IT-Beratung/Für IT-Consultants sollte es heißen: Bangemachen gilt nicht

Neue und alte Business-Driver

30.08.2002
Katzenjammer herrscht in der IT-Branche allerorten - insbesondere unter den Beratern. Doch ungeachtet aller konjunkturbedingten Kassandrarufe wird effektives Consulting auch in Zukunft gefragt sein. Von Thorsten Düchting*

Das Problem ist hinlänglich bekannt: Die derzeit schwierige wirtschaftliche Gesamtlage zwingt die Firmen dazu, ihre Ausgaben zu verringern. Und die "Präferenzen" sind diesbeüglich eindeutig: Nach Angaben des Bundes Deutscher Unternehmensberater (BDU) nimmt der Marktanteil der IT-Beratungshäuser signifikant ab. Dennoch werden Anwenderunternehmen stets externe Berater benötigen, um auf technologische Entwicklungen und marktstrategische Veränderungen reagieren zu können.

Allerdings: Eine entscheidende Veränderung, die dieser Gesamtentwicklung Rechnung trägt, wird bereits in den Abrechnungsmethoden der Beraterleistungen deutlich. Schon früher erkennbare Tendenzen zu erfolgsbezogenen Honoraranteilen beziehungsweise zu mehr Transparenz und Messbarkeit der Leistungen haben sich verstärkt. Denn zwei zentrale Aspekte beherrschen derzeit die Wirtschaft: Kostenreduzierung und Umsatz- beziehungsweise Ertragssteigerung. Das schlägt sich auch in den IT-Projekten nieder. "Aufgrund des Kostendrucks sind Budgets und damit auch IT-Projekte gekürzt oder komplett gestrichen worden", so Martin Haas, Project Manager Consulting, IDC Central Europe. "Daher liegt einer der Trends nach wie vor bei der Konsolidierung und Kostenreduktion."

Allerdings darf man bei allem Lamentieren über das momentan katastrophale konjunkturelle Umfeld eines nicht außer Acht lassen: Nicht nur die veränderte wirtschaftliche Lage, sondern auch die Enttäuschung über die abgelieferte Leistung der Consultants hat die Einstellung vieler Entscheider verändert. Oft wird der Wirkungsgrad der Beraterleistung bemängelt. Selbst renommierte Beratungshäuser sind kein Garant für sinnvolle Konzepte und erfolgreiche Arbeit. Um die notwendige Glaubwürdigkeit nicht einzubüßen, setzt die Branche vermehrt auf die Einführung neuer Qualitätsstandards und standardisierter Prozesse im Bereich der IT-Beratung. Eine dieser reglementierten Vorgehensweisen ist die IT Infrastructure Library (Itil). Diese bezeichnet die Gartner Group "als einzige umfassend dokumentierte Methodik zum IT Service-Management". Bei Itil handelt es sich um ein Regelwerk, das sich aus einer Reihe von Modulen beziehungsweise Disziplinen zusammensetzt. Es beschreibt sowohl die einzelnen Bereiche der IT-Services, wie zum Beispiel das Problem-Management, als auch Schnittstellen zu den anderen Disziplinen der IT-Services. Unternehmen wird auf diese Weise neben einer effizienteren Nutzung ihrer IT-Ressourcen vor allem eine bessere Qualität gewährleistet.

Immer mehr Beratungshäuser lassen deshalb ihre Mitarbeiter in Itil zertifizieren, um ihren Kunden eine standardisierte Vorgehensweise bieten zu können. "Der Nutzen des Einsatzes von Itil ist darin zu sehen, dass hier eine systematische, professionelle Vorgehensweise für das Management von IT Prozessen angewandt wird", betont Rudolf Kuhn, Vorstand des Consulting-Unternehmens Avinci, das den Itil-Standard unterstützt. "Dies führt zu größerer Kundenzufriedenheit, Kosteneinsparungen durch weniger Aufwand bei der Entwicklung von Prozessen, Prozeduren und Arbeitsanweisungen sowie höherer Produktivität durch den gezielten Einsatz von Wissen und Erfahrung."

Outsourcing: Ein Geschäft für Berater

Immer mehr Unternehmen tendieren aufgrund des Kostendrucks auch in Richtung Auslagerung ihrer IT-Infrastruktur. Die Einstellung gegenüber dem "Klassiker" Outsourcing war früher von einer gewissen Reserviertheit geprägt, die vom Stolz auf die Effizienz der eigenen IT oder Definition der IT als Kernkompetenz getragen war. Besagter Kostendruck führt nun dazu, dass Unternehmen dem Thema plötzlich deutlich aufgeschlossener gegenüberstehen. Hartmut Götz, Leiter des Outsourcing-Bereichs für Zentraleuropa bei Cap Gemini Ernst & Young, sieht aber noch einen weiteren Beweggrund für die externe Vergabe Outsourcing-fähiger IT-Leistungen: "Unternehmen wollen die durch Outsourcing erzielten Einsparpotenziale bewusst für Modernisierungen der vorhandenen IT-Infrastrukturen einsetzen." Den IT-Consultants dürfte dies zumindest kurz- und mittelfristig eine Art Sonderkonjunktur bescheren. Denn in den meisten Fällen - und nahezu in jeder Phase eines Outsourcing-Projekts - ist die Zusammenarbeit mit erfahrenen Dienstleistern unumgänglich. Machen alle Beteiligten ihren "Job", kann sich also eine klassische "Win-win"-Situation einstellen: Das Outsourcing kann für den Anwender die IT-Kosten und den IT-Aufwand signifikant reduzieren - ein Trend, von dem wiederum die IT-Beratung nachhaltig profitiert.

Hoffnung kann sich die krisengeschüttelte Beraterzunft auch noch aus einem anderen Grund machen: Spätestens seitdem sich das Bundesinnenministerium dafür entschieden hat, Linux in den Behörden einzuführen, findet das Thema Open Source immer breitere Zustimmung. Die Produkte können frei genutzt und den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend angepasst werden. Daher sind Open-Source-Produkte nicht nur für Behörden und Konzerne, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen interessant.

Hoffnungsträger Open Source

Auch die IT-Consulter haben sich diesem Trend angeschlossen und entsprechende Dienstleistungen in ihr Beratungsangebot aufgenommen. Open-Source-Applikationen, beispielsweise im Bereich Content-Management, entsprechen zwar nicht den gleichen Ansprüchen wie kommerzielle Lösungen, können aber bei geringeren Anforderungen und vor allem im Zusammenspiel mit kommerziellen Produkten sinnvoll sein. Das eigentliche Umsatzpotenzial für IT-Consultants dürfte in diesem Segment vor allem in den Bereichen Service und Support liegen. Die Produkte müssen den individuellen Problemen und Ansprüchen der Kunden angepasst werden. Durch Open Source sparen sich IT-Entscheider zwar teure Lizenzgebühren, müssen aber einen Mehraufwand hinsichtlich Installation und Administration hinnehmen - ein weiterer "Business-Driver" für die IT-Berater.

Was bleibt also festzuhalten? In einer wirtschaftlich schwierigen Zeit von Trends zu sprechen ist in sich schon fast ein Widerspruch. Die Anwender haben - zumindest auf den ersten Blick - andere Sorgen. Dennoch gibt es Beratungshäuser, welche von der angespannten Marktsituation profitieren und durch einen entsprechenden Know-how-Transfer neue Umsatzpotenziale erschließen können. (gh)

*Thorsten Düchting ist freier Journalist in Wiesbaden.

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Sparen ist kein Selbstzweck. Dies gilt für die Anwender auch beim Thema IT-Beratung, wo derzeit die Bremsspuren, die die generelle Kappung aller IT-Ausgaben nach sich gezogen hat, besonders nachhaltig zu sehen sind. Doch alte wie neue Trends und Erfordernisse machen auch in Zukunft die Zusammenarbeit mit Beratungshäusern unumgänglich. Für die Consultants dürfte es aber dennoch heißen: Bescheidenheit ist das Maß aller Dinge.