40 Jahre Haft und 480 000 Dollar Strafe drohen

Mutmaßlicher Schöpfer des Virus Melissa festgenommen

09.04.1999
MÜNCHEN (CW) - Der mutmaßliche Schöpfer des "Melissa"-Virus ist von US-Behördenvertretern in Aberdeen im Bundesstaat New Jersey festgenommen worden. Gegen eine Kaution von 100000 Dollar wurde David Smith am nächsten Tag freigelassen. Wird er verurteilt, drohen ihm bis zu 40 Jahre Haft und ein Strafgeld von bis zu 480000 Dollar.

Smith wird in verquaster US-Juristendiktion vorgeworfen, sich der Verschwörung zur Störung der öffentlichen Kommunikation schuldig gemacht zu haben. Außerdem werden ihm unrechtmäßige Aneignung oder Zerstörung von Computer-Dienstleistungen unterstellt.

Eine Geschworenenversammlung wird in naher Zukunft zusammentreten müssen, um die Beweislage für die möglichen kriminellen Handlungen von Smith abwägen und eine Klageschrift formulieren zu können. Ein Termin dafür ist allerdings noch nicht festgesetzt. Smith könnte darüber hinaus auch nach US-Bundesstaatsrechtsprechung belangt werden.

Melissa war erstmals am 26. März 1999 aufgetreten (siehe CW 12/99, Seite 6). Der Makrovirus nahm Anwender der Microsoft-Textverarbeitungen "Word 97" und "Word 2000" sowie des Mail-Programms "Microsoft Outlook" aufs Korn. Besonders perfide an Melissa war, daß er sich nicht wie andere Makroviren an ein Dokument anhängte und beim Überspielen von Dateien andere Computer infizierte. Melissa schlich sich statt dessen über die Virtual-Basic-Programmiersprache in das Adreßverzeichnis von Outlook. Öffnete ein ahnungsloser Benutzer eine E-Mail, die sich als "Important Message from (...)" zu erkennen gab, so griff Melissa auf die ersten 50 Namen im Outlook-Adreßverzeichnis zu und sandte an diese ebenfalls die inkriminierte Datei. Im Schneeballverfahren konnten sich so die elektronischen Nachrichten vervielfachen und ganze Kommunikationsstränge lahmlegen.

Nach bislang vorliegenden Informationen hat der Internet-Service-Provider (ISP) America Online Inc. (AOL) den entscheidenden Hinweis auf die mögliche Identität des Virenschöpfers an die Behörden gegeben. Smith, so weitere Informationen, soll für ein Subunternehmen der AT&T Corp. arbeiten. Microsoft-Makros gaben wegen ihrer Löchrigkeit schon häufig Anlaß zu Kritik, doch auch Netscape hatte bereits ähnliche Probleme.