Erfolg hängt von systematischer und strategischer Einführung ab

Mit wissensbasierten Systemen sind Wettbewerbsvorteile möglich

13.09.1991

Die Unternehmen sehen sich einem immer stärkeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Einen entscheidenden Vorteil im Konkurrenzkampf kann ihnen dabei der Einsatz wissensbasierter Systeme verschaffen. Deshalb setzen sich mittlerweile nahezu alle großen Unternehmen mit dieser Technologie auseinander.

Wissensbasierte Systeme machen immer mehr von sich reden. Auf breiter Front laufen Versuche, erste Pilotsysteme zu entwickeln. Allerdings ist die Anzahl der produktiven Systeme mit zirka 140 im deutschsprachigen Raum im Verhältnis zu den in Angriff genommenen Prototypen-Entwicklungen immer noch enttäuschend gering, obwohl in den letzten Jahren ein starker Anstieg zu verzeichnen ist (1).

Für das Scheitern vieler Systementwicklungen ist aber weniger die neue Technologie verantwortlich zu machen, als vielmehr falscher Einsatz oder schlechte Projektplanung. Deshalb ist eine systematische, strategische Einführung wissensbasierter Systeme im Unternehmen unerläßlich. Einige Faktoren, die den Erfolg wesentlich beeinflussen, sind dabei besonders zu beobachten.

Flexibles Management ist ein Erfolgsfaktor

Ein informiertes und flexibles Management ist Voraussetzung für den Erfolg. Das Top-Management muß von der neuen Technologie überzeugt sein und deren strategischen Nutzen für das Unternehmen erkannt haben. So kann der Einsatz wissensbasierter Systeme die Position eines Unternehmens im Wettbewerb entscheidend verbessern - zum Beispiel durch eine bessere Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden, durch intelligentere Produkte, durch kürzere Durchlaufzeiten bei Kundenanfragen, durch Sicherung des Wissens von Mitarbeitern nach deren Ausscheiden oder dadurch, daß sonst nur zentral verfügbares Wissen verteilt und dezentral dem Kunden angeboten werden kann (2).

Die Einbeziehung der Wissensverarbeitung in die allgemeine Unternehmenszielsetzung dokumentiert, daß sie als strategischer Erfolgsfaktor angesehen wird. Die Konsequenz hieraus muß die Bereitschaft zu Investitionen in die neue Technologie sein, denn für den effizienten Einsatz ist spezielles Know-how unbedingt erforderlich.

Eine wichtige Aufgabe des Managements ist die Identifikation erfolgversprechender Anwendungsgebiete für den Einsatz der neuen Technologie. Zur Feststellung der Eignung einer konkreten Problemstellung müssen anhand eines detaillierten Kriterienkataloges deren charakteristische Eigenschaften sowie die betrieblichen Rahmenbedingungen überprüft werden. Das Verständnis der generellen Arbeitsweise und die Kenntnis der Charakteristika wissensbasierter Systeme einschließlich der wesentlichen Unterschiede zur konventionellen Datenverarbeitung ermöglichen eine sichere Beurteilung der methodischen Eignung. Aus diesem Verständnis ergibt sich oft erst die notwendige Bereitschaft, eine wesentlich höhere Projektunsicherheit zu verantworten und im Fall des Scheiterns eines Projektes eine genaue Ursachenforschung zu betreiben. Zudem entstehen so realistische Erwartungen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Technologie. Einer der kritischen Punkte ist sicherlich die Auswahl einer ersten Anwendung für die Technologie.

Das Scheitern der ersten ernsthaften Systementwicklung kann die frühzeitige Beendigung aller Aktivitäten eines Unternehmens auf diesem Gebiet bedeuten . Aus diesem Grund sollte man bei der Auswahl sehr sorgfältig vorgehen.

Grundsätzlich wichtig ist die methodische Eignung der Aufgabe. Hierzu gehört, daß der Problembereich sehr gut abgrenzbar ist, denn alles zur Problemlösung benötigte Wissen muß im System abgebildet werden. Es ist zur Zeit nicht annähernd möglich, das gesamte Wissen eines Experten abzubilden. Je besser das Wissen abgrenzbar ist, um so besser läßt es sich formalisieren. Allgemeinwissen sollte für die Lösung der Probleme kaum notwendig, der Grad an erforderlichem Spezialwissen indes hoch sein, da letzteres in der Regel sehr gut formalisierbar ist. Die Problemlösung sollte durch den Gebrauch von Expertenwissen, von Einschätzungen, Erfahrungen und Heuristiken gekennzeichnet sein und nicht durch vorhandene oder bewährte Algorithmen .

lnteressant ist die Frage, wieviel Zeit ein Experte im Durchschnitt für die Lösung eines Problems benötigt. Handelt es sich nur um wenige Minuten, so liegt der Verdacht nahe, daß sehr viel Intuition eingesetzt wird. Intuition läßt sich in wissensbasierten Systemen aber nicht abbilden.

Die ausgewählte Anwendung sollte einen signifikanten Nutzen versprechen. Dies ist der Fall, wenn bei zeitkritischen Problemen die Lösungsdauer erheblich verkürzt wird, wenn sich die Qualität der Lösungen erhöhen oder ein durch die hohe Auslastung der verfügbaren Experten bestehender Engpaß beseitigen läßt. Besonders groß, aber auch schwer meßbar kann der Nutzen in solchen Fällen sein, in denen durch ein Expertensystem das Wissen eines hervorragenden Spezialisten auch nach dessen Ausscheiden aus dem Unternehmen verfügbar bleibt. Ein gewichtiges Argument ist auch dann gegeben, wenn das Wissen eines Experten an verschiedene Standorte verteilt werden muß. Andere Nutzeffekte können zum Beispiel die einheitliche Bearbeitung gleichartiger Vorgänge nach objektiven Gesichtspunkten oder die Reduzierung von Schulungsaufwand sein.

Da Expertensysteme kein Wissen erzeugen, sondern nur abbilden, muß darauf geachtet werden, daß das benötigte Wissen auch wirklich vorhanden ist und daß die Wissensträger für die Wissenserhebung zur Verfügung stehen. In den meisten Fällen sind die benötigten Experten gerade diejenigen Mitarbeiter, die das Unternehmen am wenigsten für andere Aufgaben freistellen kann (3).

Für die erste Anwendung sollte ein Problem mittlerer Komplexität ausgewählt werden. Bei sehr schwierigen Problemstellungen ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns zu hoch; gilt die Aufgabenstellung hingegen als zu einfach, ist die Lösung oft sofort durchschaubar und die Akzeptanz des Systems gering. Von Vorteil ist es, wenn das Problem bereits in ähnlicher Form gelöst wurde. Vergleichsprojekte findet man in der Fachliteratur (4). Auf relativ sicheren Pfaden bewegt man sich auch bei Aufgabenstellungen aus den schon "klassischen" Problemklassen Diagnostik, Konfiguration oder Planung.

Die Realisierungsdauer sollte nicht über einem Jahr liegen - es ist wichtig, in absehbarer Zeit Ergebnisse vorweisen zu können. Weiter muß darauf geachtet werden, daß sich der erwartete Nutzen des Systems auch quantifizieren läßt, was in den meisten Fällen nicht einfach ist. Die Aufgabenstellung hat klar definiert und abgegrenzt zu sein. Auch sollte die Anderungsrate der Wissensdomäne nicht zu hoch sein, um bei Fertigstellung des Systems nicht veraltetes Wissen abgebildet zu haben.

In der Praxis hat sich die Bildung interdisziplinärer Projektgruppen bewährt. Im allgemeinen setzt sich ein Team aus drei bis fünf Personen mit unterschiedlichen Rollen zusammen: späterer Anwender, Fachexperte, Wissensingenieur, DV/Org.-Vertreter.

Der Anwender setzt das entwickelte wissensbasierte System zur Lösung konkreter, in der betrieblichen Praxis aufgetretener Probleme ein. Er weiß von allen Beteiligten am besten, welche Probleme wann und wie auftreten. So kann es beispielsweise sein, daß er in vielen Fällen stets den einen Experten und anschließend einen anderen aufsuchen muß, um eine vollständige Lösung seines Problems zu erhalten. Diese Beobachtung kann im Team zu der Erkenntnis führen, daß es sinnvoll ist, das Wissen mehrerer Experten in einem System zusammenzuführen. Natürlich muß der einzelne auch seine Wünsche bezüglich der Gestaltung der Benutzeroberfläche und der Erklärungskomponente einbringen - schließlich ist er es, der später mit dem System arbeiten soll.

Der Fachexperte stellt das Spezialwissen zur Abbildung in einem Softwaresystem zur Verfügung. Das Team erfährt von ihm, aus welchen Einheiten sich sein Wissen zusammensetzt und welche gedanklichen Prozesse er vollzieht, um zu einer Lösung zu gelangen. Oft ist der Experte auch der spätere Anwender, in einem solchen Fall kann er im Team beide Rollen übernehmen.

Der Wissensingenieur übernimmt eine zentrale Rolle im Team, seine Aufgaben sind vielfältig. Er hilft dem Experten bei der Formulierung seines Wissens, nimmt es auf, strukturiert es und überträgt es in eine formale Notation. Auf dieser Grundlage legt er das Systemdesign fest und übernimmt anschließend oft auch Implementierungsaufgaben. Bei letzteren kann er durch Programmierer unterstützt werden. Das Hinzuziehen eines Vertreters der DV/Org.-Abteilung ist im Hinblick auf die Einbettung des Systems in die DV-Welt und in die organisatorischen Abläufe häufig notwendig.

Bei der Zusammensetzung des Teams muß die Wahrscheinlichkeit einer Fluktuation so gering wie möglich gehalten werden. Ein stabiles Team ist für den Erfolg eines ersten Projektes Voraussetzung, denn die erworbenen Erfahrungen von Teammitgliedern können kaum ersetzt werden.

Der Entwicklung eines wissensbasierten Systems sollte immer eine intensive Machbarkeitsstudie vorangehen, um das Risiko niedrig zu halten. Der Zweck einer solchen Studie ist es, die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit zu überprüfen. Als Voraussetzung hierfür sind vorab die Systemanforderungen festzulegen. Der Funktionsumfang des Systems sollte wie bei konventionellen Systemspezifikationen definiert und durch die Modellierung der Schnittstelle zwischen System und Umwelt abgegrenzt werden.

Für die Feststellung der technischen Machbarkeit haben die Verantwortlichen zunächst zu beurteilen, ob zur Lösung der Problemstellung ausreichende Konzepte zur Verfügung stehen. Dies erfordert sowohl spezielle Kenntnisse der Technologie als auch große Erfahrung auf diesem Gebiet. Anschließend heißt es zu überprüfen, welche Werkzeuge die erforderlichen Konzepte anbieten und wie sie sich in die bestehende DV-Landschaft integrieren lassen. Eventuell ist zusätzliche Hardware erforderlich.

Der Aufwand wird oft unterschätzt

Zum Nachweis der technischen Machbarkeit kann es darüber hinaus sinnvoll sein, einen Prototypen zu entwickeln, der einen kleinen, aber kritischen Ausschnitt des Systems realisiert. Da eine solche Studie als Entscheidungsgrundlage dafür dient, ob die Entwicklung eines wissensbasierten Systems durchgeführt werden soll oder nicht, muß sie auch Aussagen zur Wirtschaftlichkeit enthalten.

Zu den Gesamtkosten für ein Expertensystem zählen zunächst die Entwicklungskosten, die sich im wesentlichen aus den Arbeitszeiten der beteiligten Personen ergeben. Hinzu kommen die Kosten für spezielle Entwicklungswerkzeuge und - sofern erforderlich - für spezielle oder zusätzliche Hardware. Mit in die Rechnung einzubeziehen sind aber auch die durch Einführung, Wartung und Pflege des Systems entstehenden Kosten.

Das Schätzen des Entwicklungsaufwandes erweist sich im allgemeinen als großes Problem, da Erfahrungen über vergleichbare Projekte fehlen. Oft wird der Aufwand erheblich Unterschätzt. In vielen Fällen bleibt auch der Aufwand für die Systemwartung unberücksichtigt, obwohl er oft den Erstellungsaufwand übersteigt. Ebenfalls schwer einzuschätzen ist der Nutzen eines Expertensystems. Zum meßbaren Nutzen wie reduzierte Kosten und erhöhte Produktivität kommen Nutzeffekte im strategischen Bereich, die schwer quantifizierbar sind.

Bei der Durchführung ist größte Sorgfalt angebracht. Die Konsequenzen für das Unternehmen sind schwerwiegend, wenn die Einführung eines entwickelten Systems an Hindernissen scheitert, die während der Machbarkeitsuntersuchung einfach übersehen wurden.

Die neue Technologie verführt dazu, möglichst schnell einen ersten Prototypen zu erzeugen, um ihn dann parallel zur Phase der Wissenserhebung schrittweise weiterzuentwickeln. Oft wird die Möglichkeit des inkrementellen Ausbaues von Prototypen als ein wesentlicher Vorteil der Expertensystemtechnologie gegenüber der konventionellen Systementwicklung genannt. Diese Vorgehensweise führt aber entweder zu nichtmodularen, unstrukturierten Wissensbasen, die nicht mehr erweiterbar und noch schlechter wartbar sind, oder erweist sich durch die immer öfter erforderlich werdenden Neustrukurierungen als nicht effizient. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, daß auch bei der Entwicklung von wissensbasierten Systemen eine systematische, phasenorientierte Vorgehensweise notwendig ist.

Ein streng sequentieller Phasenablauf wird sich in den seltensten Fällen einhalten lassen, in der Regel sind einige Phasen mehrfach zu bearbeiten. Ziel muß es sein, die Zahl der notwendigen Durchläufe möglichst gering zu halten. Die Entwicklung eines konzeptionellen sensmodells - völlig unabhängig von der Form - erleichtert es erheblich, bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Projektdurchführung das Wissen nahezu vollständig zu erheben, auf Inkonsistenzen zu überprüfen und zu strukturieren. Von der Qualität der Wissensmodellierung hängt es ab, ob ein Redesign des Systems vermieden werden kann.

Hohe Motivation der Mitarbeiter nötig

Der sich anschließende Systementwurf sollte nicht von vornherein auf die Möglichkeiten und Besonderheiten eines bestimmten Werkzeugs ausgerichtet sein, sondern sich zunächst an klassischen Abstraktions- und Modularisierungstechniken und an allgemeineren Konzepten der Technolgie orientieren. Beim Feinentwurf findet eine Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten des ausgewählten Werkzeugs statt. Diese Trennung macht es möglich, das Werkzeug noch zu einem relativ späten Zeitpunkt zu wechseln, ohne daß ein vollständiger Neuentwurf durchgeführt werden muß. Dies könnte notwendig werden, wenn sich im Verlauf der Entwicklung herausstellt, daß das verwendete Werkzeug nicht die erforderlichen Leistungsmerkmale aufweist.

Anwendungen der Technologie, die einen besonders hohen Nutzen versprechen, findet man dort, wo das Expertenwissen einen Engpaß darstellt. Doch gerade in diesen Fällen läßt sich naturgemäß schwer durchsetzen, einen Experten für die Dauer der Mitarbeit in einem Projekt teilweise von anderen Aufgaben freizustellen. Es ist notwendig, daß die Vorgesetzten der geplanten Expertensystementwicklung positiv gegenüberstehen und sie zu fördern bereit sind. Aber auch für den Experten heißt es, eine hohe Motivation mitzubringen. Er muß bereit sein, andere Aufgaben abzugeben und über einen langen Zeitraum mit hohem zeitlichen Engagement im Projektteam mitzuarbeiten.

Die Persönlichkeit des Experten hat einen großen Einfluß auf den Erfolg eines Projektes. Zunächst ist es wichtig, daß sich der Experte durch umfangreiche Erfahrungen und hohe Glaubwürdigkeit auszeichnet. Die Qualität eines Expertensystems wird in erster Linie bestimmt durch das in ihm enthaltene Wissen - und dieses liefert der Experte. Das bedeutet aber gleichzeitig, daß er in der Lage sein muß, sein Wissen zu artikulieren. Häufig jedoch ist sein Wissen für ihn nicht direkt verfügbar, da es nicht explizit, sondern in einer bereits vorverarbeiteten Form vorliegt. So kann er es zwar im Einzelfall anwenden, nicht aber generell beschreiben und anderen vermitteln. Hier kann der Wissensingenieur wichtige Hilfestellungen leisten, wenn der Experte die Bereitschaft zu einer kooperativen Zusammenarbeit mitbringt.

Von größter Wichtigkeit ist, daß der Experte alles Wissen preisgibt, das er für die Lösung von Problemen benötigt. Durch Verschweigen eines einzigen Details, von dem aber die Problemlösungen entscheidend abhängen, kann er das gesamte Projekt zum Scheitern verurteilen. Hier sind insbesondere psychologische Aspekte zu berücksichtigen und mögliche Ängste abzubauen. Dazu gehört beispielsweise die Furcht vor Kompetenzverlust, wenn bekannt wird, mit welchen einfachen Mitteln er die Probleme löst, die Angst vor der Aufdeckung von Schwachstellen, wenn spezielle Probleme von ihm nicht gelöst werden können, sowie die Furcht, selbst durch das Expertensystem ersetzt zu werden oder doch zumindest nicht mehr unentbehrlich zu sein.

Für den Erfolg eines Projektes kann es entscheidend sein, dem Experten überzeugend darzulegen, daß seine Ängste unbegründet sind. Expertensysteme können Spezialisten nicht ersetzen, sondern sie nur von lästigen Routinearbeiten befreien, so daß sie sich ihren eigentlichen Aufgaben intensiver zuwenden können.

Für die Realisierung eines wissensbasierten Systems gibt es generell zwei Möglichkeiten: die Verwendung einer Programmiersprache oder den Einsatz eines Expertensystem-Entwicklungswerkzeuges. Wird eine Programmiersprache verwendet. so handelt es sich meist um eine symbolische Sprache, zu denen die KI-Sprachen Lisp und Prolog sowie einige objektorientierte Sprachen zu rechnen sind. Die eingesetzten Werkzeuge lassen sich nach ihrem Spezialisierungsgrad in "allgemeine Werkzeuge" - hier unterscheidet man einfache mit nur einer Form der Wissensrepräsentation und hybride, die mehrere Techniken kombinieren - und in problemspezifische Werkzeuge klassifizieren, die teilweise auch schon mit Basiswissen aus einem Anwendungsbereich ausgestattet sind.

Ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Projektdurchführung ist die Auswahl eines für die vorliegende Problemstellung angemessenen Werkzeugs. Die angebotenen Wissensrepräsentationsformen und Inferenzstrategien müssen ausreichend sein, um die konzipierten Problemlösungsstrukturen zu implementieren. Grundsätzlich gilt, daß sich das System um so leichter und schneller entwickeln läßt, je besser das Werkzeug auf die spezielle Aufgabe zugeschnitten ist. Doch sollen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden, indem zunächst einfache und billige Shells ausgewählt werden, deren Leistungsgrenzen dann schnell erreicht sind - etwa bedingt durch fehlende Strukturierbarkeit der Regelmenge. Bei der Auswahl sollte man sich nicht an einer schnellen Prototypen-Entwicklung orientieren, sondern an den Anforderungen des endgültigen Systems einschließlich absehbarer Erweiterungswünsche. Gleichsam sind Aspekte der Wartung und Pflege in die Entscheidung einzubeziehen.

Für ein Unternehmen besteht oft der Zwang einer strategischen Entscheidung für ein Werkzeug, mit dem alle geplanten und zukünftigen Anwendungen realisiert werden sollen, begründet durch die oft hohen Anschaffungskosten für ein Werkzeug sowie durch die Absicht, werkzeugspezifische Kenntnisse und Erfahrungen aufzubauen. Bei einer strategischen Entscheidung ist die Auswahl besonders sorgfältig zu treffen. Da das Werkzeug in einem solchen Fall im allgemeinen für ein breites Anwendungsspektrum einsetzbar sein muß, kommen nur hybride Entwicklungsumgebungen der oberen Leistungsklasse oder Programmiersprachen in Frage.

Die Auswahl eines leistungsstarken Werkzeugs erweist sich als besonders problematisch. Die meisten Expertensystem-Entwicklungswerkzeuge halten nicht annähernd das, was sie versprechen. So ist aufgrund wenig genormter Begriffe mittlerweile jedes Werkzeug objektorientiert und bietet Methoden und Message Passing an - leider versteht jeder Anbieter etwas anderes darunter.

Der Versuch, die Leistungsspektren der angebotenen Werkzeuge an Hand von Werbebroschüren zu vergleichen, ist aussichtslos; es hilft nur eine detaillierte Begutachtung etwa im Rahmen von mehrwöchigen Testinstallationen oder Schulungsbesuchen, was aber aufgrund der Vielzahl der Werkzeuge nur eingeschränkt möglich ist. Die Alternative besteht im Hinzuziehen einer unabhängigen Unternehmensberatung, die Stärken und Schwächen der wichtigsten Werkzeuge kennt und den Markt laufend beobachtet.

Wenig Akzeptanz für Insellösungen

Für den Nichterfolg eines wissensbasierten Systems zeichnet oftmals die unzulängliche Eingliederung in seine Umgebung verantwortlich. Daher ist es wichtig, diesem Punkt schon bei der Planung größte Aufmerksamkeit zu schenken. Insellösungen maximieren den manuellen Aufwand bei der Bedienung des Systems und finden daher bei den Anwendern wenig Akzeptanz. Wichtig ist die technische Integration in die bestehende konventionelle Datenverarbeitung. Vor einiger Zeit war dies oft noch ein Problem oder nur mit unangemessen hohem Aufwand realisierbar. Heute verfügen die meisten größeren Werkzeuge über automatische Schnittstellen zu allen gängigen Datenbanken und erlauben die Einbindung bestehender in konventionellen Sprachen geschriebener Programme. Auch der umgekehrte Weg - der Aufruf von wissensbasierten Systemen aus konventionellen Programmen - ist möglich.

Doch auch die organisatorische Integration heißt es zu vollziehen: Das wissensbasierte System muß in die betriebliche Aufbau- und Ablauforganisation eingebettet werden. Genau zu untersuchen ist, welche betrieblichen Abläufe an die geänderten Gegebenheiten angepaßt werden müssen und wie sich diese Anpassung am besten realisieren läßt. Fragen, die es in diesem Zusammenhang zu klären gilt, sind beispielsweise die nach den Veränderungen der Aufgabenspektren einzelner Mitarbeiter sowie den möglichen Auswirkungen auf deren Qualifikationsanforderungen. Konsequenzen, die sich hieraus ergeben können, sind eingehend zu untersuchen.

Letztendlich bestimmt der Anwender zu einem nicht unerheblichen Teil den Erfolg eines wissensbasierten Systems und damit auch der gesamten Technologie im Unternehmen: Er muß das System akzeptieren und damit arbeiten. Zunächst darf er die neue Technologie nicht von vornherein ablehnen. Dafür ist es hilfreich, wenn er in Grundzügen die Arbeitsweisen wissensbasierter Systeme versteht und sie somit für ihn den Charakter des Geheimnisvollen verloren haben. Mögliche Ängste über zu starke Rationalisierungseffekte der Technologie müssen frühzeitig abgebaut werden.

Sehr wichtig ist, daß er von dem Nutzen und der Leistungsfähigkeit des Systems, das er einsetzen soll, überzeugt ist. Ein wissensbasiertes System, das ihm "von oben verordnet" wurde, wird er kaum akzeptieren. Optimale Voraussetzungen sind dann gegeben, wenn er in den Entwicklungsprozeß einbezogen werden kann; zumindest sollte er aber die Möglichkeit haben, seine Vorstellungen und Wünsche bezüglich der Gestaltung des Systems einzubringen.

Eine für die Akzeptanz durch den Anwender notwendige Eigenschaft, die ein wissensbasiertes System besitzen muß, ist Transparenz. Die Arbeitsweise des Systems muß durchschaubar sein, Problemlösungen müssen nachvollzogen werden können. Der Anwender soll die Lösung beurteilen und gegebenenfalls auch in Frage stellen. Erforderlich ist daher eine leistungsfähige Erklärungskomponente des Systems, die auf die Anforderungen und Kenntnisse des Anwenders abgestimmt ist und ihm den Lösungsweg aufzeigen kann. Auf Wunsch sollte bei spielsweise erklärt werden können, wie etwas berechnet wurde, warum das System in einer Situation eine bestimmte Frage stellt, warum nicht eine andere Lösung in Frage kommt und welche Konsequenzen sich aus anderen Eingaben ergeben hätten. Damit der Anwender das System so einsetzen kann, daß es für ihn eine optimale Unterstützung darstellt, bleibt es dennoch erforderlich, daß er in Form einer Schulung in Bedienung und Handhabung des Systems eingeführt wird.

Das erste Ziel muß es sein, das Management mit den Möglichkeiten der neuen Technologie vertraut zu machen. Es empfiehlt sich der Besuch von Seminaren, die über Architektur, Arbeitsweise, Einsatzgebiete, Nutzen and Wirtschaftlichkeit von wissensbasierten Systemen informieren, die insbesondere den strategischen Nutzen für ein Unternehmen herausstellen und in denen die Teilnehmer für die Erkennung von potentiellen Anwendungen sensibilisiert werden.

Zweckmäßig ist die Bildung einer internen oder externen Fachgruppe. die die Aufgabe hat, die Kommunikation zwischen allen interessierten Unternehmensbereichen zu koordinieren und mögliche Einsatzfelder aufzudecken. Weitere Aufgaben könnten sich beispielsweise mit der Planung von Ausbildungsmaßnahmen und der Vorbereitung von strategischen Entscheidungen wie etwa der Auswahl eines Werkzeugs anschließen.

Kommunikation im Betrieb sichern

Im nächsten Schritt sollten im Unternehmen erfolgversprechende Anwendungsmöglichkeiten identifiziert werden. Werkzeuganbieter und unabhängige Unternehmensberatungen bieten die Durchführung von Workshops an, in denen Ideen generiert und die in Betracht gezogenen Problemstellungen hinsichtlich ihrer Eignung untersucht werden. Auch die jeweiligen Rahmenbedingungen befinden sich auf dem Prüfstand. Zuletzt erfolgt die Auswahl der am besten geeigneten Problemstellung für eine erste Anwendung.

Nach dieser Entscheidung kann ein Projekt initiiert werden. Zunächst ist ein Projektteam zu bilden. Alle Mitglieder sind über die Grundlagen der Technologie zu informieren, und die technischen Mitarbeiter sollten an Schulungen oder Kursen teilnehmen, in denen sie spezielle Methoden und Techniken erlernen.

Vor der Systementwicklung muß aufbauend auf der Eignungsanalyse eine detaillierte Machbarkeitsstudie durchgeführt werden. Da im allgemeinen das dafür notwendige Know-how und die Erfahrungen im eigenen Unternehmen nicht vorhanden sind, sollte diese bei einem Beratungsunternehmen in Auftrag gegeben werden. Will man ganz sicher gehen, so besteht die Möglichkeit, die Aussage der Machbarkeitsstudie durch eine Prototypen-Entwicklung zu untermauern.

Nach Erstellung eines detaillierten Projektplans auf Grundlage der Machbarkeitsstudie kann mit der eigentlichen Systementwicklung begonnen werden. Da der Übergang von konventioneller Datenverarbeitung zur Wissensverarbeitung zum einen einen Technologiesprung bedeutet und sich zum anderen ganz spezielle Anforderungen aus der Notwendigkeit einer systematischen Wissenserhebung ergeben, empfiehlt es sich die Projektleitung an eine Unternehmensberatung abzugeben; zumindest aber sollte eine externe Projektunterstützung in Anspruch genommen werden.

Nach der Fertigstellung muß das System bewertet werden. Dies geschieht auf Basis der vorher festgelegten Leistungskriterien und unter Einbeziehung anderer an der Entwicklung nicht beteiligter Experten. Die anschließende Präsentation, die eine Vorführung des Systems, eine Darstellung der während der Projektdurchführung gewonnenen Erkenntnisse und schließlich eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen beinhalten sollte, entscheidet in der Regel über Erfolg oder Nichterfolg der Technologie im Unternehmen.