München in Oktober

07.10.1983

Was bei den Herstellern abläuft und womit sich die Anwender im Alltag herumschlagen, davon erfährt man wenig auf Computermessen. Versteht sich, daß für Verkäufer wie Kunden Sonntag ist, wenn man sich gelegentlich außerhalb der eigenen vier Wände trifft. Bekommen die Besucher aber geboten, was sie gleichwohl wollen, nämlich Neuheiten, die diese Bezeichnung auch verdienen?

DV-Experten kehrten gerade enttäuscht von der Pariser Sicob zurück, die, was echte News betrifft, wenig aufzuweisen hatte. Den französischen Informatiksalon könne man, so der Tenor, aus deutscher Sicht getrost vergessen. Nun steht im Oktober die Münchner SYSTEMS ins Haus, und es darf erneut spekuliert werden, ob es eine Messemüdigkeit bei den DV-Anwendern gibt - womöglich aber auch, auf seiten der Aussteller, eine spürbare Ankündigungsabstinenz.

Schon gibt es Stimmen, die vor einer SYSTEMS-Euphorie warnen - da seien die Industrie-lnsider unter sich, ihr obligates Gesichtsbad zu nehmen und Frustfalten auszubügeln ("Keep smiling - doch wie´s da drinnen aussieht, geht niemand was an"). Keiner bleibt weg, da darf man sicher sein - ob es allerdings die reine Verkäuferfreude wird, ist fraglich. Führende Messebeobachter sind denn auch überzeugt, daß München keine wirklich wichtigen Novitäten, keinen technologischen Schub bringen wird.

Schon macht sich im Vorfeld der SYSTEMS deutliche Unzufriedenheit bei professionellen Messegängern bemerkbar, bei DV-Fachjournalisten etwa, was denn eine "internationale DV-Messe" solle - und auf diesen Titel legen die Münchner wert -, wenn das Salz in der Suppe fehle. Argument: Hersteller-Striptease und Neon-Aktionen á la "Kraft durch Image" seien zwar nicht generell schlecht, "harte" Fakten aber in jedem Fall besser - wobei das eine das andere nicht ausschließe.

Nun kann man den SYSTEMS-Veranstaltern nicht vorhalten, daß ihre Gäste, die Aussteller, die Gunst der Stunde offenbar nicht nutzen wollen. Noch ist zwar beispielsweise die Entwicklung im Mikromarkt in einer so frühen Phase, daß sich nicht absehen läßt, ob dabei eine quicklebendige PC-Bewegung herauskommt oder eine Beerdigung erster Klasse. Das Publikumsinteresse ist indes unbestritten groß. Personal Computer sind "in". Doch gerade für den PC-Einsteiger, der so gut wie nichts von der Computerei versteht, entwickelt sich zur Horrorvision, aus den unüberschaubaren Ich-auch-Produkten das "richtige" System zu wählen.

Computermessen könnten hier eine wichtige Funktion übernehmen, Transparenz schaffen, indem sie das Angebot strukturieren. Die Münchner streben mit ihrer separaten Mikrocomputer-Show eine derartige Ordnung an. Doch das dürfte wenig helfen, weil sich die Anbieter nicht an die Spielregeln halten. Da wird nach wie vor versucht, mit Schlagworten zu überzeugen - und oft genug erweisen sich die "Traumcomputer" als "Papiertiger".

Nicht daß dies alles nur für die SYSTEMS gilt. In Hannover oder auf der Kölner Orgatechnik erhalten DV-Novizen auch nicht die Informationen, die sie brauchen. Daß eine radikale Operation erforderlich ist, neue Messekonzepte durchzusetzen, hat man hier wie dort erkannt. Solange die Hersteller in den Ausstellerbeiräten sitzen, wird sich freilich nichts ändern. Die SYS-Ausrichter wollen diesen Einwand nicht gelten lassen. Für sie ist die Computerwelt, wie sie sich für fünf Tage in ihren Hallen widerspiegelt, (noch) in Ordnung. "Computer und Kommunikation" heißt das nichtssagende Motto der SYSTEMS ´83. Das sagt immerhin einiges.