Erste Runde in Dumpingklage gegen Fujitsu und NEC geht an Cray

NEC sieht sich von US-Behörde benachteiligt

05.09.1997

Cray bemühte sich 1996 wie die beiden Kontrahenten um einen Auftrag, den das National Center of Atmospheric Research (NCAR) aus Boulder, Colorado, ausgeschrieben hatte. Numbercruncher für 35 Millionen Dollar sollten angeschafft werden. Das NCAR favorisiert offensichtlich das Angebot von NEC.

Dagegen klagte Cray. mit der Begründung: NEC habe geplant, vier Superrechner weit unter Verkaufswert zu veräußern. Rund 65 Millionen Dollar Verlust hätten die Japaner laut Cray eingeplant, um in den USA im Geschäft mit Supercomputern weiter an Boden zu gewinnen. NEC hat diese Anschuldigungen wiederholt abgestritten. Auch Fujitsu zeigte sich nach Meinung des Cray-Managements übermäßig großzügig bei der Preisgestaltung.

Dieser Sichtweise hat sich das CD laut Mitteilung seines Sprechers Curt Cultice angeschlossen. Der Streitfall geht nun an eine weitere US-Behörde, die International Trade Commission (ITC).

CD-Sprecher Cultice sagte, das ITC werde zu beurteilen haben, ob durch das Wettbewerbsverhalten der beiden japanischen Unternehmen "die US-Industrie geschädigt wurde oder zumindest eine diesbezügliche Bedrohung im Raum stand". Kommt das ITC zum selben Ergebnis wie das CD, müssen NEC und Fujitsu mit einer Geldstrafe beziehungsweise Strafzöllen rechnen. Die ITC-Entscheidung wurde auf den 3. Oktober 1997 anberaumt.

NEC hat sich in einer Stellungnahme vehement gegen die Vorwürfe des Preisdumping verwahrt. Das US-Handelsministerium urteile einseitig zum Vorteil von Cray und habe bereits vorab Unparteilichkeit vermissen lassen.

Für seine Entscheidung berufe sich das Handelsministerium lediglich auf die Argumentation des US-Supercomputer-herstellers. Die Kostenstruktur, die Cray für das komplette Bewerbungsprozedere zugrundelege, baue auf dem Geschäftsmodell der Silicon-Graphics-Tochter auf. NEC sei aber im Gegensatz zu Cray ein Konzern, bei dem die Entwicklung und der Vertrieb von Supercomputern nur eine von vielen Geschäftstätigkeiten darstelle. Dies wirke sich auf die Kostenstruktur bei der Entwicklung, Produktion und Vermarktung ihrer Superrechner ganz wesentlich aus.

Zudem nutze NEC im Gegensatz zu Cray in seinen Rechnern die preisgünstigeren CMOS-Prozessoren. Ein Hinweis darauf, daß Crays Angebot für die University Corporation for Atmospheric Research (UCAR) in ECL-Technologie ausgelegte "T90"-Superrechner beinhaltete. Die UCAR ist eine dem NCAR untergeordnete Wissenschaftseinrichtung, an der die Superrechner installiert werden sollten.

Außerdem sei NEC einer der weltweit größten Halbleiterproduzenten. Auch aus dieser Tatsache ziehe man Vorteile, um etwa die Kosten von in Supercomputern eingesetzten Komponenten niedriger zu halten.

Auch das NCAR hat sich im Dumpingstreit zwischen den USA und Japan mittlerweile mit einer interessanten Einlassung zu Wort gemeldet, die auch im Internet veröffentlicht wurde http://www.scd.ucar.edu/info/itc.html : NCAR-Direktor Bill Buzbee schrieb an das ITC, Cray habe den Zuschlag für die Ausschreibung deshalb nicht erhalten, weil das Unternehmen nicht in der Lage war, innerhalb der gesetzten Frist ein Testsystem zu stellen, das ab August 1998 zum Einsatz gekommen wäre. Für die UCAR stelle es ein nicht zu akzeptierendes Ri- siko dar, einen mehrere Millionen Dollar teuren Rechner zu kaufen, ohne vorher das Gesamtsystem testen zu können.

Der von NEC ins Rennen gebrachte SX-4/32-Superrechner sei zudem "mit Abstand der schnellste Computer, den UCAR jemals bewertet habe", schrieb Buzbee. Nach Abwägung der endgültigen Angebote von NEC und Cray, dem sogenannten Best and Final Offer, habe das UCAR ganz klar die Offerte der Japaner im Vergleich zum Cray-Angebot als "technologisch weit überlegen" anerkennen müssen.

Hans Werner Meuer, Deutschlands Supercomputer-Papst und Herausgeber der Top-500-Liste der weltweit schnellsten Superrechner, bestätigte die Aussagen Buzbees. Das offensichtlich angebotene System, ein "T90"-Rechner, sei der letzte ECL-Vektorrechner seiner Art. Dieser könne in der Tat nicht mehr mit NECs SX-4-Technologie konkurrieren. Anwender etwa an der Universität Stuttgart seien sehr zufrieden mit ihrem SX-4-Rechner.

Ein Insider aus der Supercomputer-Branche meinte gegenüber der CW, prinzipiell gebe es "in diesem Rechnersegment erheblichen Verhandlungsspielraum bei Angeboten". Für ein Unternehmen wie NEC, das als "Gemischtwarenladen" nicht auf Aufträge aus der Supercomputer-Branche angewiesen sei, gelte dies sicher auch.

Eine Erklärung für Crays Klage, die übrigens noch aus der Zeit vor der Übernahme durch SGI herrührt, dürfte im rapiden Verfall der Supercomputer-Marktanteile von Cray begründet sein: Wegen des knallharten Wettbewerbsverhaltens der Japaner sank dieser von 73 Prozent im Jahr 1993 auf 51 Prozent im vergangenen Jahr.

Meuers aktuelle Superrechner-Hitliste weist für Europa sechs Installationen von NEC-SX-Maschinen aus. Drei davon stehen in Deutschland: Eine SX-4 an der Universität Stuttgart, eine bei der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) und ein SX-3-Vorgängermodell bei Volkswagen.