Change-Management mit Hindernissen

Neulich in…einer schwedischen Kleinstadt

20.07.2010
Von Amel Karboul
Nach einem Zwischenstopp in Kopenhagen lande ich in einer kleinen schwedischen Stadt und treffe dort den internen Projektleiter, um die Großveranstaltung, die ich am nächsten Tag moderiere, zu besprechen.
(Foto: Heinz Schiffer/Fotolia.com)
(Foto: Heinz Schiffer/Fotolia.com)
Foto: Fotolia.com/Heinz Schiffer

Das Unternehmen hat eine größere Reorganisation hinter sich sowie eine Einführung neuer zentraler IT Systeme. Die Veranstaltung mit 350 Mitarbeitern und Führungskräften des Standorts dient dazu, diese Veränderungen und ihre Implementierung im Dialog zu reflektieren.

Am Vorabend zeigt mir der Projektleiter seine Präsentation. Nach der dritten Folie frage ich ihn verunsichert, ob die Präsentation auf Schwedisch sei. Er: "Die ganze Veranstaltung ist auf Schwedisch." Ich schaue ihn an, er mich ... nach einer gefühlten Ewigkeit teile ich ihm mit: "Ich spreche leider kein Schwedisch. Die Vorbereitungen liefen doch bisher auf Englisch." Er kleinlaut: "Daran habe ich nicht mehr gedacht." Interessanterweise überkam mich eine unendliche Ruhe und Gelassenheit.

Ich sprach dann Englisch, der Projektleiter übersetzte meine Fragen und Übungsansagen. Es gab allerdings keine Rückübersetzung. Eigentlich nicht praktikabel. Wie es dennoch funktionierte, erläutere ich an zwei Beispielen:

1. Wir benutzten viele Skalierungsfragen, zum Beispiel: Wie weit ist das neue IT-System implementiert von eins bis zehn - eins heißt gar nicht, zehn voll und ganz. Dann teilten wir die Gruppen so, dass Mitarbeiter mit unterschiedlicher Meinung miteinander diskutierten, damit wir verstanden, woran die unterschiedliche Bewertung lag.

2. Ich vertraute viel mehr auf meine Intuition. Dadurch, dass ich meine Ohren abschaltete, konnte ich viel mehr sehen. Ich achtete auf die Körpersprache. In einer Dialogrunde fiel mir Unruhe in einer Ecke des Raumes auf - ernste Gesichter, Stirnrunzeln, zusammengebissene Zähne. Ich bat den Projektleiter, mit mir hinzugehen und nachzufragen. Daraus entstand eine heftige und fruchtbare Diskussion über den Sinn der Veränderungen. Es werde gemunkelt, dass sie nur der Zentrale in Frankreich nützten und am eigenen Standort bloß Schaden anrichteten. Ich fragte dann in die Runde: "Anybody else shares what have been said in the last five minutes?" Und siehe da, ein Drittel der Teilnehmer hob die Hand. So entschieden wir, die Agenda zu ändern und eine offene Frage-und-Antwort-Runde zwischen Führungskräften und Mitarbeitern zuzulassen, die die Schattenseiten der Veränderung nochmals aufgriff, aber auch die Vorteile ansprach.

Schließlich fragte ich mich, was ich von dieser Tagung gelernt habe: Vielleicht zeigte sie mir den tiefen Kern meines Berufs als Coach und Moderatorin: Unsichtbares durch Beobachtung sichtbar zu machen und gute, hilfreiche Fragen zu stellen. Für mich war es eine Lektion im Loslassen, im Akzeptieren des nicht Perfekten, mich der Angst des Versagens zu stellen und sie somit zu besiegen.

Amel Karboul ist Management-Coach in Köln.

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