Leasinggeber fürchten fallende Second-hand-Preise:

Neue IBM-Massenspeicher beleben den Markt

18.09.1987

PARIS (CWN) - Die in der vergangenen Woche vorgestellten Massenspeicher für IBM-Großrechner (siehe CW Nr. 37, Seite 20) werden voraussichtlich den derzeit schwachen Markt beleben. Diese Ansicht äußern jedenfalls europäische Analysten. In Erwartung einer Überarbeitung der Massenspeicher-Modellreihe hatten Anwender großer Systeme im Lauf des vergangenen Jahres ihre Einkäufe hinausgezögert. In der Zwischenzeit war der Bedarf nach Massenspeicherkapazität jedoch analog der verfügbaren Rechenleistung weiter angestiegen.

Wie Insider beobachtet haben, hat das Wachstum der Speicherkapazität in den Rechenzentren nicht Schritt gehalten mit der installierten Rechenleistung: Dividiert man die Anzahl des im Schnitt zur Verfügung stehenden Durchsatzes in MIPS durch die mittlere Speicherkapazität in Gigabytes, so ist im Lauf des vergangenen Jahres ein Absinken dieser Kennziffer zu beobachten. Jean Segonds, Marketingleiter der französischen Leasinggesellschaft ECS, siedelt deren Idealwert bei 4,5 an. Im Beobachtungszeitraum sei er auf etwa 3,5 abgesackt. "Ganz sicher benötigen große 3090-Anwender mehr Speicherkapazität und haben deswegen auf eine solche Ankündigung gewartet", erklärte Charles Dewater, Verkaufsleiter für die Leasing-Aktivitäten der Amsterdamer Econocom.

In dem Announcement hatte Big Blue zwei neue Festplatten der Baureihe 3380, drei neue 3990-Controller mit Cache-Speicher und einen Hochgeschwindigkeitskanal mit 4,5 Gigabyte je Sekunde vorgestellt. In dem neuen 3380-K-Modell ist mittels Dünnfilmtechnik und engeren Datenspuren eine Kapazität von 7,5 Gigabyte realisiert - 50 Prozent mehr als der Vorläufer 3380-E brachte.

Einer Schätzung zufolge sind weltweit rund 225 000 Einheiten der 3380-Familie installiert. In Europa haben die Auslieferungen von Hochkapazitäts-Plattenspeichern 1986 um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommenem Im Jahr davor habe das Wachstum noch 21 Prozent betragen, rechnete das Londoner Marktforschungsinstitut IDC Europe vor. Die geringere Steigerung in den Stückzahlen sei jedoch auch dadurch bedingt, daß die Kapazität je Einheit deutlich angestiegen sei und daher die Anwender mit weniger Einheiten auskämen. Die seit 1985 ständig sinkenden Preise für Gebrauchtgeräte deuteten jedoch auf eine insgesamt sinkende Nachfrage hin. Der Marktpreis für eine 3380-AA4 bewegt sich derzeit bei etwa 20 000 US-Dollar. Zum Vergleich: IBM gibt den Listenpreis für ein Neugerät mit rund 90 000 Dollar an. "Wenn der Markt bei den Stückzahlen auch eine gesunde Entwicklung zeigt, so kann man das für die Werte nicht behaupten", kommentierte ein Sprecher von IDC die Situation.

Die neuen Systeme, besonders das Laufwerk 3380-K, könnten leicht zur Bedrohung für einen lukrativen Geschäftszweig der Leasinggesellschaften werden. "Die Preise für Secondhand-Plattenspeicher werden dramatisch sinken", befürchtete Dewater. "Wenn die neuen Maschinen auf breite Akzeptanz stoßen, werden die Preise für die 'Altgeräte' sinken, und das bedeutet natürlich, daß auch die installierten Werte der Leasinggeber verfallen."

Unter technischen Gesichtspunkten fanden Beobachter den Cache Speicher der 3380-K mit seiner Kapazität von bis zu 256 Megabyte bemerkenswert. Das ist das Vierfache des bisherigen Umfanges. Die Kosten pro Gigabyte sanken um 65 Prozent. Die neuen 3990-Controller bieten, um die eingesetzten Investitionen zu erhalten, die Möglichkeit, auch die alten 3380-Platten anzusprechen. Umgekehrt lassen sich die neuen Laufwerk-Versionen J und K auch mit älteren Controllern betreiben.

Zum Kummer vieler Anwender bietet IBM jedoch keinen Wachstumspfad von den alten zu den neuen Platten an.