Pilottest der Betaversion bei der Deutschen Bank

MS Project: Vom Einzelplatz zur Gruppenlösung

17.03.2000
Mitte des Jahres soll Microsofts neues Projekt-Management-Tool "MS Project 2000" auf den Markt kommen. Die Deutsche Bank hat die bereits verfügbare Betaversion zusammen mit der Campana & Schott GmbH getestet. Christophe Campana* berichtet von den ersten Erfahrungen.

Seit Ende letzten Jahres - also weniger als eineinhalb Jahre nach Markteinführung des aktuellen 98er Release - liegt das neue MS Project 2000 in der Betaversion vor. Neben den üblichen Innovationen in puncto Funktionalität, die jeder Release-Wechsel mit sich bringt, verfügt die Software über ein vollständig überarbeitetes Team-Management-Konzept namens "MS Project Central". Mit diesem Ansatz verändert sich das Microsoft-Werkzeug in zwei wesentlichen Bereichen: Erstens mit der Integration der offenen Internet-Technologie sowie zweitens beim Übergang von einer Einzelbenutzer- zu einer Arbeitsgruppenanwendung.

Zur Evaluierung der praktischen Einsatzmöglichkeiten fand ein gemeinsamer Pilottest mit ausgewählten Projekt-Management-(PM-)Experten der Deutschen Bank und Campana & Schott statt. Das Ziel war die Untersuchung des konkreten Nutzenpotenzials für das operative PM-Geschäft unter "echten" Einsatzbedingungen. In einer ersten Phase stellte die Bank eine geeignete Testinfrastruktur bereit, anschließend erfolgte die Untersuchung der relevanten Funktionen auf Basis vorhandener Projektpläne sowie eines systematischen Testkonzepts.

Die wohl bedeutendste Neuerung stellt das MS Project Central dar. Auch wenn die Team-Management-Funktionalität als solche bereits seit der Version 4.1 zur Verfügung steht, wird hier erstmals eine leistungsfähige und praxistaugliche Lösung bereitgestellt. Dabei handelt es sich um einen Client-Server-basierten Ansatz, der es dem Projektleiter und den Teammitgliedern unter anderem ermöglicht, direkt über den Browser Ist-Werte für Termine, den Arbeitsaufwand (Zeiterfassung) und Projektfortschritt zurückzumelden und die Daten automatisch in die Projektpläne zu übernehmen. Projektleiter und die Mitglieder der Teams können nun über eine durch MS Project Central bereitgestellte Web-Homepage miteinander kommunizieren. Die wichtigsten Nachrichtentypen sind hierbei Statusberichte, Ressourcenanforderungen und Anfragen zum Vorgangsstatus einschließlich der zugehörigen Update-Meldungen.

Microsoft stellt damit einen Ansatz bereit, der in den meisten PM-Systemen des oberen Leistungsspektrums schon seit längerem verfügbar ist. Indem die Ressourcen per Tätigkeitsnachweis zeitlich zugeordnete Ist-Aufwände sowie geschätzte Restaufwände zurückmelden, liefern sie gleichzeitig auch alle Informationen, die zur Projektverfolgung und zur Aktualisierung von Projektplänen erforderlich sind. So werden beispielsweise unerwartete Verzögerungen in der Vorgangsbearbeitung als erhöhte Ist- beziehungsweise Restaufwände zurückgemeldet, wodurch sich wiederum die zugehörigen Vorgangsbalken im Projektplan automatisch verändern.

Die technische Umsetzung dieses kooperativen Projekt-Managements kann bereits in dieser ersten Fassung als gelungen bezeichnet werden, da sich dank der umfangreichen Funktionen alle wichtigen PM-Abläufe abbilden lassen. Das zunächst auf vier vordefinierte Rollen (Projektleiter, Linien-Manager, Ressourcen-Manager, Ressource) ausgerichtete Konzept unterstützt die Mehrprojekttechnik beziehungsweise das Portfolio-Management. Die Software ist für rund 200 Benutzer ausreichend performant, kann zudem sowohl inhaltlich als auch formal flexibel angepasst werden und ist durch ein differenziertes Zugriffsrechtekonzept bedarfsspezifisch konfigurierbar.

MS Project 2000 kann noch mit weiteren Neuerungen aufwarten. Unter anderem hoben die Testteilnehmer benutzerdefinierte Felder als besonders relevant für Projekte hervor. Durch Erweiterungen in der neuen Version lassen sich diese nun auch mit Formeln belegen und liefern somit eine geeignete Grundlage für dynamische Auswertungs- und Analysemöglichkeiten. Da sich zudem die Ergebnisse der Berechnung mittels grafischer Indikatoren, beispielsweise Ampelfarben, veranschaulichen lassen, wird die Umsetzung automatisierter Projekt-Frühwarnsysteme gut unterstützt.

Anhand der benutzerdefinierten Felder lassen sich nun auch Kriterien festlegen, nach denen Vorgangs- und Ressourceninformationen nahezu beliebig und gegebenenfalls auch mehrstufig gegliedert sowie mittels Zwischensummen verdichtet werden sollen. Mögliche Unterscheidungsmerkmale wären Organisationseinheiten, Funktionen, Kostenstellen, Baugruppen oder Ressourcenskills. Auf diese Weise können bis zu zehn alternative Projektstrukturpläne erzeugt werden.

Schließlich hat Microsoft die Netzplan-Ansicht von MS Project 2000 überarbeitet. Das Tool wartet nun mit erweiterten Layout- und Formatierungsoptionen, einem automatischen Entflechtungsalgorithmus sowie flexiblen Filter- und Gruppierungsfunktionen auf. Ebenso erlauben neue Vorgangskalender und Profile der Ressourcenverfügbarkeit eine genauere Modellierung der Projektrealität, als dies mit der Vorgängerversion bisher möglich war. Das neue Werkzeug ist darüber hinaus stärker an die "Office"-Produkte angelehnt, was unter anderem am Projektplan-Vorlagen-Konzept, der Hilfe-Funktion und an der verbesserten Bedienungsfreundlichkeit deutlich wird. Darüber hinaus steht nun auch eine leistungsfähigere Plattform für die Erstellung von Individuallösungen bereit, da sowohl das VBA-Objektmodell als auch die ODBC-Schnittstelle verbessert wurden.

Die Testteilnehmer bewerteten die neue Project-Version überwiegend positiv. Sowohl die funktionalen Neuerungen des Tools als auch das Konzept MS Project Central bewährten sich im Praxistest und genügten somit im Wesentlichen den gestellten Anforderungen. Natürlich verbleiben aber auch zahlreiche Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge. Am schwersten wiegt hier sicherlich, dass Microsoft die neue Internet-Ausrichtung durch den Einsatz proprietärer Active-X-Technologie nur halbherzig in die Praxis umgesetzt hat. Da beispielsweise die Deutsche Bank als Standard-Browser den "Navigator" von Netscape einsetzt, kann sie von der neuen Project-Offenheit nicht ohne weiteres profitieren. Laut Thomas Krebs, IT-Framework-Leiter des Geldinstituts, wurde der gute Schritt zur offenen Internet-Technologie in der praktischen Umsetzung gleich wieder zunichte gemacht.

Trotz der Einschränkungen zog die Deutsche Bank am Ende ein positives Fazit: Für Projekte, beispielsweise zur Reorganisation und Integration mit standortübergreifender internationaler Beteiligung, erscheint der Einsatz von MS Project 2000 dennoch als vielversprechend. Den Microsoft-Entwicklern ist mit der neuen Version zumindest bei einigen Funktionen eine Verbesserung gelungen. Das vormals eher Datei- und Einzelbenutzer-orientierte MS Project hat sich zu einer Client-Server-basierten Arbeitsgruppenanwendung gemausert, die aus dem Segment der Lowend-PM-Systeme in die Mittelklasse aufgestiegen ist und dadurch eine strategische Neupositionierung erfährt. Die bisherigen Vorzüge des Programms, beispielsweise die einfache Bedienung und Flexibilität, gingen dabei jedoch nicht verloren.

* Dr. Christophe Campana ist Geschäftsführer der Campana & Schott Realisierungsmanagement GmbH in Frankfurt am Main.

Rechnet sich das?Eine exemplarische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung veranschaulicht das Optimierungspotenzial, das sich durch kooperatives Projekt-Management erzielen lässt:

Bei einem Entwicklungsprojekt mit zehn beteiligten Personen und einer Laufzeit von drei Jahren findet alle zwei Wochen ein zweistündiges Statusmeeting statt. Hier fragt der Projektleiter unter anderem den aktuellen Stand der Arbeiten ab, um anschließend seine Planung zu aktualisieren. Setzt man einen durchschnittlichen Verrechnungssatz von 150 Mark für jede Stunde an, belaufen sich allein die Kosten für die Statusmeetings der Gruppe auf rund 78000 Mark pro Jahr. Vorsichtig geschätzt, lässt sich durch die asynchrone Status- und Fortschrittsrückmeldung via Browser die Hälfte des Aufwands vermeiden. Dadurch können bis zu 117000 Mark über die gesamte Projektlaufzeit eingespart werden.