Minicomputer-gesteuerte Materialwirtschaft bei Dow Chemical

Mit Terminals hautnah an die Produktion

30.07.1976

"Wenn man es nicht besser und billiger machen kann - warum sollte man es dann überhaupt machen?" So überlegte Dr. Herbert H. Dow, als er vor 75 Jahren "Dow Chemical" gründete. Er konnte es offensichtlich besser und billiger: Dow entwickelte sich zu einem der größten Chemie-Konzerne der Welt: Das Unternehmen (Jahresumsatz 5 Milliarden Dollar) verkauft Chemikalien, Kunststoffe und Bioprodukte in über 100 verschiedene Länder und unterhält Fabrikationsbetriebe in allen fünf Erdteilen.

Für die Abteilung Materialwirtschaft im Terneuzen-Werk für Petrochemie der Dow Chemical (Niederlande) B. V. - der größten Dow-Niederlassung außerhalb der USA - ließ das Unternehmen kürzlich eine PDP-11/70 von Digital Equipment installieren. Sie steuert die Lagerhaltung von Ersatzteilen, Rohmaterialien und Zubehör - beschleunigt damit die Auftragsabwicklung und vereinfacht schließlich den Wareneingang. Unter Verwendung des Datenbanksystems MUMPS-11 bewältigt die Anlage gleichzeitig vier wichtige Betriebsabläufe:

- Wirtschaftliche Materiallieferung an alle 28 Niederlassungen im Bereich Terneuzen,

- Verwaltung von Lagerartikeln im Wert von über 10 Millionen Dollar - von 1 mm kleinen Beilagscheiben bis zu 85 t schweren Rohrflanschen,

- Abwicklung von 14 000 Bestellungen pro Monat,

- Eingangskontrollen von täglich etwa 40 000 kg kleiner Pakete und Päckchen.

Das in Südholland gelegene Werk Terneuzen produziert eine Vielzahl chemischer Produkte und Kunststoffe. Außerdem stehen hier die zwei größten europäischen Cracker-Anlagen zur Äthylen-Erzeugung - eines der Hauptprodukte für die Kunststoff-Industrie.

Dafür, daß die Produkte "fließen", ist die Abteilung Materialwirtschaft zuständig. Sie trägt die Verantwortung für den reibungslosen Betrieb in sieben dezentralen Lägern und 30 Materialausgabestellen innerhalb des gesamten Werkbereiches - das heißt Verantwortung für die Materialentwicklung einschließlich Codierung, Klassifizierung und Zweiteinkaufsmöglichkeiten, für Material-Ein- und Ausgang, für Überschußmengen und Abfallprodukte und schließlich für die gesamte, zentrale Verwaltung einschließlich der Inventurüberwachung auf einer IBM 370 und der Auftragsabwicklung auf dem Minicomputersystem PDP-11/70.

Komplexe Aufgaben - einfache Lösungen

"Wir dezentralisieren unsere Material- und Zubehörläger in größtmögliche Nähe der Weiterverarbeitung. Jedes der sieben Läger versorgt eine oder mehrere Produktionsstätten und jedes befindet sich in unmittelbarer Nähe der Hauptverwaltungsdepots; dies erspart sehr viele Transporte", erklärt ein Referent der Abteilung Materialwirtschaft.

Diese Läger sind mit Arbeitskräften besetzt. Zu ihrer Unterstützung wurden jedoch innerhalb der einzelnen Arbeitsbereiche noch 30 unbemannte offene Materialdepots eingerichtet, aus denen das Wartungspersonal jene Dinge entnehmen kann, die es unverzüglich benötigt. Tausende verschiedener Teile lagern hier - wie Rohrflanschen, Schrauben, Muttern etc. Tieferer Sinn der Organisation: Möglichst wenig Papierkrieg und Bürokratie.

"Man stelle sich den Papierkrieg vor, wolle man für jedes kleine Teilchen ein Formular ausfüllen", gibt der Abteilungsreferent zu bedenken. "Diese Methode haben wir abgeschafft. Zweimal im Monat inspiziert ein Vorarbeiter die Materialdepots und füllt die Bestände wieder auf."

Ähnliche Systeme wurden für die Versorgung der Laboratorien und Büros eingerichtet.

Der Verwaltungsbereich "Auftragsbearbeitung" ist einer der Hauptbenutzer des Microcomputersystems, das 192 KB Hauptspeicher, Plattenspeicher, Magnetbandeinheiten, Controller für 32 Terminals sowie sechs Matrixdrucker und ein Bildschirm-Terminal umfaßt.

Um dem Wartungspersonal den Weg zu den Vorratslagern zu ersparen, richtete das Unternehmen ein telefonisches Bestellsystem ein. Jeder kann die Rufnummer 2727 wählen und Material bestellen, das entweder auf Lager liegt oder direkt von Zulieferfirmen kommt. Über eine der fünf Telefonleitungen zu den Terminals erhält der Anrufer eine Direktverbindung mit einem Mitarbeiter und Matrixdrucker. Dieser Mitarbeiter ist mit einem speziellen Kopfhörer ausgerüstet und tippt die Bestellung direkt in den Rechner ein - bei der Eingabe von Konto- und Auftragsnummer, Name und Abteilung des Bestellers usw. wird der Bediener durch Systemhinweise "geführt". Steht das bestellte Teil nicht zur Verfügung, schlägt die PDP-11/70 ein entsprechendes Ausweichteil vor nachdem sie die von allen Teilen gespeicherten Spezifikationen überprüft hat.

Bei Annahme der Bestellung werden alle ähnlichen Aufträge gesammelt und - unter Berücksichtigung der Liefertermine - auf die einzelnen Läger oder Zulieferfirmen verteilt. Daran schließt sich die Materiallieferschein-Schreibung an. Parallel zur Auftragsbearbeitung werden alle Zentraldateien auf dem laufenden gehalten; dies erfordert keine weiteren Manipulationen.

"Wir sind mit der Arbeitsweise unseres neuen Systems sehr zufrieden", resümiert der Dow-Referent. "Die meisten unserer Wünsche wurden irgendwie erfüllt." Dies sei das erste derartige System bei Dow, wenngleich zur Prozeßsteuerung bereits zahlreiche PDP-8-Minis eingesetzt werden. Das neue System habe natürlich Aufsehen erregt- nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch außerhalb: "Unsere Mitarbeiter jedenfalls reagierten ungemein positiv."