Debatte um Telearbeit

My Home is my Office

04.03.2013
Yahoo-Chefin Marissa Mayer holt alle Mitarbeiter aus dem Home Office zurück ins Büro. Andere Unternehmen gehen den umgekehrten Weg - und statten ihre Leute dazu schon mal mit Rollkoffer und Spind aus.

Beim Frühstück in die Telefonkonferenz reinhören oder in Ruhe auf dem Sofa eine knifflige Präsentation vorbereiten: Für viele Arbeitnehmer ist Heimarbeit mittlerweile Alltag - und eine beliebte Alternative zur Hektik im Büro.

Auch die Mitarbeiter des Internetriesen Yahoo nutzten das bisher gern. Doch damit ist nun Schluss: Firmenchefin Marissa Mayer verordnete ihren Leuten jüngst wieder Anwesenheitspflicht und machte dem Home Office damit den Garaus. Ein Schritt, der für manch anderes Unternehmen undenkbar wäre.

"Die Produktivität ist für uns unabhängig vom Arbeitsplatz", sagt eine Sprecherin des Autobauers Daimler. Dort wird Heimarbeit bereits seit Ende der 80er Jahre angeboten. Die Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten, sieht man dort als zusätzliche Motivation, wie die Sprecherin betont. Und: "Es ist auch ein Faktor für die Attraktivität des Arbeitgebers."

Keine Angst, dass jemand faul auf der Couch rumfläzt? Dafür gebe es klare Zielvereinbarungen, erklärt sie. Wer sein Soll nicht erfülle, fliege so recht schnell auf.

Wenn das Ergebnis stimme, sei der Ort unerheblich, findet auch Natalie Lotzmann, zuständig für das Gesundheitswesen beim Softwarekonzern SAP. "Es kann heute nicht mehr sinnvoll sein, dass man für Anwesenheit bezahlt wird. Es geht ja um Verantwortung für Aufgaben und Zielerreichung." Bei SAP gebe es zwar kein festinstalliertes Home Office - nach Absprache dürfen Mitarbeiter dem Büro aber durchaus schon mal eine ganze Woche lang fernbleiben.

Experten bewerten die Heimarbeit positiv. "Das ist eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer", sagt Martin Braun vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft (IAO) in Stuttgart. Yahoo-Chefin Mayer hatte in einem Schreiben an ihr Team erklärt, im Heimbüro litten oftmals Tempo und Qualität der Arbeit.

Der Experte sieht das Argument zumindest kritisch. "Ich glaube nicht, dass es vom Ort abhängig ist", sagt Braun. "Es ist eher eine Frage der inneren Motivation." Jenseits der Stechuhr arbeiten Menschen ihm zufolge sogar mehr.

Studien kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Mitarbeiter brüten demnach länger über ihren Aufgaben, wenn sie ihren Job von Zuhause aus machen. Das ergab etwa eine repräsentative Befragung des Bürodienstleisters Regus. Demnach sitzt jeder fünfte Angestellte im Heimbüro täglich länger als elf Stunden am Schreibtisch - wenn er denn vom Schreibtisch aus arbeitet.

Rollkoffer, Laptop, Smartphone und Spind. Für die meisten Beschäftigten am deutschen Hauptsitz des US-Technologieriesen IBM gehört das mittlerweile zur Grundausstattung. So sollen Mitarbeiter aus Vertrieb und Verwaltung von überall aus arbeiten können - und das Unternehmen spart Kosten für die Bürofläche.

"Wir haben ein sehr flexibles Bürokonzept", erklärt ein IBM-Sprecher in Ehningen bei Stuttgart. Einen eigenen Schreibtisch habe dort niemand mehr. Wenn es doch jemanden ins Büro ziehe, stehe aber einer zur Verfügung. Alternativ könnten Mitarbeiter ihren Laptop auch einfach in den Nischen des Betriebscafés aufbauen. Einmal wöchentlich gebe es gemeinsame "Fixpunkte" wie Meetings oder Telefonate.

Klingt nach einem Arbeitnehmertraum? Ja, sagt der Experte. Aber mit Einschränkungen. Lässt man sich zu lange nicht beim Chef blicken, könne sich durchaus das Sprichwort "Aus den Augen, aus dem Sinn" bewahrheiten. Auch die Yahoo-Chefin hatte darauf hingewiesen, wie wichtig das persönliche Zusammensein sei - Gespräche auf dem Flur oder in der Cafeteria inklusive.

"Gerade bei Teamarbeit ist zumindest zeitweise physische Anwesenheit ein wichtiger Faktor", sagt auch SAP-Gesundheitsmanagerin Lotzmann. Deswegen ist die richtige Mischung entscheidend." Videokonferenzen seien auf Dauer eben kein Ersatz für das persönliche Gespräch.

"Es gibt auch eine soziale Dimension", betont Experte Braun. Der Kontakt zum Arbeitgeber könne ebenso motivieren wie der Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden. Sein Fazit: eine Sowohl-Als-Auch-Lösung. "Drei Tage vor Ort und zwei Tage daheim. Das ist eine Sache, die könnte sich bewähren." (dpa/tc)