Negativ-lmage

18.07.1980

Wir haben uns die Ausbildungsmisere selbst zuzuschreiben: Wir, die Informatik-Professoren, wir, die Fachhochschullehrer, wir, die Computerhersteller, und - last not least - wir, die Anwender. So könnte man in das Thema "Ausbildung auf dem DV-Sektor" einsteigen, um die Diskussion anzuheizen.

Doch nach Aufmerksamkeitsweckern braucht man in diesem Falle gar nicht zu suchen. Das Ausbildungsthema hat keine Ankurbelung nötig, wie Reaktionen von CW-Lesern zeigen ("DV-Nachwuchsprobleme: Warten auf den Klapperstorch?", Seite 4). Das Manpower-Problem brennt nahezu allen Anwendern auf den Nägeln. Der Personalengpaß im DV-Bereich spiegelt sich in der Häufigkeit von einschlägigen Stellenanzeigen wider. Was sich derzeit im Blätterwald unter der Rubrik "Personalmarkt" abspielt, beweist: Datenverarbeiter sind gefragt wie nie zuvor was den Umkehrschluß zuläßt, daß es zu wenig DV-Fachleute gibt. Die Frage nach den Ursachen der Spezialisten-Flaute schließt sich unmittelbar an. Wehklagen über mangelnde Akzeptanz der Datenverarbeitung in der breiten Öffentlichkeit hilft nicht weiten Darüber zu lesen, was dem Computer alles angekreidet wird, mag zwar viele Jugendliche in ihrem Negativ-Urteil über "Denk-Automaten" bestärken. Gleichwohl hieße es Ursache und Wirkung verwechseln, Presse, Funk und Fernsehen für das schlechte Image des Computers verantwortlich zu machen. Die Datenverarbeiter haben die Presse, die sie verdienen.

Was soll das Gerede vom Personalmarkt, der "leergefegt" ist, wenn andererseitet DV-Ausbildungsexperten das baldige Aussterben des "Wald-und-Wiesen"-Programmierers prophezeien - Ausfluß der Unsicherheit über die Fortentwicklung der Datenverarbeitung. Zugegeben: Das öffentliche Bildungssystem hat versagt. Es wird ganz einfach zu wenig Basis-Wissen über die Elektronik an Schulen und Universitäten vermittelt. Solange es jedoch keine klaren Berufsbilder in der Datenverarbeitung gibt, ist es wenig sinnvoll, den Krisenherd an der Schnittstelle zwischen Penne und Praxis zu suchen. Die Kritik muß "innen" ansetzen.

Goetz-Plan

Was den Schotten in der Saure-Gurken-Zeit recht ist ("Nessie lebt"), ist den Nicht-lBMern billig. Nach diesem Motto verfuhr offenbar Martin Goetz, Senior Vice-President der amerikanischen Softwarefirma Applied Data Research (ADR) auf dem Weltkongreß der "Association of Data Processing Service Organizations" (Adapso) in San Francisco.

Der ADR-Vize kramte ein Sammelsurium von längst in Vergessenheit geratenen Anti-lBM-Parolen hervor. Der Marktführer müsse in sechs Mini-lBMs aufgeteilt werden: Eine für Software, zwei für Hardware und je eine für Peripheriegeräte, Wartung und Textverarbeitung ("office products"). IBM soll darüber hinaus gezwungen werden, so der Goetz-Plan, den Wettbewerbern Standards und Spezifikationen für neue Produkte" rechtzeitig" bekanntzugeben.

Das Argument anderer Software-Anbieter, im Schatten eines trägen IBM-Monsters ließe es sich gut leben, mochte der Befürworter einer IBM-Teilung nicht gelten lassen. Und auch den Einwand, sechs halbstarke Tiger seien gefräßiger als ein ausgewachsener Löwe, wischte der ADR-Mann beiseite.

Wenn Goetz sich da nicht täuscht. Wird eine "Kleincomputer"-lBM den Nixdorfs und Wangs Abbruch tun? Das kann man nicht ausschließen. Aber gewiß ist, daß eine "Software"-lBM für die unabhängigen Software-Anbieter äußerst unbequem wäre. Goetz hat recht, wenn er davor warnt, die vermeintlich "satte" IBM zu unterschätzen. Er weiß nur zu gut, was den Anwendern eine intakte Groß-lBM wert ist.