen schon im Gruendungsstadium der OAG, dass es einigen Mitgliedern letztlich nur darum gehe, die Aktivitaeten der Wettbewerber zu kontrollieren.

Chairman Margolis betont, die Kooperation komme auf Wunsch der Kunden zustande - Handlungsbedarf scheint vor allem bei den Banken zu bestehen. "Wir waren ueberrascht, wie viele Firmen uns erzaehlten, sie benoetigten die Open Application Integration", referiert der Marcam-Chef Erfahrungen, die man in der mehrmonatigen Gruendungsphase gemacht habe. Die OAG wolle schnell und pragmatisch arbeiten, um innerhalb kuerzester Zeit verwertbare Ergebnisse in Form von Integrationsstandards zu erzielen.

Die langfristigen Plaene sind darauf ausgerichtet, die Software- Industrie auf die Einhaltung von Standards zu verpflichten, damit Kunden die verschiedenen Spezialloesungen zu einem Gesamtsystem konfigurieren koennen. Dabei duerfte sich die OAG nicht nur mit Spezifikationen, sondern auch mit einer kompatiblen Gestaltung der Anwendungslogiken vorhandener Produktwelten beschaeftigen. Auf der technischen Ebene ist eine enge Kooperation mit der Object Management Group (OMG) geplant. Die Entwicklung objektorientierter Messaging-Standards wird langfristig eine wesentliche Voraussetzung fuer die Realisierung der Open-Application- Integration-Idee sein.

Wer ist die OAG?

Die Mitgliedschaft in der OAG als "Corporate Member" steht Softwarehaeusern und Unternehmen offen, die jaehrlich mehr als 25 Millionen Dollar mit der Vermarktung von Anwendungssoftware und - services umsetzen. Einnahmen von jaehrlich fuenf Millionen Dollar reichen aus, um als "Associate Member" akzeptiert zu werden. Die OAG wird ihre Integrationsspezifikationen an interessierte Unternehmen und Organisationen gegen eine noch festzulegende Gebuehr lizenzieren. Von den Einnahmen und den Mitgliedsbeitraegen will man die Arbeit finanzieren. Folgende Firmen sind in der Organisation vertreten:

American Software, The Coda Group, Marcam Corp., Dun & Bradstreet Software, J.D. Edwards & Co., Oracle, Peoplesoft, SAP AG, Software 2000.