Modelle reduzieren die Komplexität

19.12.2006
Von Thomas Puschmann 
Um die Vielschichtigkeit Service-orientierter Architekturen in den Griff zu bekommen, haben sich Vorgehensmodelle bewährt.
Das Vorgehensmodell von IMG hilft bei der Einführung und Steuerung einer SOA.
Das Vorgehensmodell von IMG hilft bei der Einführung und Steuerung einer SOA.

Der Begriff SOA-Governance wird inflationär gebraucht. Dabei ist er von entscheidender Bedeutung für dieses Architekturparadigma. Grundsätzlich sind die in einer ersten Potenzialbewertung identifizierten Metriken zwar der Ausgangspunkt für die Steuerung einer SOA im Unternehmen. Wichtig ist aber auch die organisatorische Verankerung im Rahmen der IT-Strategie, denn SOA als Architekturansatz ist nur ein Eckpfeiler einer IT-Unternehmensstrategie.

Erfolgsfaktoren für SOA

Eine an Geschäftsstrategie und Prozessen orientierte Integration in die Unternehmensarchitektur.

Identifizieren geeigne- ter Services auf allen Ebenen der Unternehmensarchitektur.

Definieren von Messgrößen zur Bewertung der Architektur- und Servicequalität.

Einrichten geeigneter Governance-Strukturen durch Zentralisieren der Koordination.

Aufbau der technischen Fähigkeiten zum Umsetzen und Zentralisieren von Plattformen.

Hier lesen Sie …

• wo die Knackpunkte in der Steuerung von SOA-Projekten liegen;

• welche Hilfe eine Service-orientierte Modellierung der Unternehmensarchitektur leisten kann;

• wie der Automobilzulieferer Bosch ein Vorgehensmodell nutzt.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

584377: EDS baut SOA für die Lufthansa;

584593: SOA erweitert das Geschäftsmodell von Burda;

584182: Wie Standard Life mit SOA Kosten spart.

www.computerwoche.de/ soa-expertenrat

Kurzfristige Fixes verhindern eine SOA

Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass SOA noch kein Selbstläufer ist und es eines aktiven Managements bedarf, um sie als Designprinzip der Unternehmensarchitektur zu etablieren. Obwohl Unternehmensführungen schon heute Service-orientiert denken (Stich-wort Outsourcing/Shared-Service-Centers), führt der Kostendruck auf die IT-Abteilungen bisher eher dazu, durch kurzfristige und vordergründig günstige "Fixes" die Anforderungen des Business umzusetzen, anstatt einen strategisch angelegten Umbau der Anwendungsarchitektur zu wagen. Dies ist letztlich dadurch begründet, dass sich der Business Case für die IT (Kosten, Projektdurchlaufzeiten, Änderungsrückstau, Upgrade-Kosten, Usability) nur in der Gesamtschau der Unternehmensarchitektur und ihres Lebenszyklus rechnet. Für eine einzelne Applikation und den notwendigen Ausbau der Integrationsarchitektur fallen jedoch sofort Mehrkosten an.

Daher empfiehlt es sich, ein "SOA-Entwicklungsbudget" zu allozieren, dass die projektspezifischen Mehrkosten der SOA trägt. Die Bebauung der Anwendungslandschaft erfolgt bei vielen Unternehmen noch ad hoc, das heißt auf Basis von individuellen Geschäftsanforderungen, die mit einem Projektportfolio verwaltet werden. Das meiste Potenzial von SOA steckt aber gerade in den anwendungs- und sogar unternehmensübergreifenden Integrationsprozessen. Ein zentrales Architektur-Management ist für jedes Unternehmen angeraten, für die Etablierung einer SOA ist es lebenswichtig.

Vorgehensmodell für SOA-Projekte

Ein erster Schritt dazu ist die Service-orientierte Modellierung der Unternehmensarchitektur, zum Beispiel nach dem Promet-Vorgehensmodell. Dieses berücksichtigt alle Ebenen einer SOA (siehe Grafik: "Architekturebenen für SOA"). Das IMG-Modell knüpft an die Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme an. Sie bilden den Kern des gemeinsamen Business-Engineering-Ansatzes des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen und der Information Management Group (IMG).

Jede dieser Ebenen besitzt unterschiedliche Betrachtungs- und Gestaltungsschwerpunkte: Die Geschäftsarchitektur beschreibt auf der strategischen Ebene den Zusammenhang der Serviceverflechtung in einem Wertschöpfungsnetzwerk mit Kunden, Lieferanten und Partnern. Die Prozessarchitektur beleuchtet das Zusammenspiel der Serviceentwicklung, der Serviceerstellung und des Servicevertriebs. Die Applikationsarchitektur dagegen ermöglicht die logische und funktionale Sicht der IT-Architektur. Dabei unterstützen die einzelnen Applikationsfunktionen die Geschäftsprozesse auf einer höheren Ebene durch Zuordnung zu einzelnen Services. Die Integrationsarchitektur stellt auf Basis standardisierter Schnittstellen und Protokolle (Middleware-) Dienste für eine transparente Kommunikation verteilter Anwendungen und Web-Services bereit.

Serviceorientierung in der Automobilbranche

Ein Beispiel aus der Praxis liefert die Automobilindustrie. Dort findet eine massive Umkehr von der Produkt- zur Kundenorientierung statt. Das Ergebnis sind Geschäftsnetzwerke, die sich ausgehend vom Kundenproblem definieren. Dies hat unmittelbare Konsequenzen auch für die Geschäftsmodelle. Zukünftig werden die Zulieferer einen höheren Wertschöpfungsanteil übernehmen und zu Betreibermodellen übergehen.

Die Robert Bosch GmbH, einer der weltweit größten Zulieferer in der Automobilindustrie, zeigt, dass Serviceorientierung die Basis für den zukünftigen Geschäftserfolg darstellt. Das Unternehmen vernetzt seine überbetrieblichen Prozesse mit Kunden und Lieferanten über die Geschäftsprozessplattform SupplyOn; zudem integriert das Management die hierfür relevanten Anwendungen aus den Bereichen Produktentwicklung, Einkauf, Supply-Chain-Planning, Verkauf und Service zentral über ein Portal. Die Vision ist, dass sich ein Einkäufer bei einem Automobilhersteller wie etwa Daimler-Chrysler sein individuelles Prozessportal von verschiedenen Lieferanten mit unterschiedlichen Services zusammenstellen kann. Die Grundlage für SOA liegt hier in der Homogenisierung der Altsysteme auf SAP R/3 und der Integration der überbetrieblichen Systeme in diese neue Landschaft.

Transformationsprojekt bei der Robert Bosch GmbH

Die Basis für dieses Transformationsprojekt bildete ein Vorgehensmodell auf der Grundlage der von IMG und der Universität St. Gallen gemeinsam entwickelten Methodenfamilie Promet. Da sich nicht alle Anwendungen als SOA-Kandidaten eignen, wurden diese zunächst anhand geeigneter Kriterien bewertet. Die wichtigsten Fragen dazu lauteten: Ist eine Umstellung einer bestehenden Anwendung geplant? Bildet die Applikation einen differenzierenden Prozess im Unternehmen ab, oder handelt es sich um ein standardisiertes Szenario? Bestehen Prozessvarianzen? Wird der Prozess oder die Applikation häufig geändert? Zeichnet sich die Applikation durch zahlreiche Integrationsbeziehungen aus?

Auf Basis des so ermittelten Applikationsportfolios wurden im nächsten Schritt geeignete SOA-Kandidaten abgeleitet. Die Servicearchitektur als Teil der Integrationsarchitektur bildet das Herzstück des Architekturmodells. In einem Migrationsplan wurde schließlich festgelegt, in welchem Zeitraum welche Services entwickelt werden und wie die Übergangsphase gestaltet wird. (wh)