Münchner Systemhaus sieht sich als Marktführer am Point of Sale

Münchner Systemhaus sieht sich als Marktführer am Point of SaleBörsengang soll das weitere Wachstum der NSE AG absichern

15.01.1999
MÜNCHEN (CW) - Die NSE Software AG, ein auf Lösungen für die Finanzwirtschaft spezialisiertes Systemhaus, will sich stärker als europäischer Anbieter positionieren. Erste Maßnahmen hierzu sind die vor kurzem vorgenommene Umwandlung in eine AG, diverse Umstrukturierungen sowie der noch für das erste Halbjahr 1999 geplante Börsengang.

Das 1978 in München gegründete Systemhaus ist auf Softwareprodukte am Point of Sale (POS) spezialisiert und führt in seiner Referenzliste mehr als 100 Banken, Versicherungen und Bausparkassen. Heute geht jedoch das NSE-Angebotsspektrum längst über die reine Software-Entwicklung hinaus und beinhaltet auch Beratung, Implementierung und Services. Zur eigenen aktuellen Produktplattform "Finas" (Financial and Sales-Support-Systems) gehören mittlerweile über 60 Einzelmodule, die in Form von Standardanwendungen den gesamten Verkaufsprozeß von der Kundenakquise und Bedarfsanalyse bis hin zur Vertragsabwicklung und Sachbearbeitung umfassen. Dabei werden laut NSE so gut wie alle denkbaren Vertriebskanäle abgebildet - vom Intranet einer Filiale über die remote Anbindung des Außendienstes bis zu Internet- und Call-Center-Applikationen.

Mit einem Anteil, der eigenen Angaben zufolge bei 21 Prozent liegt, sehen sich die Münchner momentan in Deutschland als führendes Systemhaus im Markt für Sales Force Automation (SFA) für die Finanzwirtschaft (siehe Abbildung). Europaweit dürfte dieses Segment im vergangenen Jahr nach Schätzungen von Datamonitor ein Volumen von rund 1,2 Milliarden Mark erreicht haben; in Deutschland investierten die einschlägigen Finanzdienstleister 1998 etwa 250 Millionen Mark in die Automatisierung beziehungsweise Digitalisierung ihrer Vertriebsabläufe. Und was noch entscheidender ist: Während die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der gesamten Softwarebranche derzeit etwa zehn Prozent beträgt, verzeichnet dieser Teilmarkt derzeit Steigerungsraten von mehr als 40 Prozent.

"Unsere Wettbewerber decken nur Teilbereiche ab", betonte NSE- Vorstandschef Manfred Nerb vor der Presse in München den Anspruch eines Komplettanbieters bei SFA-Lösungen für die Finanzwirtschaft. Nach 29,8 Millionen Mark Umsatz im Geschäftsjahr 1997 rechnet Nerb für 1998 mit Einnahmen in Höhe von 41,3 Millionen Mark, was einem Plus von gut 37 Prozent entsprechen würde. Während sich die Umsatzrendite in den Vorjahren auf etwa zehn Prozent vor Steuern belief, wird das Ergebnis für das soeben beendete Geschäftsjahr aufgrund stark gestiegener Entwicklungs- und Personalkosten "lediglich ausgeglichen ausfallen", so Nerb weiter.

Wie andere IT-Unternehmen haben die Münchner mit den schwierigen Verhältnissen auf dem von IT-Profis leergefegten Arbeitsmarkt zu kämpfen. Einige Aufträge mußten mangels Kapazität bereits zurückgestellt werden, beklagt der NSE-Chef, dessen Company momentan 222 feste und 48 freie Mitarbeiter zählt. Allen Hürden zum Trotz will man jedoch am Expansionskurs unvermindert festhalten. Erster Schritt war Ende Oktober 1998 die Umfirmierung in eine AG.

Zudem wurde die Unternehmensstruktur geändert. So sind seit 1. Dezember 1998 unter dem Dach der Holding vier Geschäftsbereiche und zwei zentrale Kompetenz-Center tätig. Drei Profit-Center betreuen dabei von München aus das Projektgeschäft im deutschsprachigen Raum, zwei weitere Divisions kümmern sich um Forschung und Entwicklung beziehungsweise Herstellung von Standardprodukten. Besondere Bedeutung kommt der neuen NSE- Business-Unit "Consulting und Partnerbetreuung" zu, durch die das Auslandsgeschäft an Kontur gewinnen soll.

Gemeinsam mit großen Unternehmensberatungen und Systemintegratoren soll hier - zunächst beschränkt auf Europa - die weitere Internationalisierung vorangetrieben werden. Bereits heute arbeitet NSE beispielsweise mit IBM in Österreich und der Schweiz zusammen. Mit der Erschließung des tschechischen, ungarischen und polnischen Marktes hat man bereits im vergangenen Jahr begonnen; Frankreich und Großbritannien sind als weitere Märkte im Visier. "Das Wachstum soll zukünftig überproportional aus dem Auslandsgeschäft kommen", betonte Nerb.

Auch auf der Produktseite will man expandieren - durch Akquisitionen. "Gespräche mit Nischenanbietern laufen bereits", deutete der NSE-Chef an. Realisieren lassen sich solche Käufe und die anvisierten zweistelligen Wachstumsraten allerdings nur mit einer gut gefüllten Unternehmenskasse. Noch im ersten Halbjahr 1999 wollen die Münchner deshalb den Gang an die Börse wagen. Frankfurts Neuer Markt gilt dabei als Favorit.

Abb: Marktstruktur: Der deutsche Markt für auf Finanzdienstleister spezialisierte SFA-Lösungen ist sehr fragmentiert. Quelle: NSE