DV-Handel kommt nur langsam auf die Beine

Neue Firmen in Ostdeutschland müssen oft harte Nüsse knacken

22.03.1991

Von allgemeinen Startproblemen junger Unternehmen in den neuen Bundesländern ist viel zu hören und zu lesen - die wirklichen Schwierigkeiten aber werden oft nur am Rande angesprochen. Horst-Joachim Hoffmann* unterhielt sich für die CW mit Andreas Jaeck, Gründer und Mitinhaber der C-net Datentechnik GmbH in Ost-Berlin, über die Anfangsphase seines Unternehmens. Fazit: Initiative ist allemal gefragt und zahlt sich aus.

CW: Herr Jaeck, Sie begannen ihr DV-Handelsgeschäft in Ost-Berlin im März 1990, bevor die damalige DDR der Bundesrepublik beigetreten ist. Was führte zu Ihrem Entschluß, im PC- Vertrieb aktiv zu werden?

Jaeck: Ein bißchen war Zufall mit im Spiel. Wir hatten Bekannte in West-Berlin, die bereits in dieser Branche tätig und auch willens waren, uns Unterstützung zu geben. Zudem habe (...) vor der Wende als Service- und Wartungstechniker im Mainframe-Sektor gearbeitet. Aber als sich die ökonomischen Strukturen Anfgang des Jahres l990 zu ändern begannen, war es absehbar, daß viele Stellen in diesem Bereich gestrichen würden.

CW: Das Fachwissen war also vorhanden, und so wurde die Idee eines Computerhandels geboren. Wie stellte sich der damalige Markt dar?

Jaeck: Nun, zu diesen rein persönlichen Überlegungen kam noch hinzu, daß es zu der Zeit eine sehr große Nachfrage nach DV-Produkten - speziell Hardware - gab. Und es existierte eine starke Nachfrage nach West-Waren, da die Robotron-Produkte im Verhältnis sehr (...)oerteuert angeboten wurden. Mit Unterstützung unserer West-Berliner Freunde, die ein ähnliches Geschäft betreiben, konnten wir mehr Performance zu einem ähnlichen Preis bieten und damit gute Geschäfte machen.

CW: Wir haben Sie die zu jener Zeit noch bestehenden Importbestimmungen und vor allem die Cocom-Regelungen gehandhabt?

Jaeck: Da wir sehr viele Anbieter und Anzeigen über West-PCs in den Zeitungen fanden, legten wir schnell unsere diesbezügliche Scheu ab. Dazu kam, daß das Überqueren der innerstädtischen Berliner Grenzpunkte nahezu ohne Kontrolle vonstatten ging und der Transport von ein oder zwei PCs "zum persönlichen Gebrauch" sowieso keine Probleme machte.

CW: Wie haben Sie damals ihre Ware beschafft?

Jaeck: Wir bezogen die Hardware in dem Geschäft unserer, West-Berliner Freunde.

CW: Und wann hatten Sie dann den Gedanken, eine GmbH zu gründen und das Geschäft hauptberuflich zu betreiben?

Jaeck: Nun, wir hatten diese Idee nach dem Vorbild unserer West-Berliner Partnerfirma eigentlich sehr zeitig, aber es gab eine Menge Probleme zu lösen. Vor allem mußten wir 150000 Ost-Mark als Stammkapital aufbringen. Aber wir haben das Geld besorgt und die GmbH als Joint-venture gegründet.

CW: Mit welchen Problemen hatten Sie neben den finanziellen Grundvoraussetzungen noch zu kämpfen? War es beispielsweise schwierig, ein geeignetes Ladengeschäft zu finden?

Jaeck: Das war ebenso ein sehr großes Problem. Ohne Beziehungen ist es fast unmöglich, ein Geschäft zu einer akzeptablen Miete zu feinden. Auch jetzt bewegt sich die Anmietung eines Raumes wegen der teilweise noch ungeklärten Eigentumsverhältnisse im rechtsfreien Raum, und so ist die Eröffnung eines Geschäftes in Ost-Berlin immer noch sehr schwierig. In den neueren Vororten von Ost-Berlin ist es etwas einfacher, geeignete Ladenlokale anzumieten, aber in der Stadt selbst treten immer noch Probleme auf.

CW: Und wie lösten Sie diese Probleme?

Jaeck: Wir sind in der Anfangsphase Untermieter gewesen, bemühten uns aber, Hauptmieter zu werden.

CW: Können Sie uns in diesem Zusammenhang etwas über die Mietpreise sagen?

Jaeck: Die Quadratmeterpreise sind immens hoch - in Ost-Berlin noch höher als im Westen der Stadt.

CW: Können Sie ein Beispiel nennen?

Jaeck: Ein Geschäftsfreund von uns zahlt 31 Mark pro Quadratmeter für ein Geschäft, das außerhalb des Zentrums von Ost-Berlin in einem privaten Bürogebäude liegt. Was Räume in der Innenstadt angeht, so erschienen uns diese Mieten eigentlich zu teuer - beziehungsweise es bestand die Befürchtung, daß die Preise in kurzer Zeit weiter sehr stark anziehen. Unser Geschäft ist fünf Kilometer vom Berliner Alexanderplatz entfernt, hat aber Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. In dieser Gegend werden zehn Mark Kaltmiete pro Quadratmeter gezahlt für Räume, die unter kommunaler Verwaltung stehen. Der Trend geht hier hin zu 20 Mark. Zu Beginn des Jahres 1990 lagen die Mieten noch bei einer Mark pro Quadratmeter. Die Steigerungsraten sind um so erstaunlicher, als es ein Gesetz gab, das eine maximale Erhöhung um das Vierfache im Jahr 1990 vorsah, also auf vier Mark.

CW: Und wie sieht es mit Geschäftsräumen in Privatbesitz aus?

Jaeck: Da gibt es noch enorme Probleme, da sich die ehemaligen Besitzer oft im Ausland aufhalten und die Ansprüche häufig noch ungeklärt sind. In privaten Gebäuden werden allerdings für Geschäftsräume Mieten bis zu 100 Mark pro Quadratmeter verlangt.

CW: Also scheint die freie Wahl eines Ladenlokales im Moment nur schwer möglich.

Jaeck: Na ja, außer man hat wirklich viel Geld übrig. Die freie Auswahl wird so schnell wohl nicht möglich sein. Dennoch glaube ich, daß sich die Situation über kurz oder lang ändert, da viele Unternehmen Mitarbeiter entlassen oder Konkurs anmelden. So wird auf diesem Weg Gewerberaum frei.

CW: Immer noch stellen die Telekommunikationsbedingungen die größten Probleme im Wirtschaftsleben der neuen Bundesländer dar. Wie sieht da die Situation bei Ihnen aus?

Jaeck: Wir haben Glück. Wir besitzen zwei Telefone, die bereits installiert waren. Dennoch dauert es immer noch zu lang, bevor ein Telefon installiert wird. Das ist für mich eine Frage der Kapazität der Vermittlungsknoten und Leitungskapazitäten im Endbereich. Einige sind bereits mit der notwendigen Ausstattung versetzen, andere nicht.

CW: Das Telefon war also da, die Waren konnten auch beschafft werden, aber die Produkte wollen finanziert werden. Wie haben sich die Banken verhalten, als es um Unterstützung Ihres Geschäftsvorhabens ging?

Jaeck: Nach meinem Gefühl waren die Banken zu restriktiv. Wir bemühten uns in der Aufbauphase auch um Kredite, beispielsweise um ERP-Mittel für junge Unternehmen, aber es gab zu viele Voraussetzungen, die erfüllt werden mußten. Zudem ist der Bewilligungszeitraum zu lang, so daß man hier fast schon den Einstieg verpassen konnte. So mußten wir eine andere Lösung finden, um das Geschäft schneller zu finanzieren.

CW: Hatten Sie das Gefühl, daß sich die Banken speziell zurückgehalten haben, weil sie hörten, daß es sich um ein Computergeschäft handelt?

Jaeck: Ja, ich glaube schon. Die Banken haben uns signalisiert, daß sie nicht einmal unseren Kreditantrag geprüft hätten, wenn wir keinen Partner im Westen gehabt hätten. Aber noch etwas anderes muß erwähnt werden. Der Geldtransfer und finanzielle Transaktionen vor allem von Ost nach West, aber auch umgekehrt dauern immer noch zu lange.

CW: Sind diese Probleme inzwischen für Sie gelöst?

Jaeck: Ja, wir haben jetzt eine solide finanzielle Basis. Darüber hinaus haben wir einen Kurzfrist-Warenkredit bei unserem Partner in West-Berlin. Aber wir versuchen, diesen Kreditrahmen nicht in Anspruch zu nehmen, indem wir nur ein größeres Projekt und einige kleinere nebenbei betreiben. Diejenigen, die mehrere große Projekte parallel laufen haben, können leicht in liquiditätsbedingte Schwierigkeiten geraten. Dennoch haben auch wir noch keine solide Geschäftsfinanzierung.

CW: Handhaben die Banken Restriktionen unterschiedlich hart, wenn es um die Entwicklung von Software oder um den Aufbau eines Hardware-Handelsgeschäfts geht?

Jaeck: Nein, generell habe ich das Gefühl, die Banken sind dann restriktiv, wenn sie das Wort "Computer" hören, und ich habe mit einigen Banken gesprochen.

CW: Seit der Wiedervereinigung sind die westdeutschen Gesetze auch in den neuen Bundesländern gültig. Wie kommen Sie mit der neuen Rechtslage zurecht?

Jaeck: Das ist eines der größeren Probleme, die wir zu bewältigen hatten. Es gibt so viele Gesetze und Vorschriften, die zu beachten sind, daß ein Geschäft fast nicht ohne fremde Hilfe, also Steuerberater oder ähnliche Spezialisten, geführt werden kann.

CW: In welchen Geschäftsbereichen sind Sie hauptsächlich tätig?

Jaeck: Wir verkaufen Hardware an private Kunden und liefern Systemlösungen an Unternehmen und Behörden. Darüber hinaus montieren wir teilweise Hardware und bieten Service und Wartung.

CW: Verfügen die Kunden über ausreichende Informationen?

Jaeck: Ja. Die Kunden wissen meist sehr präzise, welche technischen Komponenten sie benötigen, und installieren in vielen Fällen sowohl Hard- als auch Software selbst.

Ich glaube, hier besteht noch ein großer Unterschied zu Kunden aus den alten Bundesländern, die zwar inhaltlich ihre gewünschte Anwendung kennen, aber die technischen Details lieber ihrem Lieferanten als Service- und Beratungsleistung überlassen.

CW: Es gibt derzeit in den neuen Bundesländern eine Flut von Neugründungen und Konkursen. Wie schützen Sie sich selbst gegen Insolvenzen ihrer Kunden?

Jaeck: Wir führen unser Geschäft auf sehr konservative Art und Weise. Wie ich sagte, betreiben wir jeweils nur ein größeres Projekt. Probleme gibt es häufig noch mit der Bezahlung. Wir prüfen sehr genau, wer unser Kunde ist, bevor wir ein Zahlungsziel einräumen. Kurzfristige Engpässe werden durch unsere Kreditrahmen beim West-Berliner Partner abgepuffert. Zudem läuft unser Geschäft seit Gründung im März 1990 gut, so daß wir zwischenzeitlich auch ein besseres Verhältnis zu unserer Kreditbank haben.

CW: Und wie handhaben Sie kleinere Einkäufe, die in ihren Geschäftsräumen getätigt werden, abrechnungstechnisch?

Jaeck: Wir verkaufen nicht auf Rechnung, bevor wir unseren Kunden nicht wirklich gut kennen. Euroschecks bis 400 Mark werden natürlich akzeptiert - wohingegen Kreditkarten bei uns noch relativ unbekannt sind.

CW: Wie steht es mit den Umsätzen aus?

Jaeck: Vor der Währungsunion herrschte ein inoffizieller Kurs von eins zu zehn. Das heißt, eine Ware mit einem Verkaufspreis von 1000 Mark im Westen wurde mit 10 000 Ost-Mark gehandelt, obwohl sich der offizielle Kurs auf eins zu drei belief. Nach der Währungsunion nun ist der Umsatz real meßbar. Wir sind mit dem zweiten Halbjahr 1990 seit Juli sehr zufrieden und rechnen weiterhin mit einer hohen Wachstumsrate.

Aber dies ist auch eine Frage der allgemeinen Weiterentwicklung der Wirtschaft.

CW: Im Moment beschäftigt Ihr Unternehmen neben den zwei Gesellschaftern einige Teilzeitkräfte. Gibt es Probleme bei der Personaleinstellung?

Jaeck: Es ist relativ schwer, geeignete Mitarbeiter speziell für wirtschaftliche und administrative Aufgaben zu finden. Technische Stellen hingegen können leicht besetzt werden. Aber nur wenige Anbieter haben zur Zeit das richtige Gefühl für die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden. Die Kombination der Komponenten macht zuweilen Schwierigkeiten, da die Flut der Produkte, die aus den alten Bundesländern hereinströmt, immens groß ist.

CW: Es ist also schwierig, hier die Übersicht über die Marktentwicklungen zu behalten.

Jaeck: Ja, sicher. Das ist einer der Gründe, warum wir uns streng auf IBM-kompatible Produkte und Lösungen konzentrieren und uns auf Hardware spezialisiert haben. Software ist vordergründig nicht unser Geschäft, obwohl wir uns auch hierum kümmern.

CW: Können Sie uns zum Abschluß noch etwas zum Support und zur Lieferbereitschaft in den neuen Bundesländern sagen?

Jaeck: Die Versorgungslage ist eigentlich ausreichend. Der Computermarkt steht am Beginn einer Blüte: in großen Städten wie Berlin genauso wie in kleineren Städten, in denen mehr und mehr Computergeschäfte ihre Tore öffnen. Die Nachfrage nach After-sales-Service wächst, und die Kunden konzentrieren sich jetzt auch mehr auf Händler in ihrer geographischen Nähe, um einen Ansprechpartner zu haben.

CW: Wie sehen Sie die Zukunft unter wirtschaftlichen Aspekten?

Jaeck: Wir sind sehr optimistisch, was die Zukunft angeht, aber um das Geschäft wirklich sauber über die Bühne zu bringen, benötigen wir doch noch Unterstützung aus den westlichen Bundesländern.