Poststraßeneinsatz im Bertelsmannkonzern:

Nach vier Tagen bereits Buch und Rechnung

02.04.1982

Rund 25 000 Postsendungen verlassen den Bertelsmann Buch- und Schallplattenclub täglich. Diese Sendungen werden über eine zentrale Poststelle des Konzerns geleitet. Manfred Krause, freier Journalist, schildert, wie der Gütersloher Konzern diese tägliche Postflut automatisiert bewältigt.

Mit der Inbetriebnahme eines Neubaus, der auch als Lager und Verteilzentrum für die Abwicklung des Postversandes dient, ändert sich auch die Aufgabenstellung bei der Rechnungsanlieferung (Zahlungsträger). So erfolgt heute automatische Adressierung im Zusammenhang mit der kuvertierten Zuführung von vorkontierten Zahlungs- und Adreßträgern. Die Vorkontierung schafft dabei die Voraussetzung für einen reibungslosen und sicheren EDV-Lauf.

Das Problem ergibt sich hier aus dem Umstand, daß an Kunden mit Bankeinzug oder bei Nachlieferungsfällen keine Zahlungsträger geschickt werden. Aus den beiden Endlosbahnen "Rechnungen" und "Zahlungsträger" sind also die zu einer Sendung gehörenden Einzelbelege auszusortieren oder zusammenzuführen.

Außerdem sind Kommissionierungsanweisungen (welche Buchtitel kommen in welche Sendung) zu erstellen, die eine Serie bilden. Dabei stellen jeweils bis zu zwölf Sendungen, die in einer Gondel zusammengefaßt den Kommissionierbereich durchlaufen, eine Einheit dar. Arbeitsbasis für die Kommissionierung sind also nicht die Rechnungen, sondern die in einer dritten Endlosbahn ausgedruckten Kommissionierungsanweisungen. Es sind demnach bis zu drei EDV-Einzelbelege zusammenzufügen.

Neben diesem qualitativen Problem wird das bereits erwähnte quantitative dadurch verstärkt, daß bei Bertelsmann der Vorlauf nicht über das Limit von 24 Stunden hinausgehen darf. Auf diese Weise soll vermieden werden, daß zwischen dem Eingang der Kundenbestellung und Auslieferung mehr als vier Tage verstreichen.

Neben der Prüfung und Zusammenführung von adressierten Versandumschlägen, personalisierten Rechnungen und vorkontierten Zahlungsträgern sah die Aufgabenstellung außerdem noch die Beilage von unterschiedlichem Werbematerial vor.

Nachdem die obenbeschriebene Aufgabenstellung festgelegt war, wurde ein Pflichtenheft erstellt.

Das Heft gab den zu überprüfenden Lösungsvorschlägen bekannter Anbieter von Kuvertieranlagen 28 qualitative Merkmale unterschiedlicher Gewichtung vor.

Nach der Bewertung der einzelnen Angebote mit diesen Kriterien lagen zwei Anbieter nahezu punktgleich an der Spitze.

Die federführende Abteilung entschied sich auf Grund der Ersatzteilgarantie und der zugesicherten Servicebereitschaft für ein System des Augsburger Herstellers Böwe. Auch das Angebot zur Individuallösung mit dem Kunden und die Zusammenarbeit mit Siemens beim Laserdrukkerprogramm waren mitbestimmend.

Die Bertelsmann-Lösung komplettiert aus drei personalisierten Endlosstapeln, die in gleicher Reihenfolge EDV-seitig bedruckt sind, und aus den dazugehörigen Beilagen auf zwei Stationen eine Sendung. Im gleichen Arbeitsgang wird diese Sendung kuvertiert. Die oben erwähnte Beilage von Werbematerial erfolgt über vier an den Kuvertierautomaten angeschlossene Beilagestationen, von denen drei selektiv arbeiten. Die Führung dieses Systems erfolgt über Steuerzeichen, die vom EDV-Drucker auf der Rechnung angebracht werden.

Zwar gab es Anlaufschwierigkeiten; seit Einsatz des Laserdruckers sind aber auch die auf ungenauen mechanischen Druck zurückzuführenden Fehler ausgemerzt.

Mit einer Kapazität von etwa 50 000 Sendungen täglich läßt sich das System jetzt auch als Fullservice bei günstigen Postkonditionen für die Abwicklung vergleichbarer Aufgaben aus dem Versandhausbereich konzernfremder Unternehmen einsetzen. Es bieten sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten im schnell wachsenden Mailingmarkt.

Starke DV als Voraussetzung

Die Abteilung Postversand bei Bertelsmann profitiert auch von der Kapazität des vorgeschalteten Rechenzentrums: Zwei Großcomputer von Siemens und IBM mit je zwölf Millionen Zeichen Speicherkapazität, Direktkommunikation mit EDV-Kunden über 25 Dialogsysteme, direkte DFÜ (Datenfernübertragung) aus der gesamten Bundesrepublik (über 80 Standleitungen), End-User-Service (APL, Timesharing, Natural). Das bedeutet vollständige Mailingabwicklung (Batchprocessing, Druck, Konfektionierung, Postaufbereitung) unter einem Dach auch für hausfremde Auftraggeber.

Widerstände von Seiten des Personals hat es nicht gegeben, weil aus der Installation einer modernen Poststraße keine Benachteiligungen entstanden. Im Gegenteil: Die wirtschaftliche Abwicklung der Versandaufgaben ist ein Mittel zur Arbeitsplatzsicherung. Zudem ist auch die Arbeitsplatzgestaltung durch das neue System positiv beeinflußt worden. Gegenüber früheren Anlagen ist die Lärmemission wesentlich geringer, die Bedienung komfortabler und die Sicherheit durch die Mechanisierung der Schneidevorgäng höher.