Bisher üblicherweise eingesetzte Software von problematischer Einfachheit:

Mittelfristiges Prognose-Informationssystem

23.04.1982

Steuernde und kor rigierende Eingriffe in makroökonomische Wirtschaftsprozesse benötigen ebenso wie einzelwirtschaftliche Investitions-,Planungs-und Marketingmaßnahmen als Entscheidungsgrundlage eine möglichst genaue Kenntnis der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung. Politiker wie Manager stehen vor dieser Problematik und sind auf eine präzise und schnelle Informationsaufbereitung angewiesen. Hierzu verwendet man zunehmend moderne mathematisch-statistische Prognose-und Analyseverfahren, die durch die rasch fortschreitende Entwicklung der EDV auch unter Kosten-/Nutzen-Aspekten interessant geworden sind.

An der Universität Bremen wird zu diesem Zweck das Programmsystem "Fides" entwickelt, das als anwendungsorientiertes Softwarepaket sowohl ein Methoden- als auch Datenbankkonzept integriert und Wissenschaft und Praxis dienen soll. Prognose-und Analysemethoden für ökonomische Zeitreihen wurden bisher unter dem Aspekt von "Insellösungen" entwickelt. So schreiben Unternehmen und Verwaltung, sofern sie überhaupt Interesse an derartigen Methoden haben, ihre Programme im Einzelfall selbst oder greifen auf das begrenzte Angebot der Hersteller und Softwareanbieter zurück.

Dort wird die Prognoseproblematik etwa als "Bestandsvorhersageproblem" in der Lagerverwaltung gesehen. Die dabei verwendeten Methoden zeichnen sich durch problematische "Einfachheit" aus. Dies ist aus der Anwendungsperspektive auch nicht weiter verwunderlich, da anspruchsvolle Prognoseverfahren wie der Box-Jenkins-Approach sehr viel Erfahhrung und "Fingerspitzengefühl" benötigen.

Sie sind somit für ein selbsttätig ablaufendes Lagerverwaltungsprogramm nicht geeignet. Wäre es dann aber nicht sinnvoller, auf eine Bestandsfortschreibung via Trendextrapolation, irgendwelche Mittelwertbildungen etc. gänzlich zu verzichten? Denn diese Verfahren führen entweder dazu, daß die Bestandsvorhersagen ständig manuell korrigiert werden müssen oder überhaupt keine betriebswirtschaftliche Relevanz haben.

Fides (Forecasting, Information and Data Editing System), das unter Leitung der Professoren Hüttner, Schaefer und Stöppler entwickelt wird, kann diese Probleme nicht vollständig beheben. Es erlaubt aber durch seine Methodenvielfalt, zumindest das jeweils geeignetste Verfahren auszuwählen, die fortgeschriebenen Reihen in der Datenbank zu speichern und bei Bedarf abzurufen. Damit sind schon einige wesentliche Merkmale des Systems angesprochen.

Im Gegensatz zu anderen Methodenbanksystemen, die in der Regel keine geeignete Speicherung von Zeitreihen vorsehen, bietet das Fides-System als Kernstück einen Datenbankmodul an. So muß man bei einfachen Systemen die Eingabeinformationen immer direkt eingeben. Komfortablere Systeme bedienen sich sequentieller Dateien mit jeweils mehreren abgespeicherten Reihen. Ihr Nachteil ist dann, daß Bestandsveränderungen nur eingeschränkt oder aufwendig aufgeführt werden können

Die Fides-Datenbank ist in Form einer Direktzugriffsdatei realisiert, in welcher die Informationen durch Index-Verkettung gespeichert sind. Dabei kann über den Indexnamen (die Reihenbezeichnung) bequem auf die Zeitreiheninformationen zugegriffen werden. Der Datenbankmodul wurde, wie sämtliche anderen Systemteile, in Fortran IV programmiert, damit seine Portabilität und die der Prognose-und Analysemethoden gewahrt bleibt.

Dadurch war es möglich, eine Methodenbank aufzubauen, die auf externe, selbständige und bereits vorhandene Programmpakete zurückgreift. So enthält das System eine Vielzahl von Programmen zur Saisonanalyse (Census X 11, Census X 11-GAF, Spektralanalyse) und Prognose (Box-Jenkins-Approach, Exponential Smoothing, Generalisierte Adaptive Filterung) sowie Programme zur Untersuchung ökonometrischer Fragestellungen.

Sie werden nur bei Bedarf in den Hauptspeicher geladen. Dabei wird ihre spezifische Eingabelogik von Fides unterstützt, so daß die Dateneingabe entweder vom Anwender in einfacher Form zusammengestellt werden kann oder vom Fides-System defaultmäßig bereitgestellt wird.

Im Dialogbetrieb kann der Anwender auf den Komfort von Fides zurückgreifen. Hier werden nach Auswahl einer entsprechenden Methode die erforderlichen Eingabeinformationen abgefragt. Erfahrene Nutzer können auch auf eine "Kurzversion" des Dialogs zurückgreifen. Ebenso können die Datenbestände interaktiv gepflegt werden.

Ferner dürfen mehrere Benutzer im Dialogbetrieb gleichzeitig mit dem System arbeiten (Multiuser-Betrieb), wobei ihnen allerdings nur ein lesender Zugriff auf die Bestandsdatenbank erlaubt ist. Zur Dialogänderung der Datenbestände wurde das Konzept der temporären Datenbank geschaffen. Dadurch können gezielt diejenigen Reihen, die geändert oder neu hinzugefügt werden sollen, nach Dialogende in die zentrale permanente Datenbank eingetragen werden.

In der Batchversion von Fides arbeitet der Anwender stärker mit der Fides-Makroprogrammsprache. Sie ist problemorientiert und dem statistischen Vokabular entlehnt. Spezielle Kenntnisse einer Programmiersprache oder dergleichen sind nicht erforderlich.

Im Datenmanipulationsteil können Zeitreihen beliebig durch arithmetische Operationen verknüpft werden. Ferner besteht die Möglichkeit, auf eine Vielzahl fest vorprogrammierter Funktionen (wie Differenzen-,Wachstumsraten- und Anteilbildung) zurückzugreifen. Schließlich wird das gesamte Programmpaket durch Auswertungsroutinen abgerundet.

So können Fehlermaße ermittelt oder Prognose-Ist-Vergleiche tabellarisch aufbereitet werden.

Weiterentwicklung durch die Praxis

Die geschilderten Programmteile und Anwendungsaspekte dürften einen kleinen Eindruck von der Vielfalt des Systems gegeben haben. Sie zeigen auch, daß die Prognoseproblematik ein weites und vielseitiges Gebiet ist, dem die eingangs erwähnten "Insellösungen" keinesfalls gerecht werden können. Methodi(...)deckt das Programmpaket den kurzbis mittelfristigen Prognosehorizont ab.

Langfristprognosen mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren haben sich bisher nicht bewährt. Dies zeigen beispielsweise die Energieprognosen vom Anfang der 70er Jahre. Das Fides-System wird zur Zeit auf einer Siemens 7880 weiterentwickelt, Es ist IBM-kompatibel und benötigt zur Programmausführung 1024 KB.

Die Datenbank hat momentan eine Kapazität von 5000 Zeitreihen (bei 300 Daten je Reihe) und kann beliebig erweitert werden. Die Forschungsgruppe Fides wird das Programmpaket noch um weitere Methoden ergänzen. Es ist zu hoffen daß sich praxisnahe Anwendungen finden lassen, damit das System aus der Praxis heraus weiterentwickelt

und seine Anwendungsorientiertheit ausgebaut werden kann.

*Dipl.-Ök. Uwe Bednarzik ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich 5 der Universität Bremen und für die Fides-Softwereentwicklung verantwortlich.