Neujahrsvorsatz: Therapie des Tik-Ticks

14.01.1983

Als mir ein Branchenkollege kürzlich mitteilen wollte, daß eine Untersuchung des Sektors Büroautomation den vorübergehenden Stillstand im Teilbereich der Datenfernverarbeitung signalisiert habe, drückte er selbige Tatsache knapp und unklar folgendermaßen aus: "Die Diagnostik der Statistik über die aktuelle Bureautik beweist mangelnde Dynamik im Gebiet der Telematik."

Da wußte ich Bescheid. Nicht über das, was ist und was geschehen muß, sondern über die pathologischen Höhepunkte der technokratischen "déformation professionnelle". den sogenannten Tik-Tick.

Der Tik-Tick, das heißt die zwanghafte Modifizierung unschuldiger Vokabeln durch das Anhängen von "tik", "mik", "nik" und sonstige "iks"; klinisch Logopathie genannt, grassiert in der Computerwelt vorwiegend auf den Spielwiesen der harvardgeprägten Organisationslehre. Er nimmt in gleichem Maße zu, wie die langjährige "Management-by": Psychose zurückgeht. Zwar ist die Seuche harmlos und verschreckt höchstens mehrere hochschulfeindliche Endbenutzer - gleichwohl sollte man etwas dagegen unternehmen, damit wir auch diese Sprachentzündung schnell hinter uns kriegen, besonders jetzt, in der Konjunkturflaute, in der sich die EDV-Promoter der investitionsgebremsten Umwelt gegenüber möglichst unversnobt artikulieren möchten.

Wie tötet man den Trend? Was vermiest den Leuten dauerhaft die Suffix-Masche? Vielleicht der Hinweis auf die Russen? Daß die schuld sind, glaubt eh jeder - denn schließlich verstehen sich die Sowjetmenschen auf Polemik und Gymnastik, haben den Apparatschik und den Sputnik erfunden. Die Urheberschaft am Tik-Tick wäre ihnen zuzutrauen, zumal sie als Marxisten der Dialektik huldigen, was eine ganz schlimme Sache ist und nichts zu tun hat mit dem lustigen Tonfall des Bundesarbeitsministers bei Lohnpausen-Reden.

Trotzdem - das mit den Russen läuft nicht, denn die Franzosen, was ja unsere Freunde sind, pflegen einen noch viel heftigeren Tick: den Tique-Tick. Beispielsweise kommt die Bureautique, die Robotique, die Computer-Boutique - sogar die Périphérique (die auch eine Pariser Ringautobahn sein kann) aus der Asterix-Gegend. Dabei ist die Eleganz des Tique-Ticks in der Tat bestechend: Ein Wort wie "Télématique" (Made in France) verhält sich zur "Datenfernübertragung" wie Pierre Cardin zu Tante Emma.

Doch wie wird man den Tick los, wenn man ihn nicht als subversives Element entlarven darf?

Ich schlage vor, wir murksen ihn ab durch Überzüchtung, wir päppeln ihn hoch, bis er platzt. Das hat bisher bei den meisten elitären Wortekstasen geholfen. Wenn jeder tüchtig mitgurgelt, ist der Schaum bald fatal: Exitus durch Überfluß.

Setzen Sie also bitte im Jahr 1983 möglichst viele Ticks in Umlauf. Das funktioniert so: Man nehme die Fremdwortstämme einiger Banalausdrücke, kürze sie gut ab und versehe sie am Schwanz mit einem "ik". Wenn Sie also einem Hauptspeicher begegnen, der mehr als zwei Ausbaustufen aufweist, befördern Sie ihn zur "Multimodulik", eine Frankiermaschine plus Briefumschlag wird zur "Postalik", ein Diktiergerät mit Ohr zum Abhören zur "Audiohektik", die virtuelle Speichermethode verblüfft als "Infomystik" - und eine automatische Fehlerfernmeldung heißt selbstverständlich "Telepanik".

Die Grundlehre von den Firmenzusammenschlüssen läßt sich zutreffend als "Grundik" oder "Fusionik" ausdeutschen - nicht zu verwechseln mit "Konfusionik", was die Praxis jener Wissenschaft umschreibt.

Sobald Sie die Computerszenen durchgetickt haben, gehen Sie bitte auf die Dinge des Alltags über: Sprechen Sie von "Servofumatik", wenn Sie ihre Tischfeuerzeuge meinen, von "Panerotik", wenn Sie in freizügige Wohngemeinschaft leben - und von "Sexometrik", wenn dortselbst die Partnerkompatibilität ausgeforscht wird.

Sie sehen, der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Sie müssen sich allerdings davor hüten, die "Blabla" (organisatorische Stilkunde) ernst zu nehmen und in der "Banalytik" (akademische Analyse bestens bekannte Sachverhalte) mehr zu vermuten an den bereits erwähnten Versuch, ein bedauerliche sprachliche Degenerierung durch gezielte Hypertrophie von sätzlich zu liquidieren.

Wenn's gelänge, wäre dies es schöner Erfolg für die angewandt "Killerkomik" (humorige Sterbehilfe für Modetorheiten).