Netzwerk-Management/Herkoemmliche Verfahren sind in ATM-Netzen nicht zu gebrauchen Neue Architektur erfordert standardisierte Schnittstellen

01.12.1995

Ohne entsprechende Netzwerk-Management-Infrastrukturen laesst sich fast keine neue Technologie implementieren. Fuer Service-Provider und grosse Anwenderorganisationen, die ATM-(Asynchronous Transfer Mode-)Netzwerke aufbauen wollen, ist die Herausforderung dabei noch groesser, da die heutigen Tools auf dieses Verfahren nicht ausgelegt sind. Neal Rickard* zeigt einige der Probleme auf.

Das Problem einer ATM-Implementierung ist, dass WANs und Werkzeuge nicht fuer die Verwendung in komplexen Breitbandnetzen ausgerichtet sind. Diese Management-Loesungen, deren Aufgabe die Verwaltung von Router- oder TDM-basierenden Netzwerken ist, erfuellen nicht die Anforderungen, um den Ablauf von unternehmenskritischen Anwendungen auf ATM-WANs zu verwalten.

ATM veraendert naemlich die Landschaft heutiger Netzwerke grundlegend. Durch die Verbindungs- und objektorientierte Umgebung, die insgesamt fuenf verschieden definierte Serviceklassen und die groessere Anzahl an Datenverkehrstypen, die das Verfahren unterstuetzt, unterscheidet es sich von den bisherigen statischen und proprietaeren Netzen. Ein neues Netzwerk-Management-Modell, das diese Unterschiede beruecksichtigt, ist dringend gefordert, bevor ATM wirklich das halten kann, was es verspricht.

Drei Anforderungen an das Netzwerk-Management

Die drei wichtigsten Anforderungen an das Netzwerk-Management sind Administration, niedrige Bereitstellungskosten und Ressourcenplanung. Das sind in jedem WAN die Grundlagen, um die Netzwerkplanung und das Design, die Service-Provisionen, die Fehlerbehandlung, die Kosten-Nutzen-Rechnung und die Netzwerkanalyse bewaeltigen zu koennen. In ATM-Umgebungen lassen sich diese Bedingungen am besten durch individuelle Applikationen oder Module schaffen, die in standardisierte Management-Systeme integriert sind. Diese modulare Vorgehensweise erlaubt den Anwendern, nur auf wirklich benoetigte Funktionen zuzugreifen. Gleichzeitig werden die erforderlichen Erweiterungsmoeglichkeiten fuer das Management bereitgestellt.

In einer ATM-basierten Umgebung ist die Automation der Service- Bereitstellung noch kritischer. Ein Programm mit einer formulargesteuerten Schnittstelle ist in der Lage, schnell und automatisch die optimale Route fuer eine bestehende, auf Parametern basierende Verbindung im Netzwerk zu bestimmen. Dabei werden die Auslastung, die verfuegbare Bandbreite und die Art der Verbindung beruecksichtigt. Ausserdem sollte eine Provisioning-Applikation der naechsten Generation in der Lage sein, die Verbindung sowohl an Frame Relay als auch an ATM-Netzwerke anzupassen. Dadurch werden das End-to-end-Provisioning und das Connection-Management fuer Pfade ueber verschiedene Netzwerkplattformen hinweg ermoeglicht. Sobald Simple Network Management Protocol (SNMP) oder Common Management Information Protocol (CMIP) definiert sind, lassen sich diese Verfahren einsetzen, um effektive Verbindungen aufzubauen.

Wie in jedem anderen Netzwerk auch, sind komplizierte Fehler- und Performance-Management-Faehigkeiten gefordert, um das Netzwerk selbst bei Stoerungen in Komponenten oder Switches stabil zu halten. Ein Fehlerbehandlungsmodul, das verschiedene Ansichten und Analysen von Schwachstellen im Netz erlaubt, ist wichtig, um kuenftigen Fehlerquellen begegnen zu koennen. Netzwerk- Administratoren muessen die Umstaende, die zu Fehlern im Netzwerk fuehren, vollstaendig ueberblicken. Gleichzeitig ist es unerlaesslich, dass der Systembetreuer weiss, wie sich mittels der Technologie des Netzes das erneute Auftreten des gleichen Fehlers verhindern laesst.

Die Komplexitaet der Bereitstellungskosten sowie die Rechnungsstellung in ATM-WANs machen ein leistungsstarkes, zuverlaessiges System noch notwendiger. Carrier muessen damit die passende Serviceklasse identifizieren und dann Nutzungs- und Bereitstellungskosten realistisch und effektiv berechnen koennen.

Die Kalkulation der Nutzungskosten ueber anwenderdefinierte Zeitabschnitte ist ebenfalls erforderlich. Laut Dataquest ist sie eine der drei Schluesselkomponenten, die belegen sollen, dass ATM durchaus bezahlbar ist. Die Tatsache, dass sich das Preismodell fuer die ATM-Bandbreite nach der tatsaechlichen Nutzung richtet, macht den Erwerb von ATM-Kapazitaeten fuer die Unternehmen sehr viel attraktiver. Die generierten Rechnungen muessen sowohl im Standard- als auch im kundenspezifischen Format verfuegbar sein. Standardisierte Rechnungen sind teilweise wichtig fuer sogenannte VAN-Service-Provider (VAN = Value Added Network), waehrend fuer groessere Carrier und Anwendergruppen speziell zugeschnittene Rechnungen angebrachter sind.

Planung und Design sind fundamentale Bedingungen fuer jede Netzinstallation. Die zusaetzliche Komplexitaet von ATM-Netzwerken fordert intelligente Design-Tools, die ein kompliziertes Netzwerk- Modeling ermoeglichen. Ein Design-Application-Modul erlaubt es, "Was-waere-wenn"-Szenarien ablaufen zu lassen, die auf Parametern wie den Verbindungskosten, verfuegbarer Bandbreite und den Services basieren. Damit lassen sich auch die Auswirkungen eines kuenftigen Wachstums auf bereits existierende Serviceleistungen prognostizieren.

Ist ein ATM-Netzwerk erst einmal in Betrieb, ist es wichtig, Verbindungen abzustimmen und zu optimieren. Carrier, ihre Kunden und grosse private Netzwerkanwender muessen denkbare Szenarien durchspielen koennen, die auf dem vorhandenen Wissen ueber die Netzwerk-Performance, Kosten und Auslastung basieren. Carrier, die ATM anbieten, werden von leistungsfaehigen Modelling-Tools profitieren, die es ihnen erlauben, diesen Service an ihre Kunden weiterzugeben.

Netzwerk-Management im Time Division Mode (TDM) ist weitestgehend auf die Diagnose von Fehlern in Point-to-point-Links fokussiert. Das Bandbreiten-Management bleibt Nutzern der meist privaten T1/E1- und T3/ E3-Multiplexer vorbehalten und hat die Aufgabe, Teile der festgelegten Bandbreite zwischen Voice-, Data-, LAN- Interconnect und Videoapplikationen aufzuteilen.

TDM-Netzwerke bieten eine Serviceklasse, die alle Anforderungen erfuellt. Sie ist zwar relativ flexibel, verschwendet aber grosse Teile der teuren Bandbreite, wenn sie zum intensiven Datenverkehr eingesetzt wird. Traditionelle TDM-Netz-Management-Architekturen sind auf proprietaere Systeme angewiesen, die Nutzungsstatistiken und Informationen ueber Probleme an ein zentrales Management-System weiterleiten. Die Bandbreite kann in TDM-WANs nicht dynamisch verwaltet werden.

Nachdem sich Router-basierende-Netzwerke mittlerweile ueberlebt haben, nutzen Anwender die Router, um die Multipoint-Funktionen dieser Verbindungen zu managen. Durch die Nutzung des Sub-Netting und von Algorithmen zur optimalen Verbindungswahl haben Netzwerk- Administratoren das Bandbreiten-Management in die eigenen Haende genommen und setzen nun ihre Router ein, um das Beste aus den Point-to-point-Kanaelen und den festgelegten Bandbreiten der TDM- WANs herauszuholen.

Router helfen zwar weiter, wenn es um das Connection-Management in LANs geht, schaffen aber nicht das End-to-end-Management von Kreislaeufen im Router-TDM-Netzwerk. Zwei verschiedene Management- Plattformen muessen eingesetzt werden: das TDM-Management-System sowie das Router-Management-System. Die Router-Verwaltung basiert entweder auf proprietaeren Management-Systemen oder auf der SNMP- Architektur. Das wiederum bedingt den Einsatz von Software- Agenten, die Informationen und statistische Daten sammeln und durch das Netzwerk hindurch an eine zentrale Management-Plattform berichten.

ATM-Netzwerke differieren in verschiedenen Bereichen grundlegend von TDM- und Router-basierten Netzen. Jeder dieser Unterschiede ist eine Herausforderung in puncto Netzwerk-Management-Architektur und Support-Tools.

ATM ist eine Multipoint-Architektur. Das Network-Managing bedeutet hier die Verwaltung von verschiedenen Links und Pfaden durch das Netzwerk. Die Administration von Multipoint-Connections in einem LAN, das auf einem TDM-Netzwerk basiert, wird weitgehend durch die Router selbst uebernommen. Aber dieses zweigleisige Management loest nicht das Problem der Verschwendung von kostenintensiver Bandbreite im durch Router verwalteten Teil des Netzwerkes. Es erhoeht einfach nur die Komplexitaet des Managements.

Jede Verbindung in einem TDM-Netz stellt einen physikalischen Link ueber zahlreiche Kanaele dar, definiert durch virtuelle Pfade und virtuelle Verbindungsidentifikatoren, die in jeder Zelle enthalten sind. Diese virtuellen Connections nutzen typischerweise verschiedene physikalische Links im Netzwerk. Sie sind somit wesentlich komplizierter als in heutigen TDM- und Router-TDM- Netzwerken, was das Service-Provisioning betrifft.

Die verschiedenen ATM-Serviceklassen haben jede ihren eigenen Quality-of-Service-(QOS-)-Parameter und Garantien. Jede virtuelle Verbindung besitzt eine spezifische Servicegarantie und muss von Ende-zu-ende verwaltet werden - basierend auf der jeweiligen QOS. Zur gleichen Zeit muss eine individuelle Serviceklasse der Verbindung in Relation zu weiteren virtuellen Verbindungen, die unterschiedliche Serviceklassen nutzen, verwaltet werden. Carrier und Administratoren von grossen Unternehmensnetzen verwalten nicht mehr laenger nur physikalische, sondern sind jetzt auch verantwortlich fuer die Qualitaetssicherung der zahlreichen virtuellen Verbindungen.

ATM-Services nutzen kleine Zellen mit festgelegter Laenge ueber eine Hochgeschwindigkeits-Uebertragungs-Infrastruktur. Das bringt drei Herausforderungen mit sich. Die erste besteht darin, dass ein Fehler in einem Teil des Netzwerkes weitreichende Konsequenzen hat, bevor das Fehlverhalten an die zentrale Management-Station berichtet wird. In dieser Situation muss das Netz selbstaendig reagieren koennen, bevor die Information die zentrale Management- Konsole ueberhaupt erreicht.

Zweitens muss das Netzwerk-Management-System in der Lage sein, eine grosse Zahl von Fehlermeldungen - ausgehend von einem einzigen Fehler - zu handhaben. Das Verteilen aller Fehlermeldungen an saemtliche Management-Stationen kann selbst zu ernsthaften Stoerungen fuehren. Ein anderer Fehler-Reporting-Prozess ist daher notwendig.

Die dritte Herausforderung liegt darin, das grosse Datenaufkommen zu bewaeltigen, das gesammelt und berichtet werden muss, um Netzadministratoren mit hilfreichen Informationen ueber Netzwerktrends, Billing-Events, Netzanalyse und -planung zu versorgen. SMNP als Transfermechanismus, um unbearbeitete Daten ueber ein Netzwerk an eine zentrale Management-Plattform zur Speicherung und Bearbeitung zu senden, ist ineffizient.

Dieses Modell funktioniert zwar in Multipoint-Umgebungen fuer Router-basierte Netzwerke, reicht aber fuer das Management von Multivendor-Netzen nicht aus. Das Protokoll, wie es derzeit implementiert ist, erweist sich als nicht ausreichend zuverlaessig, was das Sammeln und Berichten von grossen Datenmengen - beispielsweise bis herunter zum individuellen Connection-Level - betrifft. Genau das waere notwendig, um ein ATM-Netzwerk zu verwalten.

Um diese Probleme in ATM-WANs zu loesen, wird eine neue Management- Architektur benoetigt, die Switches mehr Intelligenz zuweist, schnellere und verlaesslichere Prozesse bereitstellt, um Daten zurueck zu den Netzwerk-Management-Stationen zu senden. Zudem sollte sie auf Standardprotokollen und -schnittstellen basieren.

Ein hoher Grad an verteilter Intelligenz ist notwendig, damit das Netzwerk, Fehlerbedingungen ermitteln und andere Probleme ohne ein Eingreifen des Administrators loesen kann. Aufgrund der hohen Uebertragungsraten in einem ATM-WAN muessen die Switches Probleme beheben koennen, bevor sie an die Stationen berichtet werden.

So muss das Netzwerk beispielsweise die Qualitaet der Service gewaehrleisten, die die individuelle Verbindung garantiert. Die Serviceklasse Available Bit Rate

(ABR), die sowohl ein Minimum an Bandbreite als auch eine minimale Zellverlustrate fuer individuelle ABR-Verbindungen garantiert, muss Bandbreite dynamisch bereitstellen, um starken Datenverkehr bewaeltigen zu koennen. Das wiederum verlangt ein konstantes und vorsichtiges Management der Verkehrsbedingungen, um Datenverlust zu vermeiden, wenn Switches Zellen verlieren. Das ist nicht von zentralisierten Management-Architekturen zu leisten, hier sind die Switches gefordert.

Ein hoher Grad an eingebetteter Intelligenz erlaubt den Switches, statistische Daten vorzusortieren, die zur Kostenaufstellung und - abrechnung, zur Netzwerkanalyse und -planung benoetigt werden. Diese Statistiken lassen sich als integrale Datei oder als konstanter Fluss von Datenbits an die Netzwerk-Management-Stationen senden.

Intelligente Switches koennen Daten mit vielen Netzparametern sammeln, vorbereiten und Dateien zur Kostenberechnung und - abrechnung sowie zur Netzwerkanalyse und -planung erstellen. Trotzdem ist eine weitere Methode notwendig, um die Datendateien in akzeptabler Zeit und in verlaesslicher Form an die zentrale Station zu schicken. Die auf SNMP-Agenten basierende Architektur stellt hierfuer ein funktionierendes Modell zur Verfuegung. SNMP- Agenten berichten an Managementstationen, indem sie ihnen die Daten ueber individuelle Vorkommnisse mittels des Internet- Protokolls (IP) senden.

Standardisierte Schnittstellen gefordert

Wenn die Statistiken vorbereitet und bei den Switches in Dateien abgelegt sind, waere es ein besserer Weg, ein File-Transfer- Protokoll fuer den Versand durch das Netzwerk zu verwenden. Das Trivial File Transfer Protocol (TFTP), ist ein Standard, der in Verbindung mit dem User Datagram Protocol (UDP) einen schnelleren und effizienteren Transfer als SNMP bietet. Durch die Verwendung von Paketfolgen-Nummern ist TFTP zuverlaessiger.

Da ATM-WANs naturgemaess Multivendor-Netze sind, ist es zwingend erforderlich, dass Netzwerk-Management-Systeme standardisierte Schnittstellen und Protokolle fuer so viele ihrer Prozesse wie moeglich verwenden. Jeder Anbieter wird Netzwerk-Management- Funktionen in der Form implementieren, in der sie seiner Meinung nach den Beduerfnissen seiner Kunden am ehesten gerecht werden. Bis standardisierte Programmier-Schnittstellen, Datentransferprotokolle und Management-Plattformen unterstuetzt werden, sind Anwender nicht in der Lage, End-to-end-Connectivity netzwerkuebergreifend zu realisieren. Genausowenig haben sie Zugriff auf den Level der Aktivitaetsanalyse, der fuer die Netzwerkplanung notwendig waere. Solche Standards wie SQL fuer das Datenbank-Management, SNMP oder CMIP zum Sammeln und Repraesentieren von Netzwerkdaten, TFTP, um sie zu transferieren, und Telnet fuer Administratoren, um Elemente fuer das remote Management zu verbinden, sind fuer das Management von ATM-WANs gefordert.

Verwaltung von ATM-WANs

Das Management von ATM-WANs stellt Carrier, ihre Kunden und private Netzwerk-Anwender vor kritische neue Herausforderungen. Um diese bestehen zu koennen, ist eine neue ATM-Netzwerk-Management- Architektur vonnoeten, die skalierbare modulare Management- Funktionen, verteilte Intelligenz sowie eine neue, schnelle, zuverlaessige Methode zum Bewegen von Netzwerkinformation zwischen Switches und zentralen Management-Stationen mit standardisierten Schnittstellen und Protokollen verbindet. Eine solche Architektur ermoeglicht ATM-Network-Service-Providern ein effektives Design, die Provisionierung, die Kostenberechnung und die Planung ihrer Netzwerk-Infrastrukturen in einer komplexen Multiband-Multivendor- Umgebung.

*Der Autor ist European Productmarketing Manager bei Stratcom.