Optische Speichermedien entwachsen ganz allmählich den Kinderschuhen:

Nach Megadoc kommt die Erasable-Disk-Ära

20.12.1985

MÜNCHEN (ad) - Massenspeicherung von Daten bei möglichst geringen Zugriffszeiten und größtmöglicher Datensicherung - das ist die Domäne einer neuen Generation von Speichermedien, die erst in wenigen Bereichen bisher Einzug gehalten hat. Nach der Megadoc-Archivierung von Massendaten rechnet die Industrie nun mit dem baldigen nächsten Schritt: Einige Hersteller wollen gegen Ende 1988 eine optische Platte anbieten, die sowohl lesbar als auch wieder neu beschreibbar sein wird.

Nachdem Verbatim als erster Anbieter das Kunststück fertig brachte, im Rahmen der NCC 1985 in Chicago eine sogenannte "Erasable optical disk" als Prototypen vorzustellen, versuchen nun einige andere Anbieter, auf diesem Sektor gleichzuziehen. Indes - bei dem Verbatim-Produkt handelte es sich vorerst um eine Vorab-Entwicklung, deren endgültige Marktreife vermutlich nicht vor dem Jahresende 1986 erreicht sein dürfte. Nach den Worten des Pressesprechers der Verbatim Deutschland, Matthias Born, wird sich "zunächst in den USA für diese neuen Speichermedien der Markt eröffnen, anschließend sollen die Produkte dann auch in der Bundesrepublik ausgeliefert werden". Über das genaue Datum läßt sich allerdings noch nichts Konkretes sagen.

Die Zielsetzung heißt 100 MB Kapazität

Verbatims Zielrichtung: Der Prototyp der wiederbeschreibbaren optischen Platte im handlichen 3 /?2-Zoll-Format verfügt über eine Speicherkapazität von etwa 40 MB. Die marktreife Version soll nach Borns Worten jedoch knapp 100 MB an Daten aufnehmen können. "Aufgrund der thermo-magnetischen Funktionsweise beim Beschreiben und Lesen dieser Datenträger", so Born, "bietet sich im direkten Vergleich zu den konventionellen Systemen, also Disketten, eine wesentlich unproblematischere Handhabung für den Anwender an ".

Insbesondere bei der eigentlichen Sicherung der Daten auf der optischen Platte verspricht man sich einen hohen Verläßlichkeits-Faktor.

In puncto Kompatibilität zu Systemen der führenden Hersteller sagte Born, daß man im Forschungszentrum des Unternehmens im kalifornischen Sunnyvale "eingehende Untersuchungen durchgeführt habe, um möglichst schnell einen Kompatibilitäts-Standard seitens der Hardwareanbieter für die optische Platte in die Wege zu leiten" Sowohl Markttauglichkeit als auch -akzeptanz des neuen Produktes sollen getestet und für positiv bewertet worden sein. Parallel zur Platte selbst bietet Verbatim im übrigen auch die dafür geeigneten Laufwerke an. Born: "Wir hoffen, daß trotz der extremen Schnellebigkeit des Marktes diese Art von Speichermedien und weitere Produkte dieser Art eines Tages zu einem neuen Standard werden".

Der Gesamtmarkt soll sich allerdings mit dieser Alternative zur konventionellen Diskette nicht umstrukturieren. Born meint, daß trotz der kommenden Verfügbarkeit der optischen Platten "die Disketten nach wie vor ihren Markt haben werden; dies schon allein aus dem Grunde der breiten Streuung der Homecomputer". Benutzer dieser Geräte wie auch ein Großteil der sogenannten semiprofessionellen Anwender "werden nach wie vor konventionelle Speichersysteme nutzen und vorerst nicht auf die optische Platte zurückgreifen". Den Markt "schlechthin" für die optische Platte als Alternative zur Diskette sieht der Pressesprecher im Bereich der professionellen User, die bei gleichem Handling eine höhere Speicherkapazität bei geringeren Zugriffszeiten zur Verfügung stehen haben.

In bezug auf den Preis, den interessierte Anwender für das neue System voraussichtlich zu zahlen haben, wurden nun auch konkrete Angaben gemacht: Das Laufwerk für die wiederbeschreibbaren Platten soll zunächst in den USA für ungefähr 200 Dollar, die dazugehörigen optischen Disks für etwa 30 Dollar angeboten werden. Das einzige, was Verbatim noch etwas Sorge bereiten könnte, sind die Aktivitäten der Japaner. Wie Matthias Born meint, "weiß man aus der Richtung nichts Konkretes, denkbar sind aber auf jeden Fall andere Formate, die aus Nippons Fertigungsstätten kommen, so zum Beispiel neben der

3 ?-Zoll-Version auch ?-Platten oder 8- und 12-Zoll-Systeme". Ob sich dies jedoch auf die Preisgestaltung auswirkt, bleibt nach Borns Meinung abzuwarten.

Keine Umstrukturierung des Gesamtmarktes

Szenenwechsel: Holland. Der niederländische Philips-Konzern, ebenfalls im Bereich der optischen Plattenfertigung aktiv, hat bereits anhand eines praktischen Beispiels demonstriert, wo sich Megadoc - ein (bis jetzt noch nicht wiederbeschreibbares) Massenspeichermedium - einsetzen läßt. Im Forschungszentrum Geldrup, außerhalb der Eindhovener Hauptverwaltung, integrierten die Holländer eine Megadoc-Einheit mit einer Speicherkapazität von rund 500 000 DIN-A4-Seiten in eine Local-Area-Network-Umgebung. Damit zeigte sich, daß die Möglichkeit der Massensicherung auf einer Seite mit 12-Zoll-Durchmesser auf dem reinen Archivierungssektor eine sinnvolle Sache ist, zumal die Zugriffszeiten sehr kurz sind. Das erste

Megadoc-System dieser Art wurde vor kurzem in der Bundesrepublik bei Gruner + Jahr installiert; dort wird es zur Archivierung von Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitten verwendet.

Wie der Sprecher der Eindhovener Science Information Services, Cornelius Verhey, mitteilte, stand bei der Konzeption dieser Speicher-Konfiguration die Vereinfachung der Datensuche im Vordergrund. Verhey: "Unser Anliegen war, den Zugriff nach Daten auf der Platte durch einen Suchbegriff des Anwenders zu verkürzen und zu vereinfachen. Für noch größere Datenmengen haben wir eine sogenannte Juke-Box vorgesehen, bei der mehrere Platten - ähnlich wie bei magnetischen Plattensystemen - zusammengelegt werden". Einziges Manko: Die Platten sind, wie gesagt, nur einmal beschreibbar.

Im Rahmen eines Joint-venture mit Control Data hofft man bei Philips, bald auch die Probleme bei der Wiederbeschreibbarkeit von optischen Platten in den Griff zu bekommen und möglichst noch im nächsten Jahr ein marktreifes Produkt auf den Markt zu bringen. Dazu Cornelius Verhey: "1986 werden wir unsere derzeitige 12-Zoll-Optical-Disk-Produktion von Holland nach Großbritannien verlagern und in Eindhoven mit der Produktion von wiederbeschreibbaren Platten im 5 ?-Zoll-Format beginnen. Parallel dazu werden wir auch - für den ausschließlichen Zweck der Archivierung - optische Platten im gleichen Format herstellen und anbieten. Damit betreuen wir zwei Märkte: Achievement und den Bereich Office-Automation".

Plattenzugriff durch Suchbegriff verkürzen

Gerade auf dem letztgenannten Sektor sieht Verhey ein "großes Marktpotential"; eventuell ist das auch der in Zukunft wichtigste Abnehmerkreis für optische Speichermedien, weil die Datenmengen bei den meisten Usern ständig steigen und der Markt somit aus unserer Sicht nach solchen Produkten verlangt. Auch eine Einbindung von einem wiederbeschreibbaren Megadoc-System, wie in Geldrup bereits im Rahmen eines Local-Area-Network praktiziert, hält Verhey dann für eine sinnvolle Anwendung. Bis dahin ist allerdings Geduld angesagt. Denn mindestens bis Jahresende 1986 werden Anwender noch auf ihre konventionellen Systeme zurückgreifen müssen.