Mobilfunk/Japanischer Dienst I-Mode steht mit Klingeltönen Pate

Mobile Dienste erobern sich ihren Markt

06.04.2001
Der Short Message Service schüttelt sein Image als Überbringer reiner Grußbotschaften ab. Stattdessen wird er mehr und mehr zum Transportmedium für Inhalte, Dienste und E-Commerce-Angebote. Von Thorsten Wichmann*

Spätestens seit der kürzlich gelaufenen Plakatwerbekampagne der Bild-Zeitung für mobile Kurznachrichten wie HaDuLuAuEiBi, was übersetzt soviel heißt wie Hast Du Lust auf ein Bier?, muss der Short Message Service (SMS) als Massenkommunikationsmedium gelten. Mittlerweile werden in Deutschland nach den Schätzungen deutlich mehr als eine Milliarde dieser Textmeldungen pro Monat verschickt. Bislang ist die Kurznachricht eine vorwiegend von jüngeren Handy-Besitzern genutzte Anwendung, die mit dem Versand der Minimitteilungen die Guthaben ihrer Prepaid-Karten strapazieren. Zunehmend entdecken jetzt aber auch ältere Handy-Nutzer die Vorzüge und Möglichkeiten der mobilen Textnachricht. Der Einsatz nimmt immer noch zu, nicht zuletzt deshalb, weil SMS ein Musterbeispiel einer viralen Technik ist: Wer eine Message bekommt und herausgefunden hat, wie man sie beantwortet, ist schon Teil des SMS-Netzes.

Heute findet sich der SMS nicht mehr nur im Bereich der Peer-to-Peer-Kommunikation, sondern bildet auch die technische Grundlage für andere Dienste. Berlecon Research hat in einer Studie über das mobile Internet in Deutschland, Japan und Skandinavien die Dienstangebote in vier Bereiche unterteilt: Communication, Customizing, Content und Commerce. In allen vier Kategorien ist auch SMS mittlerweile von Bedeutung.

Logos und Klingeltöne sind die RennerSchon bevor SMS die derzeitige Popularität erreichte, konnte ein Blick nach Japan Hinweise auf den Erfolg liefern. Heute nutzen mehr als 30 Millionen Japaner das mobile Internet, und zwar nicht nur über den bekannten I-Mode-Dienst von NTT Docomo, sondern auch über die Mitwerber J-Sky und EZ Web. Die in Japan von Beginn an verwendeten paketbasierten Übertragungstechniken sind für das Senden und Empfangen von Nachrichten wie geschaffen, weil Empfänger unmittelbar über neue Nachrichten informiert werden können.

Konsequenterweise ist E-Mail in Japan die populärste Anwendung des mobilen Internet. Das Surfen auf Web-ähnlichen Seiten spielt hingegen eine deutlich geringere Rolle. Damit sind die Interessen der japanischen Verbraucher denen der deutschen sehr ähnlich. Die Kommunikation per SMS ist zwar im Funktionsumfang etwas beschränkter als die japanische E-Mail, befriedigt aber den gleichen Wunsch nach kurzer, textbasierter Kommunikation.

Der Wunsch, das eigene Handy mit Logos und Klingeltönen zu personalisieren, scheint auch in Deutschland sehr ausgeprägt zu sein. Nur so ist der große Erfolg der Anbieter solcher Dienste für das Handy zu erklären. Obwohl derzeit nur für Nokia-, Sagem- und seit kurzem auch für einige Siemens-Geräte verfügbar, werden - vorsichtig geschätzt - in Deutschland pro Tag einige Zehntausend Klingeltöne verkauft.

Portale als Umschlagplatz für DiensteDiese Customizing-Services nutzen SMS zumindest zum Teil, nämlich für den Transport des Logos oder Klingeltons zum Handy. Viele Mobilfunkportale wie Jamba, Handy.de oder Iobox bieten Klingeltöne gleich auf ihrer Startseite an. Mittlerweile finden sich 0190-Nummern zum Bestellen und Bezahlen der Dienste sogar im Teletext der meisten Fernsehsender. Auch die Popularität von Logos und Klingeltönen ließ sich in Japan schon sehr früh beobachten. So galten Ende 2000 etwa ein Drittel der Zugriffe auf das I-Mode-Portal dem Download von Bildern und Klingeltönen.

Portale wie Jamba oder Handy.de bieten aber nicht nur Klingeltöne und Logos an, sondern noch eine ganze Reihe von weiteren Inhalten. Eine große Gruppe bilden Informationsinhalte, wie zum Beispiel Wetter, Nachrichten, Börsenkurse, Horoskope, Witze, Sport oder Veranstaltungshinweise. Aber auch interaktive Dienste wie die 12snap-Auktionen gewinnen zunehmend an Interesse.

Der Schwerpunkt bei diesen Angeboten liegt deutlich im Unterhaltungsbereich. Auch hier ist Japan wieder Vorbild: Ende 2000 waren Anfragen für Spiele, Horoskope und sonstige Unterhaltungsdienste für knapp 40 Prozent der Zugriffe auf das I-Mode-Portal verantwortlich.

Entertainment steht im VordergrundVon vielen belächelt, ist diese Vorliebe für Entertainment allerdings nur auf den ersten Blick verwunderlich: Schließlich ist das Mobiltelefon mittlerweile zum Massenprodukt geworden. Auch beim Massenmedium TV ziehen Unterhaltungssendungen deutlich mehr Zuschauer an als etwa die Wirtschaftsnachrichten.

SMS lässt sich sogar hervorragend mit dem TV zu einer Art von interaktivem Fernsehen kombinieren, indem beispielsweise Zuschauer per SMS über den Fortgang von Sendungen oder den Ausschluss bestimmter Teilnehmer aus Reality-TV-Sendungen abstimmen. Fernsehzuschauer könnten sich aber auch - ohne in ein lästiges Verkaufsgespräch verwickelt zu werden - per SMS-Anforderung Informationen über beworbene Produkte und Dienstleistungen zusenden lassen.

Mittlerweile existiert eine Reihe von Portalen, die Inhalte per SMS und auch über WAP anbieten. Zu den in Deutschland bekanntesten dürften Jamba, Handy.de, Sonera Zed und Iobox gehören. Von kleineren Angeboten unterscheiden sich diese Portale dadurch, dass sie eigene Abrechnungsbeziehungen zu den Kunden aufbauen.

Über diese Kundenbeziehungen könnten sich die unabhängigen Portale zu ernst zu nehmende Konkurrenten der vier Netzbetreiber in Deutschland entwickeln. Das haben auch andere bereits erkannt. So hat Gruner und Jahr vor kurzem 51 Prozent der Anteile von Handy.de übernommen. Und Jamba hatte sogar von Beginn an namhafte Anteilseigner wie Debitel, die Media-Saturn Holding und die Verbundsgruppe EP Electronic Partner.

Diese großen und solventen Partner werden sicher auch nötig sein, denn das Endkundengeschäft mit Inhalten im Mobilfunkbereich birgt die gleichen Schwierigkeiten, mit denen auch viele Content-Anbieter und auch B-to-C-Unternehmen im Internet-Bereich kämpfen. So sind enorme Marketing-Aufwendungen erforderlich, um die breite Masse an potenziellen Nutzern zu erreichen. Dies umso mehr, als die meisten Portale ähnliche oder gar identische Inhalte anbieten und das Medium SMS heute kaum eine Differenzierung über die Qualität des Inhaltes zulässt.

Unternehmen mit starken Medienpartnern wie Gruner und Jahr im Hintergrund oder mit Händlern wie Media Markt, die ohnehin regelmäßig eine Fülle von Prospekten an die Endkunden bringen, dürften diese Marketing-Anstrengungen deutlich leichter fallen als kleinen Anbietern ohne etablierte Partner.

Aber nicht nur für Kurzinhalte oder zur Verschönerung des Handys taugt SMS, sondern auch für M-Commerce im engeren Sinne, sprich das Kaufen oder Verkaufen von Produkten. So bietet der Dienst "Mobilesound" von Distefora Mobile die Möglichkeit, Titel und Interpreten des gerade im Radio gespielten Liedes per SMS zu erfahren und im Anschluss daran gleich die entsprechende CD zu bestellen.

Einen ähnlichen Service hat das Berliner Startup Akomo entwickelt. "Tom & Anna" ist ein SMS-basiertes Einkaufsangebot, das in Kombination mit PrintPublikationen angeboten wird. Buch- oder CD-Kritiken in Zeitschriften geben einen "Bestbuy"-Code an, der per SMS an eine bestimmte Telefonnummer geschickt werden muss, um das Produkt zu bestellen. Solche SMS-Dienste nutzen die besonderen Eigenschaften des Mobiltelefons aus. So vereinfacht der persönliche Charakter des Handys den Bestellvorgang.

Gemeinsam ist vielen SMS-basierten Angeboten, dass sie vielfältige Kooperationen des Dienstes mit anderen Unternehmen voraussetzen. Das können Vertriebspartnerschaften sein wie im Fall von Jamba. Es können aber auch inhaltliche Kooperationen sein wie bei Mobilesound oder bei Tom&Anna. Viele Allianzen verknüpfen auch unterschiedliche Medien. Das Angebot von Mobilesound oder die per SMS interaktiv gestaltete TV-Show sind Beispiele für solche Verknüpfungen. Damit dürften diejenigen Anbieter auf dem Markt der SMS-basierten Dienste die besten Überlebenschancen haben, die das Schmieden von Kooperationen besonders gut beherrschen.

Was wird aber aus SMS und aus den Anbietern SMS-basierter Dienste, wenn das Wireless Application Protocol (WAP) an Akzeptanz gewinnt? Hier liefert das Internet einige Anhaltspunkte: Zunächst einmal ist der derzeitig implementierte WAP-Standard für Pull-, aber nicht für Push-Angebote ausgelegt. Erst mit der nächsten Version von WAP wird sich das ändern. Dieser Standard wird sich aber wohl vergleichsweise langsam durchsetzen, denn die Versorgung der Bevölkerung mit Handys ist bereits relativ hoch, neue Technologien müssen sich also zu einem großen Teil über das Ersatzgeschäft alter durch neue Geräte durchsetzen.

Wie dieser Ersatzprozess ablaufen könnte, zeigt die HTML-E-Mail, die langsam, aber stetig an Popularität gewinnt. Obwohl mittlerweile viele HTML-fähige E-Mail-Clients im Einsatz sind, bieten derzeit noch fast alle Anbieter von Informationen die Auswahl zwischen Text- und HTML-Version. SMS wird uns also sicher noch eine ganze Weile begleiten. Aber auch wenn sich technisch bessere Formen der mobilen Post langsam durchsetzen, bleiben das Prinzip und damit auch die Möglichkeiten für interessante Geschäftsmodelle unverändert.

*Thorsten Wichmann ist Geschäftsführer von Berlecon Research in Berlin

Abb.1: SMS-Dienste in Deutschland

Das Einsatzszenario des Short Message Service erstreckt sich über die reine Kommunikation hinaus in die Bereiche Konsum, Inhalt und Handel. Quelle: Berlecon Research

Abb.2: I-Mode-Dienste

I-Mode-Kunden konsumieren mit Vorliebe Unterhaltungsangebote. Quelle: NTT DoCoMo