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Nachruf: Iridium schaltet endgültig ab

20.03.2000
Kein Käufer gefunden

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Zeit ist offenbar noch nicht reif für weltweiten Satelliten-Mobilfunk: Der nie so recht in die Gänge gekommene Carrier Iridium LLC hat in der Nacht von Freitag auf Samstag seinen kommerziellen Service eingestellt. Es hatte sich kein Käufer für das schwer angeschlagene Unternehmen gefunden, der einen Fortbestand des Netzes sichern wollte. Eine Rumpfmannschaft soll Iridium "abwickeln" und versuchen, aus dem Verkauf der verbleibenden Aktiva möglichst viele Dollars für die Gläubiger einzutreiben.

Hautpaktionär Motorola (hält knapp 20 Prozent an Iridium) hatte das zuständige Konkursgericht in New York vom endgültigen Bankrott in Kenntnis gesetzt und auch die rund 55 000 Kunden des Dienstes auf seiner eigens eingerichteten Website über die Abschaltung informiert. Zusätzlich wurde eine weltweite Hotline eingerichtet, die unter der Telefonnummer 001-847-523-5690 zu erreichen ist.

Iridium bleibt aber zumindest noch so lange aktiv, bis der Plan für die Abschaltung der in einer niedrigen Erdumlaufbahn (LEO = Low Earth Orbit) rotierenden Satelliten fertiggestellt ist. Die Kunden müssen sich allerdings wohl schon eher nach Alternativen umsehen, denn die meisten Betreiber der einzelnen Bodenstationen (Gateways) dürften ihren Service mit sofortiger Wirkung einstellen.

Rund fünf Milliarden Dollar hatte das Betreiberkonsortium in die Installation der 66 Iridium-Satelliten investiert. Nun gilt es, die Trabanten wieder aus ihrer Umlaufbahn zu entfernen. Aufgrund ihrer hochspezialisierten Technik lassen sich die Systeme nicht anderweitig nutzen - sie sind nun dazu verdammt, beim Eintritt in die Erdatmosphäre zu verglühen. Experten vermuten, dass die Beseitigung der "Altlasten" weitere 50 Millionen Dollar verschlingen und in Einzelfällen bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen wird.

Motorola äußerte sich enttäuscht darüber, dass Iridium den Konkurs nicht abwenden konnte. "Iridium ist ein Beispiel für ein funktionierende Technik mit Pioniercharakter", heißt es in der Stellungnahme des Konzerns. Man glaube weiterhin daran, dass die Satellitentechnik letztlich ein neues Kapitel in der Weltgeschichte der Kommunikation aufschlagen werde.

Nachdem auch Konkurrent ICO Global Communications pleite ist, bleibt mit Globalstar nur noch ein einziger Anbieter weltweiter Satelliten-Telefonie im Rennen. Dem von der italienischen Elsacom betriebenen Service droht aber möglicherweise das gleiche Schicksal. Dem Vorteil mehr oder minder weltweiter Erreichbarkeit stehen zu viele Nachteile gegenüber: Die Handys sind zu groß und zu teuer (1000 bis 1400 Dollar), die Gesprächsminute kostet zwischen 1,5 und drei Euro, und für Fax- und Datendienste liegt die maximale Geschwindigkeit bei 9600 Bit/s.

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Eine kurze "Leidensgeschichte":

September 1998: Der geplante Start von Iridium verzögert sich aufgrund technischer Probleme bei Satelliten und der Lieferung dreier Bodenstationen. Statt wie geplant in 191 Ländern erhält Iridium nur für 101 Länder Lizenzen.

November 1998: Iridium startet offiziell seinen Dienst. Die klobigen Handys kommen von Motorola und Kyocera und kosten rund 4000 Dollar; eine Gesprächsminute via Satellit schlägt mit rund sechs Dollar zu Buche.

Januar 1999: Das Bostoner Beratungshaus Pioneer Consulting prognostiziert den Satellitendiensten hohe Zuwachsraten. Die Experten erwarten, dass im Jahr 2007 rund 40 Millionen Kunden via Satelliten-Handy telefonieren.

Februar 1999: Iridium weist für das vierte Quartal 1998 bei 186 000 Dollar Umsatz einen Fehlbetrag von 440 Millionen Dollar aus. Erst 3000 Kunden haben sich für den Service entschieden.

März 1999 Iridium gerät mit seinem Business-Plan bereits unter Druck. Den Gläubigern hatte man bis Ende des Jahres 52 000 Kunden sowie 30 Millionen Dollar Umsatz in Aussicht gestellt. Mit 20 000 Nutzern ist man von diesem Ziel weit entfernt. CEO (Chief Executive Officer) Ed Staiano verspricht eine Umschuldung und weist einen Bankrott weit von sich.

April 1999: Staiano und Finanzchef Roy Grant müssen auf Druck der Aktionäre ihren Hut nehmen. Im ersten Quartal 1999 macht Iridium 1,45 Millionen Dollar Umsatz und 505 Millionen Dollar Verlust. Ende März liegt die Zahl der Abonnenten bei knapp 10 300.

Juni 1999: Iridium entlässt rund 15 Prozent seiner Belegschaft (vornehmlich im Marketing) und senkt die Preise auf zwei bis vier Dollar pro Minute, um den Service attraktiver für Kunden zu machen. Auch die Satelliten-Handys werden billiger - sie kosten statt 4000 "nur" noch 3000 Dollar. Die Zahl der Nutzer liegt mittlerweile bei rund 15 000.

August 1999: Das "vorläufige Aus" - Iridium beantragt Gläubigerschutz im Rahmen des amerikanischen Konkursparagrafen Chapter 11. Zu diesem Zeitpunkt hat das Unternehmen 4,4 Milliarden Dollar Schulden. Zwei Wochen später geht Konkurrent ICO Global Communications den gleichen Weg.

Februar 2000: Neue Hoffnung keimt auf: Angeblich will Mobilfunkpionier Craig McCaw Iridium für 600 Millionen Dollar übernehmen und so den Fortbestand der Company sichern. McCaw kündigt zunächst eine 75-Millionen-Dollar-Finanzspritze an.

März 2000: McCaws Firma Eagle Investment macht einen Rückzieher. Begründung: Die Technik von Iridium lasse keine breitbandigen Internet- und Datendienste zu. Am 17. März erklärt Hauptaktionär Motorola den Service von Iridium offiziell für beendet.