National nur bedingt konkurrenzfaehig Im Notfall sind die Satelliten gern gesehene Backup-Medien

17.11.1995

HANNOVER (jha) - Die gute Versorgung mitteleuropaeischer Laender mit einer TK-Infrastruktur beaeugen die Satellitenanbieter argwoehnisch. Der nationale Datenaustausch via TK-Netz ist fuer Kunden billiger als der Umweg ueber die Himmelskoerper. Dennoch sind die Satellitenbetreiber optimistisch: Bei der internationalen Kommunikation sowie bei Backup-Verbindungen und Broadcast-Diensten halten sie sich gegenueber terrestrischen Netzen fuer wettbewerbsfaehig.

Vor einigen Jahren noch erlebten die Satellitenanbieter vor allem in Deutschland einen Boom. Nach der Wiedervereinigung benoetigten viele Firmen mit neugegruendeten Dependancen im Osten Kommunikationsverbindungen zu ihren Toechtern. Doch die vorhandene terrestrische Infrastruktur aus DDR-Zeiten konnte dem Ansturm nicht standhalten.

Die Loesung fuer viele Anwender waren die Satellitendienste. Sende- und Empfangsstationen waren im Vergleich zu den Erdkabel schnell installiert, die Kommunikation konnte somit zuegig aufgenommen werden. Doch in dem Masse, wie die deutsche Telekom ihr Netz - insbesondere die ISDN-Versorgung - in den neuen Bundeslaendern ausbaute, liess der Bedarf an orbitalen Geraeten nach.

Dennoch koennen die Satellitenbetreiber auf wachsende Maerkte verweisen. Der Osten Europas lockt die westliche Industrie und den Handel in Laender wie Russland oder Polen, wo das im Boden verlegte TK-Netz schlecht ausgebaut ist. "Wenn wir lesen, dass ein Unternehmen in Polen eine Filiale eroeffnet, ist er ein potentielle Kunde fuer uns", freut sich Juergen Schreiber, Bereichsleiter Vertrieb bei der Hannoveraner Teleport Europe GmbH.

Immer wenn Firmen auf internationaler Ebene Kommunikationsmoeglichkeiten mit Niederlassungen oder Handelspartnern suchen, eroeffnet sich fuer die Satellitenanbieter eine Chance. Bei grenzueberschreitenden Verbindungen, unabhaengig davon, ob uni- oder bidirektionale mit symmetrischen oder asymmetrischen Kanaelen gewuenscht werden, sprechen laut Schreiber zwei Merkmale fuer die Satellitenkommunikation: Qualitaet und Wirtschaftlichkeit.

Waehrend die Betreiber internationaler terrestrischer Netze eine Verfuegbarkeit von 98,5 Prozent pro Jahr zusichern, liefern die Satellitendienste zu 99 Prozent eine sichere Verbindung, behauptet der Manager. Die einzigen Stoerfaktoren seien dicke Regenwolken, die sich zwischen Himmelskoerper und Empfangs- oder Sendestation am Boden schieben koennten. "Doch das", so Schreiber, "muss schon ein kraeftiger Platzregen sein."

Notfalls laesst sich auch die Leistung der Sendeanlagen erhoehen. Gesteuert wird diese Massnahme per Modemleitung zum Kundensystem von dem Netzkontrollzentrum in Hannover aus, das die Verbindungsqualitaet der Uebertragungswege permanent kontrolliert.

In puncto Wirtschaftlichkeit setzen die Betreiber auf den Vorteil, dem Kunden gegenueber als Generalanbieter auftreten zu koennen. International agierende Unternehmen bekommen ein einheitliches Uebertragungsverfahren an die Hand und muessen nicht mit den unterschiedlichen nationalen Festnetzbetreibern verhandeln. Die Satellitenuebertragung erfreut sich derzeit vor allem in der Automobilbranche grosser Beliebtheit. So versorgt etwa die britische Hughes Olivetti Telecom (HOT) Opel/ Vauxhall mit einer VSAT-Infrastruktur. Citroen und Peugeot haben auf die Hilfe von IBM zurueckgegriffen, um den VSAT-Dienst zu nutzen. Fuer Renault baute Teleport ein Netz auf, das 150 Haendler in Ostdeutschland mit der Zentrale verbindet. Diese Infrastruktur ist noch zur Zeit der Wende eingerichtet worden. Sie wurde auf das Warenwirtschaftssystem des franzoesischen Herstellers abgestimmt, die remoten Terminals kommunizieren via Satellit mit der Zentrale. Trotz dieser Teilerfolge sind die Satellitenanbieter im nationalen Markt nur bedingt konkurrenzfaehig. Bidirektionale Verbindungen mit symmetrischen Datenraten in beide Richtungen sind von den Carriern billiger zu haben als von Satellitenbetreibern.

Unidirektionale Verbindungen fuer Anwendungen wie Verteildienste lassen sich dagegen auch via Satellit wirtschaftlich implementieren. Baumaerkte, Retailer und Ladenketten nutzen diese Technik, um von einer Zentrale Video- und Audiodaten an ihre Filialen zu senden.

Auch bei der bidirektionalen, unsymmetrischen Uebertragung ist der Umweg ueber Himmelstrabanten konkurrenzfaehig. Die Teleport-Dienste werden etwa von Verlagen wie Gruner+Jahr und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Anspruch genommen, um ueber breite Sendekanaele ihre Seiten an verteilte Druckstandorte zu uebermitteln. Der Rueckkanal transportiert lediglich Quittungssignale.

Schwachstelle der Erdkabel ist die Hauszufuehrung

Und noch ein neuer Markt oeffnet sich den Anbietern: "Seit dem Anschlag auf einen ISDN-Knoten am Frankfurter Flughafen ist der Bedarf an nichtterrestrischen Backup-Leitungen sprunghaft gestiegen", erlaeutert Schreiber. Die Schwachstelle bei Erdleitungen ist die Hauszufuehrung. So werden beispielsweise Leitungen fuer die Datendirektverbindung (DDV) und das ISDN-Backup- Medium zusammen ueber einen Kabelkanal ins Unternehmen verlegt, der fuer Hochwasser, Beschaedigungen durch Tiefbauarbeiten oder, wie der Fall Frankfurt zeigt, fuer Anschlaege anfaellig sind.

Einige Unternehmen, so die Erfahrung des Dienstleisters, haben bei der Nutzung ihrer Backup-Leitungen neue Wege eingeschlagen. Da urspruenglich fuer den Fehlerfall gemietete Satellitenkapazitaeten ohnehin verfuegbar sind, gehen Anwender dazu ueber, sie als primaeren Uebermittlungskanal einzusetzen und ISDN-Leitungen nur noch im Bedarfsfall zuzuschalten.