Mobiles Lernen ist vielen noch zu teuer

16.02.2007
Von Gabriele Müller
Der Modetrend Mobile Learning fristet noch ein Nischendasein. Er kann bisherige Lernformen sinnvoll ergänzen, aber nicht ablösen. Viele Inhalte lassen sich nämlich nicht über Handy und PDA vermitteln.

Pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Sommer feierte ein Projekt Premiere, das zeigt, was mit mobilem Lernen heute grundsätzlich alles möglich ist. Der von der Deutschen Welle und dem Goethe-Institut entwickelte Sprachkurs "Deutsch mobil" richtet sich an Fußballfans und Touristen. Er vermittelt nicht nur die grundlegenden Regeln eines Fußballspiels, sondern liefert über 1000 Vokabeln und Redewendungen aus Fußball und Tourismus nicht wie gewohnt auf Kassette, CD oder Film, sondern mobil. Je nachdem, wo sich der Nutzer befindet, kann er sich die Stimme des Sprachexperten von einem WAP-Handy, einem Pocket-PC, aus dem Internet oder als Java-Download offline vom Mobiltelefon holen.

Hier lesen Sie...

  • warum der Durchbruch von Mobile Learning nicht nur eine Frage der Technik ist;

  • woran mobiles Lernen in der Praxis häufig scheitert;

  • welche Inhalte sich für die Vermittlung über Handy oder PDA eignen.

Allerdings stehen dem großen Durchbruch des mobilen Lernens noch viele Hindernisse im Weg, wie der "Mobile Learning Day" an der Fernuniversität in Hagen zeigte. "Der größte Stolperstein sind die hohen Kosten", sagt der Wissenschaftler Maciej Kuszpa, der sich am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Organisation und Planung an Deutschlands ältester Fernuniversität schon seit Jahren mit Mobile Learning beschäftigt. Spätestens seit seiner Untersuchung aus dem Jahr 2005, für die er Bildungsunternehmen im deutschsprachigen Raum befragte, weiß er: "Die Kosten machen beiden Seiten zu schaffen. Für die Bildungsanbieter ist es sehr aufwändig, da es auf dem Markt noch zu viele unterschiedliche Mobilfunktechnologien gibt. Für die Lernenden ist die Nutzung noch zu teuer, weil die Mobilfunkanbieter für mobile Datendienste noch sehr viel verlangen."

Lernen am Handy: Display setzt Grenzen

Wer denkt beim mobilen Lernen nicht zuerst an das Mobiltelefon? Handy-Läden sind mancherorts verbreiteter als Bäckereien, und vom Kind bis zum Greis telefoniert bald jeder mobil. Was liegt also näher, als das tragbare Telefon auch zum Lernen zu nutzen? "Das Handy ist heute von der Leistungsfähigkeit und im Funktionsumfang schon mit einem PC vergleichbar", sagt Kuszpa. "Aber es hat nun einmal durch die Größe des Displays und seinen Einsatzort einige Besonderheiten."

Das Lernen mit dem Mobiltelefon eröffne zwar neue Möglichkeiten im Bildungssektor, erfordere aber neue Methoden, um die Potenziale dieses Mediums wirklich auszunutzen, warnt der Hagener Wissenschaftler. Er bedauert es, dass in der Praxis meist E-Learning-Systeme einfach um eine mobile Schnittstelle ergänzt und die Inhalte fast identisch auf die kleinen Geräte übertragen werden. Technik treibt Lernen an, aber wo bleiben die didaktischen Konzepte? "Hier herrscht noch Handlungsbedarf", kommentiert Kuszpa.

Kann mobiles Lernen je mehr als eine Nische besetzen? Ist die Vorstellung realistisch, dass wir morgens auf dem Weg zur Arbeit per Handy oder PDA in der U-Bahn chemische Formeln lernen, unser technisches Englisch verbessern oder uns mit betriebswirtschaftlichen Grundsätzen beschäftigen? Technisch lässt sich heute alles, was E-Learning ausmacht, auch für mobile Geräte umsetzen. Aber bringt das allein den gewünschten Lernerfolg? Maciej Kuszpa fordert: "Die Bildungsanbieter müssten mehr didaktisch-methodisch durchdachte Lernszenarien entwickeln, etwa Inhalte, die weniger die völlige Konzentration vom Nutzer erfordern."

Multiple-Choice funktioniert gut

Die Teilnehmer eines Weiterbildungsstudiums für Führungskräfte an der Fernuniversität Hagen haben den Test gemacht und mobiles Lernen in der Praxis ausprobiert. Spezielle Lerngebote für mobile Endgeräte wie Handy oder Pocket-PC wurden entwickelt, um die Flexibilität zu erhöhen und noch mehr Unterstützung für das Selbststudium zu bieten. Das Ergebnis: Als geeignet und nützlich hat sich vor allem die schnelle Überprüfung des Lernerfolges erwiesen. Dazu gehören Lückentexte, Multiple-Choice- und Richtig-Falsch-Aufgaben, mit denen sich der Lernfortschritt überprüfen lässt. Da die Studierenden alle anderen "klassischen" Informationsmöglichkeiten nutzen können, werden mobile Angebote gern zum Nachschlagen von Definitionen und unterwegs als Kommunikationsmedium für Chats oder Foren in virtuellen Lerngruppen genutzt.

Mobiles Lernen kann danach bisherige Lernformen sinnvoll ergänzen, aber keineswegs ablösen. Dem stimmt auch Oliver Pincus, Geschäftsführer der Afelio GmbH in Wedel, zu. Seine Firma beschäftigt sich unter anderem mit dem Einsatz von mobilem Lernen im Unternehmen. Afelio hat mit dem "Lernmedien-Manager" ein Autorenwerkzeug entwickelt, mit dem Fachexperten, Trainer und Berater ihre Themen aufbereiten sowie passend zu Inhalt und Rahmenbedingungen Lernprozesse mit mobilen Geräten unterstützen können. Dafür sieht Pincus durchaus Möglichkeiten: "Mitarbeiter können unabhängig ohne PC oder Notebook arbeiten, interaktives Lernen kann am eigentlichen Lernort angeboten und in Arbeitsprozesse integriert werden. Auch Mitarbeiter, die nicht am PC arbeiten, können computerunterstützte Informationen nutzen."

Vom Wissensquiz zur interaktiven Simulation

Das klingt gut, aber ist es auch realisierbar? "Das Potenzial für mobiles Lernen im Unternehmen muss an konkreten Schulungen festgemacht werden", sagt Pincus. "Nicht für jeden Inhalt passt mobiles Lernen. Die Technik soll kein Selbstzweck sein, sondern Unterstützung bieten." Der Afelio-Geschäftsführer nennt Beispiele: "Ein Wissensquiz auf dem eigenen Handy kann das Gelernte nach dem Seminar vertiefen." Eine weitere Möglichkeit ist eine interaktive Simulation, die in einer Reparaturwerkstatt parallel zur Arbeit an einer Maschine genutzt wird, und so Zusammenhänge verdeutlicht.

Für Pincus kann mobiles Lernen einen Mehrwert schaffen, wenn es in Kombination mit den heute schon vorhandenen Möglichkeiten eingesetzt wird. Doch dazu muss, das weiß er, erst noch viel Skepsis bei Personalverantwortlichen überwunden werden. Hochfliegende Visionen also gibt es, die technischen Möglichkeiten auch was bleibt, ist das Warten darauf, dass aus beiden praktikable, zielgruppengerechte und preiswerte Angebote werden.